Säkularität ist abzulehnen. Wer mit Paukenschlägen wie diesem einen Vortrag beginnt, muss sich seiner Sache schon sehr sicher sein. John Milbank ist weder ein Theologe der leisen Töne, noch an einem lauen Einerseits-Andererseits interessiert. Dabei trägt er seine dezidiert modernekritischen Überlegungen durchaus mit ruhiger Stimme vor und strahlt eine unerschütterliche Gelassenheit aus.
Das ist angesichts des Ansatzes letztlich auch nicht verwunderlich. Wer mit Blick auf die gegenwärtigen philosophischen und theologischen Strömungen dafür plädiert, die christlichen Denker vom ersten bis zum dreizehnten Jahrhundert wieder ins Recht zu setzen, ganz im Sinne mittelalterlicher Denker ontologisch argumentiert und dabei auch philosophisch auf die Sicherheiten der Schöpfungstheologie baut, muss sich auch nicht so schnell von Aporien wie beispielsweise der Theodizeefrage irritieren lassen, die die Menschen der Moderne umtreiben. Der Professor aus Nottingham wird hier zum Robin Hood mittelalterlichen Denkens, das die entrechtete scholastische Theologie verteidigt.
Seit zwei Jahrzehnten bereits ist der britische Theologe Kopf einer lockeren Bewegung namens „Radical Orthodoxy“, die im angelsächsischen Raum einflussreich ist, hierzulande aber weiterhin erst langsam entdeckt wird (vgl. HK, August 2002, 407-411). Ende der Neunzigerjahre hatte Milbank, der zum hochkirchlichen Spektrum der Church of England gehört, anglikanische wie römisch-katholische Theologen versammelt, die durchaus in Anknüpfung an die französische nouvelle théologie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil wieder intensiver aus den Quellen christlicher Theologie bis zum Hochmittelalter schöpfen wollen.
Milbank gibt dabei nicht den Nostalgiker, sondern setzt sich ebenso intensiv mit modernen und postmodernen Denkern auseinander. Bei aller Belesenheit hat man freilich in seinen dichten Texten voller Bezüge auf die geistesgeschichtlichen Etappen doch oft genug den Eindruck, es handele sich um Versatzstücke, die mit Blick auf ihren Entstehungskontext und alternativen Deutungsmöglichkeiten stärker zu würdigen wären.
Und wo Milbank für die Neuentdeckung einer christlich geprägten Kultur plädiert, fühlt man sich ohnehin mehr an die Konzepte des 19. Jahrhunderts erinnert. Interessant – und konsequent – ist in diesem Zusammenhang auch der ausdrücklich ökumenische Ansatz. Er ist freilich besonders für Nicht-Katholiken anstößig, dass Milbank mit Blick auf die Einheit der Christen für eine „Reunion under Rome“ plädiert.
Ganz offenkundig reagiert Milbank mit seinem Denken auf Ansätze liberaler Theologie, die durch ihre Auseinandersetzung mit säkularen Gesellschaften in Westeuropa und Nordamerika in der Gefahr stehen, der Selbstsäkularisierung zu erliegen.
Mit Blick auf andere theologische Ansätze, die die christliche Dogmatik ganz von den biblischen Grundlagen her bestreiten wollen, ist das dezidierte Interesse am Verhältnis von Glaube und Vernunft beziehungsweise Theologie und Philosophie positiv hervorzuheben. Als Problem aber bleibt in diesem Zusammenhang: Wie wollen sich Theologen heute mit einer „trinitarischen Ontologie“ an der Universität ins Gespräch bringen?
Auch hier zeigt sich Milbank selbstbewusst. An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Fribourg ermutigte er Mitte November die dort Promovierenden, sich stärker auf die christlichen Spezifika zu besinnen. Milbank ausdrücklich: Gerade auch im interdisziplinären Gespräch mit anderen Fakultäten und dezidiert nicht-gläubigen Wissenschaftlern sei man mit steilen theologischen Thesen interessanter als mit dem Versuch, an andere Diskurse anzuknüpfen.
Als Frage bleibt da natürlich, inwieweit man als „Hermetiker“ (Milbank über Milbank) nicht genau jene Vorurteile bedient, die sich Vertreter anderer Fächer von der Wissenschaft Theologie machen. Sie führen zu genau jenen Vorstellungen eines kohärenten, aus der Zeit gefallenen Weltbilds, dessen man sich dann um so leichter meint entledigen zu können.