KommentarRustikal

Papst Franziskus erntet mit seinen flapsigen Bemerkungen Proteste.

Papst Franziskus: Pressekonferenz im Flieger
Mit viel Temperament spricht Papst Franziskus vor Journalisten im Flugzeug auf der Rückreise von den Philippinen. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund.© KNA-Bild

Die ersten Wochen des neuen Jahres haben es – zumindest mit Blick auf die päpstliche Rhetorik – in sich gehabt. Zuerst hatte Papst Franziskus auf dem Hinweg seiner Asienreise nach den Anschlägen von Paris zusätzlich zur Verurteilung der Taten darauf hingewiesen, dass es bei religiösen Symbolen auch Grenzen der Belustigung gebe. In Analogie zum Ehrbegriff der arabischen Welt wies der Papst die Umstehenden gestenreich darauf hin, dass der neben ihm stehende Reisemarschall Alberto Gasbarri, wenn er schlecht über seine Mutter rede, damit rechnen müsse, einen vor den „Latz“ zu bekommen.

Dann kommentierte er auf dem Rückflug von den Philippinen die kirchliche Sexualmoral, indem er die katholische Lehre unterstrich, aber auch darauf hinwies, dass sich Katholiken ja nicht gleich „wie Karnickel“ vermehren müssten. Verantwortete Elternschaft, konkretisiert mit der Zahl von drei Kindern, sei die Zielvorgabe. Selbst mancher Bischof, der aus einer so genannten gut-katholischen – und damit gelegentlich deutlich kinderreicheren – Familie kommt, hätte dem Papst wohl am liebsten eins mit der Faust gegeben, weil er seine Mutter dadurch beleidigt sah.

Richtiggehend Proteste gab es dann aber vor allem, als der Papst es bei einer Generalaudienz Anfang Februar über Väter in der heutigen Gesellschaft als akzeptabel bezeichnete, wenn man Kindern im Ausnahmefall einen Klaps gebe. Einen Vater, der ihm einmal von seinem Erziehungsstil erzählte, lobte er dafür, dass er den Schlag ins Gesicht ausdrücklich ausschloss, weil das mit der Würde von Kindern nicht vereinbar sei. Zwar hatte er darüber gesprochen, dass ein guter Vater es verstehe, zu warten und zu vergeben. Es hagelte daraufhin trotzdem Ohrfeigen für den Papst. Wenige Tage, bevor die päpstliche Kinderschutzkommission das erste Mal tagte, kritisierte die „Deutsche Kinderhilfe“, dass der Papst sich mit seinen Erziehungstipps mitschuldig an der Gewalt gegen Kinder mache. Andere wiesen auf die UN-Kinderrechtskonvention hin, die auch der Heilige Stuhl unterzeichnet hat. Auch innerkirchlich wurde Kritik laut. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick twitterte etwa: „Der Papst haute daneben! Hoffentlich hauen alle Erwachsenen daneben, die Kinder hauen wollen.“ Es gebe, so der allgemeine Tenor, kein „Prügeln in Würde“.

Nun mögen manche angesichts dieser Aufreger einwenden, dass man bei einem Papst, der sein Amt mit einem „Buona sera“ antritt, darauf eingestellt sein müsse, dass auch alle weiteren Äußerungen nicht formelhaft oder diplomatisch geschliffen daher kommen werden. Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeiter hatten von Anfang an gut damit zu tun, einzelne Bonmots der vergleichsweise spontan gehaltenen Predigten in den päpstlichen Morgenmessen im Gästehaus Santa Marta wieder einzufangen (beziehungsweise einzuordnen).

Letztlich hat man aber weiterhin nicht den Eindruck, dass dem Papst seine verbalen Entgleisungen wirklich übel genommen werden. Ganz im Gegenteil: So wie mit seinem Gespür für Gesten wirkt Franziskus auch aufgrund seiner flotten Sprüche und hier und da rustikalen Sprache als charismatischer Kirchenführer.

Wurde nicht schon von Anfang an spitz darauf hingewiesen, dass Franziskus gerne und sehr direkt vom „Teufel“ spricht, was so weder dem systematisch-theologischen Diskussionsstand noch dem Empfinden deutschsprachiger Katholiken entgegen kommt? Bereits da konnte man aber sehen, dass man dem neuen Papst durchgehen lässt, was man dem Vorgänger nie verziehen hätte. Das mag unter anderem daran liegen, dass man fremden Mentalitäten gegenüber großzügiger ist.

Es hat aber natürlich vor allem auch damit zu tun, dass die gesamte Amtsführung von Papst Franziskus so angelegt ist, dass er sein Amt relativiert. Einem Papst, der freimütig einräumt, dass er nicht glaube, „dass man vom päpstlichen Lehramt eine endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen erwarten muss, welche die Kirche und die Welt betreffen“ (Evangelii Gaudium, Nr. 16), verzeiht man naturgemäß auch flapsige Bemerkungen eher. Benedikt XVI. hat der Sache nach hier und da ganz Ähnliches gesagt, aber doch stets einen anderen Sprachstil gepflegt. Auf nicht wenige wirkte er stets so, als äußere sich in erster Linie das päpstliche Lehramt in seiner Unfehlbarkeit.

Gerade die leichter zugängliche Sprache von Franziskus kommt demgegenüber in der Breite besser an – auch wenn nicht nur einigen Kurialen angesichts von Papst Franziskus und manchen seiner Aussprüche in Zukunft weiterhin immer wieder der Schweiß auf der Stirn stehen wird. Der Papst liefert damit eine Interpretation seines Amtes, die theologisch durchaus zu begrüßen ist, weil sie den Ausweg aus manchen Verengungen weist.

Im Falle der „Lizenz zum Versohlen“ heißt das freilich auch, ihm widersprechen zu dürfen, ja zu müssen, weil mangelnde Klarheit in dieser Frage der Gewalt Kindern gegenüber Vorschub leisten könnte. Gerade nach dem Missbrauchsskandal und der Einsicht in die Verstrickung kirchlicher Mitarbeiter in sexualisierte und andere Formen der Machtausübung gegenüber Schutzbefohlenen ist hier von einem Papst wie von jedem Vertreter der katholischen Kirche mehr Fingerspitzengefühl gefragt. Ungenauigkeiten an diesem Punkt schaffen erst jenen Graubereich, in dem sich sexueller Missbrauch so fatal entfalten kann.

„Was wäre falsch daran, dem Papst seine Erziehungstipps – rein metaphorisch, und ohne seine Würde zu verletzen! – um die Ohren zu hauen, wenn man sie denn missbilligt? Er würde es schon verkraften. Wer, wenn nicht er?“ – kommentierte die Berliner Zeitung.

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