OrthodoxieDer Ökumenische Patriarch Bartholomaios besuchte Deutschland

Anlass für den Deutschlandbesuch von Patriarch Bartholomaios vom 10. bis 19. Mai war das fünfzigjährige Bestehen der „Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland“. Sie bildet mit rund 500 000 Gläubigen in 61 Kirchengemeinden die mitgliederstärkste orthodoxe Gemeinschaft in der Bundesrepublik und untersteht der Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Patriarch Bartholomaios, der 1967/68 in München studiert hat und dem die dortige Katholisch- Theologische Fakultät jetzt die Ehrendoktorwürde verlieh, besuchte neben München auch Stuttgart, Frankfurt, Bonn und Berlin und führte Gespräche sowohl mit politischen Repräsentanten wie mit hochrangigen Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche. 

Bartholomaios traf in Esslingen, wo sich das größte griechisch-orthodoxe Gotteshaus Deutschland befindet, mit den Mitgliedern der „Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland“ zusammen. Dabei würdigte er die vor allem durch die Migration nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Präsenz orthodoxer Christen in Deutschland, einem „gastfreundlichen Land“, das durch „seine hervorragende staatliche Organisation, seine Religionsfreiheit, seinen Respekt der religiösen Recht und seine allgemeine Sozialfürsorge“ bekannt sei. Damals habe der Herr neue Horizonte für die Orthodoxe Kirche in Deutschland eröffnet, „wie er es auch heutzutage tut, da die wirtschaftliche Krise in Europa und die generell schwierigen derzeitigen Umstände neue Migrationsströme unserer orthodoxen Mitchristen hervorrufen“. Das derzeitige Nebeneinander verschiedener orthodoxer Jurisdiktionen in Deutschland könne als eine vorübergehende pragmatische Lösung toleriert werden, entspreche aber nicht dem „von den Vätern überlieferten kirchlichen Status“. Um ihre Einheit zu beweisen, nutze die Orthodoxe Kirche seit einigen Jahren mit Erfolg die Institution der Bischofskonferenzen. 

In seiner Dankesrede bei der theologischen Ehrenpromotion in München entfaltete der Ökumenische Patriarch Grundzüge orthodoxer Theologie. Er beklagte dabei, die Philosophie der Aufklärung im Westen und die Französische Revolution hätten zu einer neuen Auffassung von Mensch und Gesellschaft geführt. Eine Folge davon sei „in großem Maße der praktische Materialismus der heutigen Gesellschaften“ sowie die „unterschiedlichen Formen des militanten Atheismus und Absolutismus“, denen in den letzten zweihundert Jahren Millionen unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen seien. Die Theologie, so Bartholomaios, beziehe sich nicht auf die Wahrheit der Gegenstände, sondern auf die Wahrheit des Lebens. Nur sie sei die Wissenschaft, die dem modernen Menschen helfen könne, aus dem Taumel des „geistlosen“ Weltbildes zu entkommen. Sie sei so aktuell und gleichzeitig so weit vom verweltlichten Menschen unserer Zeit entfernt. Zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs kam Bartholomaios in die Gedenkstätte des früheren Konzentrationslagers Dachau: Die Orthodoxe Kirche bezeichnete er dabei als die „Kirche der Glaubenszeugen und der Helden“.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen