Es kann ein Glücksfall sein, wenn sich ausgewiesene Wissenschaftler aus „profanen“ Disziplinen kundig und engagiert an kirchlichen Debatten beteiligen. Das trifft in besonderem Maße auf den 1932 in Zürich geborenen Soziologen Franz-Xaver Kaufmann zu, der als Berater wie durch pointierte Zwischenrufe den deutschen Katholizismus seit Jahrzehnten begleitet. Jetzt hat er einen Band mit zu verschiedenen Anlässen entstandenen meist autobiographischen Texten vorgelegt. Sie werfen interessante Schlaglichter auf seinen Weg als Soziologe wie als katholischer Christ.
Kaufmann entstammt einer prominenten Familie des Zürcher Diaspora-Katholizismus, wuchs aber intellektuell wie spirituell aus diesem Milieu heraus und entwickelte dabei einen so kritischen wie loyalen Blick auf die real existierende katholische Kirche. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn nach Deutschland, an die seinerzeit neu gegründete Universität Bielefeld, der er bis zur Emeritierung treu blieb. „Meine Hauptarbeitsgebiete wurden somit Sozialpolitik, Religion und Familie“ – so fasst er das eigene Lebenswerk an einer Stelle knapp zusammen (27). Die Texte des Bandes verdeutlichen vor allem Kaufmanns Grundanliegen auf dem Forschungsfeld Religion: Nachdrücklich plädiert er dafür, die Geschichtlichkeit der Sozialform Kirche ernst zu nehmen. Dabei würdigt er das Zweite Vatikanische Konzil als befreiende Zäsur, („Das Konzil war eine beeindruckende Selbstreform des kirchlichen Bekenntnisses im Horizont der Moderne“, 149) ohne die Entwicklung der katholischen Kirche seit dem Konzil zu beschönigen: Die kirchliche Pastoral habe sich noch kaum auf die heutige individualistische Sinnsuche eingestellt; Glaube sei eine Frage persönlicher Entscheidung geworden.
Sehr zurückhaltend-nüchtern spricht der Soziologe Kaufmann von seinem persönlichen Glauben. Ein typischer Satz: „Meines Erachtens müssen wir wesentlich bescheidener von unseren Möglichkeiten der Gotteserkenntnis denken, um Gott gerade dadurch ernsthafter zu begegnen“ (181). Der Gottesglaube sei eine unhintergehbare kulturelle Tatsache, allerdings auch die Pluralität der Religionen oder die Religionskritik. Es bleibt deshalb bei vorsichtigen und dadurch so glaubwürdigen wie berührenden Ausblicken auf die Zukunft des Glaubens: „Wenn sich menschliche Verständigung ihres kulturellen und symbolischen Charakters wieder bewusster würde, könnte auch die Offenheit für biblische Worte, Namen und Bilder in neuer Interpretation wachsen“ (184). Der Band schließt mit einem bilanzierenden Gespräch „über Gott, die Zeit und das Magma des Christlichen.