Heiner Wilmer ist ein Herz-Jesu-Priester, zu dem das Ringen um den Glauben gehört. Der Kampf mit Gott ist Teil der geistlichen Biografie des neuen römischen Generaloberen des Ordens der Dehonianer. „Manchmal kann ich all das, was über Jesus gesagt wird, nicht mehr hören“, formuliert Wilmer. Es bestehe immer die Gefahr, dass Beten floskelhaft werde und man nur „Palaver irgendwohin, in den Himmel, in die Dunkelheit schicke“, so der aus dem Emsland stammende Theologe.
Heiner Wilmer hat 2013 mit seinem Buch „Gott ist nicht nett“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Er erzählt von ausschweifender Jugend, Glaubens- und Selbstzweifeln. Heute ist aus dieser intensiven Suchbewegung eine gefestigte innere Haltung geworden, die Wilmer in seiner neuen Führungstätigkeit prägt. „Gott bleibt sprachlos, solange die Kirche Antworten gibt, auf Fragen, die keiner kennt.“
Wilmer, der als junger Schüler ein Gymnasium der Dehonianer besucht hat, fühlte sich früh vom Charisma dieser Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Brüderschaft angezogen. Trotz Zweifel und Skepsis begann er nach dem Abitur sein Noviziat. Nicht die tiefe spezifische Glaubenserfahrung führte ihn in den Orden, sondern die Herz-Jesu-Spiritualität dieser besonderen geistlichen Gemeinschaft.
Der promovierte Ordensmann, der Theologie, Philosophie, Romanistik und Geschichte studiert hat, beschreibt seine Gottesbeziehung mit den Kategorien einer Liebesbeziehung, die man ebenfalls immer wieder hinterfragen und sich stets neu für den Partner entscheiden muss. Nicht selten fragte er sich: „Lohnt es sich, das ganze Leben nach einem Menschen auszurichten, der vor mehr als 2000 Jahren gelebt hat?“.
Pater Wilmer ist nun der zweite deutsche Herz-Jesu-Priester an der Spitze der Ordensgemeinschaft, die mit 2300 Brüdern und Patres in 42 Ländern aktiv ist. Er will sie in eine Zukunft führen, die sich von Stabilität und alten Gewohnheiten in der religiösen Wirklichkeit verabschieden muss. „Die katholische Kirche hat zum Teil noch nicht gelernt, sich in ihrer Position der Nicht-Zentralität zu verstehen“, so Wilmer. Die Kirche sei nicht mehr führend in der Pluralität der Welt und müsse mit ihrer eigenen Randständigkeit neue Existenzformen finden, beschreibt er seine Aufgabenstellung in seiner neuen Funktion.
Wilmer bezieht sich damit auf den Ordensgründer der Herz-Jesu-Gemeinschaft, Léon Gustav Dehon, schon der habe, so Wilmer, gefordert, „raus aus der Sakristei“ zu gehen und sich den konkreten Nöten der Menschen zuzuwenden.
Die Priestergemeinschaft hat sich die weltweite Mission in Form von Entwicklungshilfe und Bildungsarbeit zur Aufgabe gemacht und wirkt in Europa, aber auch in Ländern wie Kamerun, Kongo, Südafrika und Brasilien. „Die weitere Internationalisierung des Ordens ist unsere Antwort auf globales Auseinanderdriften“, so Wilmer.
Der neue Generalobere Wilmer will das sozial-politische Moment wieder in die Gottesbeziehung und den Glauben holen: „Jesus war auch nicht nur lieb. Er war auch zornig und manchmal anstrengend“. Dies müsse wahrgenommen, verinnerlicht und gelebt werden, damit aus einer engen Verbindung zu Jesus für den gesellschaftlichen Einsatz eine viel stärkere Wucht entstehen könne.
Wilmer, der in der New Yorker Bronx unterrichtet und im kanadischen Toronto Menschen mit Behinderung betreut hat, verbindet seinen Glauben unmittelbar mit einem sozial-politischen Einsatz. Dieser Einsatz muss bei den Menschen in Not beginnen. Sein Ziel für die Kongregation der Dehonianer ist, gegen den Trend des kulturellen und wirtschaftlichen Auseinanderdriftens in einer globalisierten Welt für eine starke Gemeinschaft und die Menschen an den Rändern zu kämpfen. „Ich freue mich jetzt auf Frische und Aufbruch“, so Heiner Wilmer.