Nach einer Formulierung der ehemaligen EKD-Kulturbeauftragten Petra Bahr trägt die „Religion ein Kitschdispositiv in sich“, das verstärkt werde durch die „Familienähnlichkeit von religiöser und ästhetischer Erfahrung“ (RGG, 4. Auflage, Band 4, Sp. 1386). Damit wird der Zusammenhang markiert, dem das Buch von Elisabeth Hurth nachzugehen versucht. Es verbindet die Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Überlegungen zum Phänomen Kitsch mit Beobachtungen zu konkretem Anschauungsmaterial, wie zum Beispiel der ARD-Serie „Um Himmels Willen“, in der eine couragierte Ordensschwester als Hauptperson fungiert, den Arztromanheften „Dr. Norden“ und der ebenfalls von der ARD verantworteten Telenovela „Sturm der Liebe“.
Der Kitsch kommt dabei recht gut weg. Die Autorin verteidigt ihn durchweg gegen die „Gebildeten unter seinen Verächtern“, weil er angesichts einer unübersichtlichen Welt im guten Sinn Lebenshilfe leiste und damit auch religiös anschlussfähig sei: „Die Entlastungsleistung des Kitschs macht es Menschen leichter, denen die Last von Schicksalsschlägen, von Leid und Tod zu schwer ist und die mit der ‚schweren‘ Kost kirchlich gebundener Religion und Lehre immer weniger anfangen können“ (79). Gleichzeitig, so ein weiteres Leitmotiv des Buchs, lasse sich am Kitsch der verschiedenen Couleurs aufzeigen, wie sich das Verständnis von Religion in der heutigen Gesellschaft geändert habe, sei es das Gottesbild oder die Vorstellungen vom ewigen Leben.
Elisabeth Hurth hat in ihre Studie viel hineingepackt; es findet sich sogar ein Kapitel über Friedrich Gottlieb Klopstocks Erfolgsepos „Messias“ mit seiner seinerzeit neuen Konzeption von Religion und Gefühlsausdruck. Gelegentlich vermisst man in dem Buch eine gewisse Portion Lockerheit, die dem Thema durchaus angemessen wäre. Aber insgesamt liefert es einen anregenden Beitrag zur Verhältnisbestimmung von Religion und Kitsch, die Letzterem bei aller kritischen Einrede Gerechtigkeit widerfahren lässt.
Elisabeth Hurth: Die (un)erträgliche Seichtigkeit des Seins. Zwischen Religion und Kitsch. Telos Verlag, Münster 2015. 147 S., 13,50 € (D).