Populäre Kulturen haben seit jeher ihre eigenen Gesetze. Auf Emotion und Erlebnis kommt es an, weniger auf Intellekt und Reflexion. Gemeinschaft wird groß geschrieben, mit oder ohne Idole, die gefeiert werden. Äußerlich betrachtet scheint es an traditionellen Wallfahrtsorten ähnlich zuzugehen wie bei manchen Popkonzerten. Was sich jedoch ändert, ist die mediale Präsentation. Moderne Medien wie Videoclips unterstreichen die Botschaft nicht nur optisch, sondern eröffnen ganz neue Ausdrucksdimensionen.
Wieviel Religion steckt in der Popmusik, im Blick auf Quantität wie Qualität? Eine interdisziplinäre Tagung im Oktober 2014 in der Katholischen Akademie Freiburg mit Kultur- und Musikwissenschaftlern, Religionspädagogen und Medienforschern, vorbereitet vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität, ehemals „Deutsches Volksliedarchiv“ (gegründet 1914), ging dieser Frage an zahlreichen Beispielen nach. Weil es die Popmusik ebenso wenig gibt wie die Religion, wurde die „religiös musikalische“ Popkultur an Beispielen von Songs und Videoclips diskutiert.
Die theologischen „Obertöne“ werden oftmals erst beim zweiten Hören deutlich, weil sie zitathaft verdeckt oder symbolisch verschlüsselt sind. Von Schöpfung bis Vollendung gibt es wohl kaum ein religiöses Thema, das gänzlich fehlt. Wir begegnen Jesus und Maria ebenso wie streitenden oder gefallenen Engeln. Ähnlich vielfältig ist das Ensemble religiöser Gesten mit Beten und Klagen, aber auch Abendmahl und Kreuzigung. Selbst die fachtheologisch eher in den Hintergrund gerückten apokalyptischen Szenarien haben popmusikalische Hochkonjunktur, nicht nur bei Xavier Naidoo und den „Söhnen Mannheims“.
Besonders bekannt sind die Skandale. Wenn Popstar Madonna auf der Bühne eine Kreuzigungsdarstellung imitiert, kommt es rasch zu einer steilen „öffentlichen Erregungskurve“ (Christofer Jost) mit kirchlichen Ausschlägen. Doch längst nicht alles, was dann kolportiert wird, lässt sich auch verifizieren. So bleibt der immer wieder ins Feld geführte Boykott-Aufruf, mit dem Papst Johannes Paul II. 1989 auf Konzerte von Madonna in Italien reagiert haben soll, vorerst ohne eindeutigen Beleg. Ohnehin ist bei Madonnas Song „Like a prayer“ das einschränkende Wort „like“ wohl ähnlich wichtig wie der theologische Begriff „prayer“.
Die Pop-Ikone spielt mit dem kirchlichen Raum ebenso wie mit spirituellen Versatzstücken, die zitathaft präsentiert werden: eine schwarze Heiligengestalt, eine weinende Statue und Andeutungen einer Stigmatisierung. Immer wieder bricht das mystisch-erotische Potenzial des Christentums auf, das aus dem religiösen Mainstream schon längst verbannt wurde.
Weil es letztlich auf die Hermeneutik des Betrachtens ankommt, ist die Interpretation religiöser Popsongs mit einer aufgeklärt-kritischen Bibellektüre zumindest vergleichbar. Fundamentalistisch motivierte Kritik entzündet sich zumeist an einem Reiz-Bild, Reiz-Wort oder Reiz-Klang. Solche Kritiker täten gut daran, sich zunächst einmal auf die Ebene der Inszenierung einzulassen, die ja immer eine Bühne und Requisiten braucht. Wenn in Madonnas Video-Clip am Ende der Vorhang zugeht, könnte man meinen, dass alles nur Show war. Also nur eine pop-religiöse Inszenierung? Eher ist es ein virtuoses Spiel mit dem Spiel. Denn die Resonanz in den Betrachtern bleibt echt. Mit zu bedenken ist, dass nicht selten die kirchliche Empörung zur besten Werbung geriet. Wenig sinnvoll ist im Übrigen die bekannte Pauschalkritik, die etwa mit Gleichungen wie „Selbsterlösung“ oder „Auflösung der Person“ (Joseph Ratzinger) argumentiert.
Es gibt von Imagestrategen erfundene Teufels- oder Horrorszenarien auf Plattencovers, von denen die musikalischen Interpreten gar nichts wussten. Religions- und musiksoziologisch betrachtet hat auch die Popkultur Anteil an gesellschaftlichen Strömungen. In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zeigte sich der „occult turn“ in der Rockmusik als „gegenkultureller Protest“ (Manuel Trummer), der tief in die Mottenkiste der Schauerliteratur und in den karnevalesken Kostümfundus griff. Die Ablehnung des Etablierten und Institutionellen suchte nach schockierenden Gegenbildern und wurde fündig in satanischen Gefilden und Symbolen, was kaum verwundern kann. Meistens war das am Ende aber kaum mehr als „verkaufsfördernder Mummenschanz“ mit den „lächerlichen Utensilien einer musikalischen Geisterbahn“ (Andreas Malessa), der wie alle Moden kommt und wieder geht, ohne eigentlich Spuren zu hinterlassen.
In den letzten Jahrzehnten sind nun gegensätzliche Entwicklungen zu verzeichnen. Religion ist nicht nur gesellschaftsfähig, sondern auch neu „pop-fähig“ geworden. Ein „spiritual turn“ ist in der Popkultur zu verzeichnen. Die Wirkung von Popmusik „läuft wesentlich über Identifikation“ (Bernd Schwarze), wobei zwei Aspekte entscheidend sind: Popmusik setzt beim Leben der Hörer an, um Horizonte zu öffnen und zu weiten, auch in spirituelle Richtungen. Die gestische Bandbreite reicht von meditativen Klängen bis zu ekstatischen Ausbrüchen. Emotionale Botschaften und religiöse Klischees stehen neben Nachdenklichem.
Ein besonderer Bereich ist die dezidiert christliche Pop- und Rockmusik evangelikaler Prägung. Sie verteufelt diese Musik-Farbe nicht, sondern nutzt sie für klare Bekenntnisse. Insbesondere in den USA gibt es heute jede populäre Mainstream-Musikrichtung auch in christlicher Version. Heftig diskutiert wird in dieser Szene der „Contemporary Christian Music (CCM)“ die Frage, ob und wie sich merkantiles „music business“ und religiöses „music ministry“ überhaupt vereinen lassen. Nach den stark polarisierenden Botschaften der achtziger Jahre im Sinne von „turn or burn“, deren Protagonisten sich als Missionare und Ideale einer heilen religiösen Welt inszenierten, wenngleich das nicht immer durchzuhalten war, kommt es in den letzten Jahren stärker zu einer „seeker sensibility“ (Bärbel Harju), die das religiöse Suchen erst nimmt und sogar Glaubenskrisen in Popsongs thematisiert.
Spiel mit Symbolen bei Sting
Religiöse Bilder und christliche Traditionen schillern heute in vielen popkulturellen Farben. Der britische Sänger Sting (geb. 1953) spielt mit dem Motiv der Schifffahrt als Symbol der Lebensreise: „… all the time the river flowed“. Sein Lied ist erfahrungsgesättigt und authentisch, weil biografisch der Tod des eigenen Vaters im Hintergrund steht. Das nachdenkliche Spiel mit christlichen und mythologischen Symbolen – das lyrische Ich fühlt sich, wie in vielen Gedichten und manchen Kantaten von Johann Sebastian Bach, als Schiffbrüchiger – verbindet sich mit der Weigerung, deren traditionell-kirchliche Deutung als Norm zu akzeptieren: „faith in my fashion“.
Aber war das je anders, etwa in den zur Dogmatik eher quer stehenden mystischen Erlebniswelten, die keineswegs unreflektiert sind? Sting wuchs in einem christlichen Elternhaus auf und hat ein katholisches Gymnasium besucht. Aber er distanziert sich klar von der institutionalisierten Religion. Der Priester, der im Lied zum Sterbenden kommt, hat nichts zu sagen und versagt. Aller Schutz schwindet, wenn selbst die Engel ins Nichts stürzen, ihre biblische Funktion verlieren und zu Boten des Untergangs werden.
Was bleibt? Die Totenbarke und der Trost der Musik. Auch die Popkultur ist nicht selten auf den durchaus romantischen Grundton der Kunstreligion gestimmt. Einer ihrer amerikanischen Protagonisten, der das Spiel zwischen den U- und E-Welten höchst virtuos beherrscht hat, war der vielseitig begabte Komponist und Dirigent Leonard Bernstein. Sein postchristliches Credo heißt: „Ich glaube an den Menschen.“ Doch anvertraut hat er dieses Bekenntnis ausgerechnet einer komponierten Messe: „Mass. A Theatre Piece for Singers, Players and Dancers“ (Uraufführung 1971). Ein Gitarrist tritt auf. Seine einschmeichelnde und von Psalmzitaten durchsetzte Pop-Ballade „Sing God a simple Song“, bringt sogar ein lautes zwölftöniges Avantgarde-Kyrie zum Schweigen. Warum hört der Höchste Pop-Klänge im Stil von „simple songs“ lieber als hoch artifizielle Werke? Er ist „the simplest of all“. Die eingängig-schlichte Melodie aber lässt die Hörer vergessen, wie neblig und verschwommen dieser Gottesbegriff bleibt.
Bernstein spielt theologische und rituelle Facetten der Messe durch. Auf das quasi-gregorianische „Credo in unum Deum“ antwortet die Rockband mit einem rebellischen „Non Credo“, das die Glaubensschwierigkeiten der sechziger Jahre ins Feld führt. Am Ende geht der Priester wieder in den Laienstand zurück, weil er sein Heilsversprechen nicht halten konnte und die Menge ihn mit der Forderung „Dona nobis pacem“ ins Scheitern getrieben hat. Das Ende des liturgischen Ritus in Form eines konzertanten Events.
Nach Richard Wagners Opern ist dies eine weitere Variation des kunstreligiösen Konfession, die der Philosoph Emile Michel Cioran am prägnantesten formuliert hat: „Musik ersetzt die Religion“. Und Stings Botschaft „men go crazy in congregations, they only get better one by one“ könnte auch von Bernstein stammen. Die abendfüllende Messe mit Choreographie, die im Jahr 2000 sogar in der vatikanischen Audienzhalle erklungen ist, rettet sich in einen Synkretismus, ein religiös-musikalisches „Anything goes“.
Diese Messe ist keineswegs massentauglich, aber sie inszeniert die Gesetzmäßigkeiten einer Popkultur, in der elitäre Musikfarben – Chöre, sinfonisches Orchester, Solisten – mit Pop- und Rockmusik zu einer Einheit finden sollen, was musikalisch besser gelingt als religiös. Bernsteins Humanismus popularisiert Schillers und Beethovens „Alle Menschen werden Brüder“. Die Gegenrechnung aber, die auch unmenschliche Posten zu bilanzieren hätte, will der Komponist lieber nicht aufmachen. Die Menschwerdung Gottes im „et incarnatus est – and was made man“ bringt heftige Diskurse über die Menschwerdung des Menschen hervor. Doch das „Cruzifixus“, wo auch das Leiden seinen Platz hätte, wirkt blass.
Der popmusikalische Rekurs auf die Gattung Messe blieb in dieser Weise singulär. Intensiviert wurden aber generell die Möglichkeiten der Inszenierung mittels Video-Clips. Sind Bilder und Musik dabei so stark, dass die Texte gleichsam im Off verschwinden? Das ist schwer zu sagen. Oft sind die neuen Szenen das Remake alter Motive, tief verwurzelt etwa in körperbetonten Passionsbildern. Diese Station der biblisch-christlichen Heilsgeschichte hat ja schon immer die meisten und differenziertesten Bilderwelten hervorgebracht. Denken wir nur an den Kreuzweg, an die Wunden des Erlösers und an die unzähligen Werke der Passionsmusik.
Der Schauspieler und Rockstar Marius Müller-Westernhagen (geb. 1948) rekurriert, ausgehend von einem Verkehrsunfall, auf das kunstgeschichtliche Repertoire kirchlicher Bilder, vom Schmerzensmann an der Geiselsäule bis zur Pietà. Er arrangiert und inszeniert die Bilder neu, bisweilen in paradoxer Umkehrung. Nicht Maria Magdalena benetzt die Füße Jesu mit ihren Bußtränen, wie wir es aus Bachs Matthäuspassion kennen. Vielmehr ist zu sehen, wie ein Freier im Bordell der Prostituierten in geradezu demütiger Haltung die Füße wäscht.
Auch Jesus betritt dieses Bordell. Aber war das in der Bibel nicht der Vorwurf, dass er sich mit Sündern, Zöllnern und Dirnen umgibt? Provozierend ist die Himmelfahrt des Marius Müller-Westernhagen in Jesus-Pose, versehen mit der Botschaft „Mit ein bisschen Glück werden wir verrückt“. Ist das anmaßend oder vielleicht die Andeutung einer Hoffnungsperspektive? Solche Unschärfen sind keine Schwäche, sondern geradezu essenziell. Noch einmal Leonard Bernstein: Kunstwerke beantworten keine Fragen, sondern sie verhelfen dazu, Fragen besser zu stellen. Das gilt auch für die religiösen Fragen.
Ein bevorzugtes Mittel hierfür sind Zitate aus dem christlichen oder mythologischen Fundus. Sie erlauben es, religiöse Botschaft indirekt, ja doppelbödig ins Spiel zu bringen. Wer zitiert, dispensiert sich von strengen Aussagen. Aber er öffnet Räume zum Assoziieren. Meistens steht das Zitat für eine ganze Welt, pars pro toto. Mit Fußwaschung, Abendmahl nach Leonardo da Vinci oder Pietà ist die christliche Passionsfrömmigkeit insgesamt gemeint. Sie noch explizit zu bejahen, scheint ebenso unmöglich wie der gänzliche Verzicht auf sie. Letztlich kann das Zitat aber auch zur expliziten Botschaft werden, wenn die Hörer das affirmativ mitkonstituieren. Dazu müssen sie vieles dechiffrieren können, was längst nicht allen gelingt. Zum Reiz des Zitats gehört auch, dass es unerkannt bleiben darf.
Michael Jackson (1958 bis 2009) war nicht nur der „King of Pop“, er hat sich auch als ewig-jugendliche Lichtgestalt aus einer jenseitigen Welt inszeniert. Seine persönliche Religiosität ist kaum zu durchschauen, aber auch nicht entscheidend. Sein Megahit „Earth Song“ aus der CD „HIStory“ (1995) greift die Umweltzerstörung auf: „What have we done to the world?“ Der Video-Clip inszeniert eine geradezu klassische Theophanie mit Beben, Sturm und Gewitter. Artikuliert wird die Sehnsucht nach dem „Dort“, sei es in unvordenklicher Frühe die unberührte Wildnis oder nach aller Zeit der „neue Himmel und die neue Erde“ (Offenbarung 21).
Theologische Kritik kann hier an der immanenten musikalischen Zeichnung der Vollendung ansetzten. Nicht dass Symbole der Erlösung fehlten, ist das Problem. Aber sie bleiben immanent und bringen nur die Schöpfung zur Perfektion. Die biblische Botschaft lautet anders, wenn es um die Verheißung des radikal Neuen geht, das noch kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat. Michael Jackson stilisierte sich durchaus provozierend als Erlöser, wenn er die biblische Botschaft von der Schöpfung und vom „neuen Himmel“ in Szene setzte.
Hauptkritikpunkt daran ist nicht der Vorwurf der Blasphemie, sondern die theologisch verengte Position, die „den neuen Himmel und die neue Erde“ nur als eine Art Perfektion des Irdischen zeigt. Wo bleibt da die Transzendenz, die doch für die christliche Botschaft insgesamt ein überaus wichtiger „Oberton“ ist? Dennoch lässt sich der Star als „prophetischer Mittler“ (Uwe Böhm) verstehen, der den Finger auf die offenen Wunden legt und aufrütteln will. Dass der mitunter regelrecht abstoßende Kult um solche Stars viele Guru-hafte Züge, aber gar nichts Prophetisches an sich hat, steht auf einem anderen (Noten-)Blatt.
Herbert Grönemeyer vor dem „leeren Sternenhimmel“
Was ist eigentlich die Rolle der Zuhörer? Sie kennen ihre Songs ebenso gut wie die protestantischen Bildungsbürger ihre Bachchoräle. Rezeption vollzieht sich zweigleisig: das „private“ Hören mit MP3-Player und das Konzertevent mitsamt quasi-liturgischer Inszenierung. Am Setting von Herbert Grönemeyers Konzerten ist das abzulesen. Als Kantor der Massen steuert er den Gesang mit großen Gesten im „call and response“. Und das Publikum enttäuscht ihn nicht, es kennt seine Partitur!
Der berühmt gewordene Song „Der Weg“ ist eine popmusikalische Trauerarbeit, die den Kriterien „authentisch“ und „existenziell“ folgt. Bei einer Befragung von 750 Konzertbesuchern vor und nach Grönemeyer-Auftritten (vgl. HK, Mai 2009, 251ff.) zeigte sich die gegenseitige Resonanz zwischen Star, Song und Publikum. Am wichtigsten waren den Zuhörern „intensiv leben“ und „gelingende Partnerschaft“. Grönemeyer besingt diese Themen, indem er ihre Ambivalenz schonungslos ausbreitet: „Das Leben ist nicht fair.“
Nimmt man nur das, was explizit gesagt wird, dann sind Grönemeyers Texte „postchristlich“ (Rita Werden). Wo einst Gott thronte, bleibt eine Leerstelle zurück. Der Sternenhimmel ist leer. Auch sind christlich-kirchliche Überlieferungen nicht mehr leitend, sondern höchstens noch zitathaft präsent. Das aber ist noch nicht alles. Entscheidend ist, dass dieser Popstar die existenziellen Fragen wachhält, auch wenn er auf die alten Antworten verzichtet. Neben der expliziten Botschaft gibt es auch gestische Signale und spirituelle Obertöne. Allgemein gültige Antworten wären bereits verdächtig. Dennoch ist ein solches Konzert ein Gemeinschaftserlebnis par excellence. Auch ohne verbindliche Antworten für alle wird ein großes „Wir“ inszeniert, das die Einzelnen stützt und stärkt.
Die Popkultur hat eine seismographische Funktion in Sachen Sinnsuche. So geht es beim „Phänomen Grönemeyer“ nach Ansicht seiner befragten Fans darum, „ernsthaft und voller Hoffnung auf Sinn zu leben, um das Glück zu kämpfen, zu gestalten, wo es die Möglichkeit dazu gibt, und das Leben dafür zu lieben“ (Magnus Striet). Solche Positionen sollten die kirchlichen Sinn-Agenturen nicht ignorieren, wenngleich in den popkulturellen Produktionen alles Kirchliche – spiritual turn hin oder her – so gut wie nicht mehr vorkommt. Selbst die Kritik daran ist verstummt.
Kirchliche Reaktionen stehen nun in einem Spannungsfeld, dessen Extrempositionen letztlich ungenügend bleiben. Die dogmatisch begründete Ablehnung verkennt zumeist die oft zutreffende Zeitdiagnose der Popkultur, die zunächst einmal ein aufmerksames und zugleich kritisches Hinhören verdient hat. Die pastorale Vereinnahmung bleibt ähnlich unbefriedigend, wenn sie popreligiöse Versatzstücke zur kirchlichen Selbstbestätigung heranzieht oder Popsongs religionspädagogisch nur als Stichwortgeber verwendet. Allerdings können Popsongs im Religionsunterricht zum Anknüpfungspunkt für religiöse Themen werden, von der Schöpfung mitsamt ihrer Bewahrung bis zu Bildern der Vollendung. Zwischen dogmatischer Ablehnung und pastoraler Vereinnahmung liegen viele spannende Dialogfelder für eine Kirche, die auch popkulturell nicht unmusikalisch werden sollte.