BuchbesprechungHans-Jürgen Goertz: Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten

Das bevorstehende Reformationsjubiläum soll keine reine „Lutherfeier“ werden, jedenfalls nach dem Willen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, hat das auch in seinem einschlägigen Brief an Kardinal Reinhard Marx vom Frühjahr dieses Jahres ausdrücklich bekräftigt. Auf diesem Hintergrund ist es nur zu begrüßen, dass Hans-Jürgen Goertz jetzt eine überarbeitete und erweiterte Fassung seiner 1989 erstmals erschienenen Biografie von Thomas Müntzer vorgelegt hat. Ist doch der 1489 in Stolberg (Harz) geborene und am 27. Mai 1525 im Zuge des Bauernkriegs beim thüringischen Mühlhausen (zu DDR-Zeiten mit dem offiziellen Epitheton „Thomas-Müntzer-Stadt“ versehen) hingerichtete Müntzer eine der herausragenden und gleichzeitig sperrigsten Gestalten der frühen reformatorischen Bewegung.

Goertz zeichnet das bewegte Leben des Mystikers, Gottesdienstreformers und Revolutionärs mit der angesichts der Quellenlage gebotenen Vorsicht in seinen einzelnen Stationen nach und umreißt das theologisch-spirituelle Profil Müntzers. Grundlegend für sein Denken und Handeln waren demnach „ein vehementer Antiklerikalismus, Züge mystischer Leidens- und Geistfrömmigkeit sowie ein apokalyptisches Zeitverständnis“ (93). Gerade aus der Überzeugung heraus, dass Gottes Geist im Innersten des Menschen erfahren werden muss, führte der Weg Müntzers an die Seite von Bewegungen, die die bestehenden Herrschaftsverhältnisse umstürzen wollten. In diesem Zusammenhang geriet er auch in scharfen Gegensatz zu Martin Luther, den er einmal polemisch als das „gaistlose, sanfftlebende fleysch zu Wittenberg“ apostrophierte.

In zwei „Anhängen“ lässt Goertz einerseits die „verzerrten Bilder“ Revue passieren, die in der Geschichte der Müntzer-Deutung vertreten wurden, und fragt andererseits nach der Bedeutung Müntzers für die heutige Theologie. Dabei plädiert er dafür, in der Diskussion heute nicht an der großen Gegensätzlichkeit zwischen Luther und Müntzer anzusetzen, „sondern an der Beobachtung, dass Müntzer ein Gesprächspartner der Wittenberger Theologen im Ringen um die reformatorische Grunderkenntnis war“ (278). Es sei angesichts des Grabens zwischen Vormoderne und Moderne allerdings ganz und gar unmöglich, Müntzers Gedankenwelt unverstellt und unverändert in der Theologie einer anderen Zeit weiterleben zu lassen.

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Hans-Jürgen Goertz

Thomas MüntzerRevolutionär am Ende der Zeiten

Verlag C.H. Beck, München 2015. 351 S. 24,95 € (D)