Die jüngste Innovation in der katholischen Medienlandschaft heißt „Mensch“. Es ist das neue Magazin des Erzbistums Köln. Es wird in einer Auflage von 400 000 Exemplaren der örtlichen Tageszeitung, dem Kölner Stadt-Anzeiger, beigelegt. Die Titelgeschichte der zweiten Ausgabe des achtseitigen Heftes beschäftigt sich mit der „Vision“, wie Köln ohne Kirche aussähe. „Welch ein Verlust wäre dies“, schreibt Kommunikationsdirektor Thomas Juncker in seinem Editorial. Er listet die zahlreichen Institutionen auf, welche die Kirche in Köln unterhält, die „wegen der Qualität ihrer Arbeit auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes auch von vielen Nichtchristen geschätzt“ würden.
Das Heft will zum einen für eine Kirche werben, vor der niemand Scheu zu haben brauche. Zum anderen erklärt der Wirtschaftsethiker Dominik H. Enste dann doch auf einer Seite den Zusammenhang von „Kirchenbesuch und Kindersegen“ und wie sich Religion positiv auf Wohlstand und Wachstum auswirkt. In großen roten Ziffern wird veranschaulicht, dass gläubige Frauen weltweit 2,1 und Nicht-Gläubige lediglich 1,6 Kinder durchschnittlich zur Welt bringen. Außerdem geht es noch um den Neubau des Berufskollegs, das Bildungsprogramm der Akademie, Ferienlager und eine Restauratorin. Der Kardinal kommt nicht vor. Kein Grund zur Sorge also?
„Mensch“-Chefredakteur Robert Boecker hatte zum Start erklärt, mit dem Pilotprojekt neue Zielgruppen ansprechen zu wollen. Ob das mit dem inhaltlichen Programm gelingen kann, ist allerdings fraglich. Denn unklar ist, welches Ziel und welche Gruppe erreicht werden soll. Die Auslastung der katholischen Krankenhäuser oder der kirchlichen Ferienlager mit Ungetauften kann es nicht sein, denn da fehlt es nicht an Zuspruch. Mehr Gottesdienstbesuch etwa oder mehr Taufen wird man wohl auch kaum erreichen wollen, denn darum geht es in dem Heft nahezu gar nicht.
Doch das Kölner Beispiel ist kein Einzelfall. Die kirchliche Medienlandschaft befindet sich seit Jahren in einer Krise. Diese ist objektiv verursacht durch das dramatische Einbrechen der Auflagenzahlen kircheneigener Zeitungen. Daraus erwächst das Bedürfnis, mit neuen Medien an die alte Reichweite anzuknüpfen. Doch Kern der Krise ist eine inhaltliche. Die kirchliche Medienarbeit weiß im Grunde nicht mehr, wozu sie da ist. Bisweilen ist sie zur banalen Werbekampagne mutiert. Natürlich sind damit nicht einzelne engagierte Redakteure, Content-Manager oder Medienfunktionäre gemeint, auch manche Beiträge sind spannend – sondern vielmehr eine generelle Grundstimmung. Manche Medieninnovationen der katholischen Kirche zeichnen sich – mal mehr und mal weniger – durch erdrückende Nettigkeit und bunte Harmlosigkeit aus, die leider oft in die bekannte Langeweile und Nutzlosigkeit schöner Imageprospekte ausarten.
War das etwa bei den Kirchenzeitungen anders? Waren früher die Bischofs-Blättchen etwa immer spannend? Keineswegs immer, aber doch manchmal! Kirchliche Publizistik bewegte sich zumeist, wenn nicht die Angriffe von außen stark waren, in dem Spannungsfeld von Linientreue und Eigenmächtigkeit. Doch diese Spannung zwischen Verkündigungsorgan und journalistischer Plattform war eben durchaus eine der Kirche angemessene Herangehensweise an Medienarbeit. Der Niedergang der Kirchenpresse hat dann auf der anderen Seite die Medien- und PR-Arbeit der Bistümer exponentiell anwachsen lassen. Doch mit welchem Erfolg? Der Ertrag der richtigen und notwendigen PR-Arbeit der Kirche lässt sich eben weitaus schlechter bestimmen als die Auflagen einer Abo-Zeitung.
Das große Problem kirchlicher Medienarbeit ist, dass mit sprudelnden Kirchensteuermillionen eine schöne neue kirchliche Medienwelt geschaffen wird, die sich kaum an Relevanz, Effizienz und Erfolg messen lassen muss. Es gilt eben online wie offline: Umsonstkultur garantiert keineswegs Resonanz.
Mit den teilweise durchaus ansprechenden Magazinen, neben „Mensch“ auch „Bene“ im Bistum Essen und „Jes“ in der Diözese Hildesheim oder etwa der „Advents-Zeit“ in Köln experimentiert die Kirche, ob Verteilzeitungen oder Mitgliedermagazine die richtigen Formate für eine künftige Medienarbeit wären (vgl. HK, Juli 2014, 330). In Hamburg haben evangelische und katholische Kirche mit der Beilage „Himmel und Elbe“ ein Projekt, bei dem die Redakteure des Hamburger Abendblattes auch noch mitzureden haben, was die Qualität steigert. Die Grundfrage ist aber gar nicht die nach dem Format, sondern nach der Stellenbeschreibung.
Die Kirche muss sich wieder trauen, mehr Journalismus zu veranstalten. Sie muss sich wieder trauen, mehr Konflikte in ihren eigenen Medien zuzulassen. Gespräche über innerkirchliche Auseinandersetzungen, aber auch über unterschiedliche Wege zum Glauben – das baut am wirksamsten kommenden Groß-Krisen vor. Dann knallt es auch mal, der Bischof als Herausgeber kann auch mal ein Machtwort sprechen, aber dann bilden die kirchlichen Medien wieder die ganz normale, spannende Realität ab – keine Weichzeichnung. Das ist ehrlicher und eben aufregender – und dann interessiert es die Leute auch wieder, die eigenen und die anderen.
Die Kirche muss der Versuchung der Selbstbeweihräucherung entgehen. Medienmanager Christoph Keese hat beim Jubiläumsfest der kircheneigenen MDG erklärt, die Kirche müsse sich trauen, auch „disruptiv“ zu sein. Bei „katholisch.de“, dem offiziellen Portal der Kirche, gibt es viele Ansätze für Debatte und Binnenpluralität, doch beim jüngsten Relaunch gab es auch gegenteilige Signale. Jetzt dürfen sich alle Bistümer in einem kleinen Fenster mit ihren Tweets dort selbst ausbreiten. Interessanter wird es dadurch nicht.