Die Kirchen sind zu groß geworden. Denn die Gemeinden, die sie nutzen, schrumpfen. Wo vor Jahrzehnten jeden Sonntag Hunderte von Katholiken den Gottesdienst besuchten, sind es heute oft nur noch einige Dutzend. Was aber tun mit den nunmehr überdimensionierten Kirchenräumen? Im Bistum Osnabrück geht man den Weg, neue Funktionen unter dem Dach der Kirche unterzubringen. Der Abriss eines Kirchengebäudes gilt dort als ultima ratio. Denn die emotionale Bindung der verbliebenen Katholiken an „ihre“ Kirche ist eng.
Ein Bildband, herausgegeben vom Osnabrücker Diözesanbaumeister Ralf Schlüter und dem Liturgiereferenten des Bistums, Stephan Winter, dokumentiert einige der bislang umgesetzten Projekte. Das Osnabrücker Rezept lautet: Die Pfarrei verkauft beispielsweise ihr Gemeindehaus oder eine andere Immobilie und integriert die Gemeinderäume in das bestehende Kirchengebäude – so etwa in der Meppener Gemeinde St. Paulus, die als „Pilotprojekt“ für die das Prinzip der Mehrfachnutzung gilt. Der Gottesdienstraum verkleinert sich, doch das Gebäude als Ganzes kann erhalten werden. Andernorts fand ein Kindergarten, ein Altenzentrum oder das Magazin des Diözesanarchivs Platz in einer Kirche. Und in der Osnabrücker Kirche „Heilige Familie“ wurde ein Kolumbarium zur Urnenbestattung in den Raum integriert. Die Texte der Journalistin Susanne Haverkamp erzählen von der Entscheidungsfindung und Umsetzung in den Gemeinden, berichten aber auch und über Skepsis und Widerstände der Gläubigen. Denn bei allem Bemühen um Partizipation scheint die Initiative für die Neugestaltungen meist „von oben“ auszugehen. In seinem Vorwort ist Bischof Franz-Josef Bode bemüht, keine Abbruchstimmung aufkommen zu lassen und beschwört stattdessen den Aufbruch: „Krise kann hier tatsächlich Chance bedeuten. Wir sollten in diesen Dingen sehr erfinderisch sein.“
Der Band betrachtet die Kirchengebäude vor allem unter dem Aspekt seiner Nutzung. Das ist sicher vernünftig. Doch auch so manche gotische Kathedrale war, gemessen an der Einwohnerzahl einer mittelalterlichen Stadt, viel zu groß. Denn frühere Generationen haben Kirchen nicht nur zur Nutzung durch eine Gemeinde errichtet, sondern auch zur größeren Ehre Gottes.