Provokant und gut informiert, populär, aber mit Expertise problematisiert die Autorin Eva Müller in ihrem Buch „Richter Gottes“ die kirchenrechtlichen Prozesse der katholischen Kirche. Die Journalistin, die mit ihrer ARD/WDR-Dokumentation „die story“ über genau diese Prozesse für öffentliche Diskussion gesorgt hat, liefert nun das Buch zur Dokumentation.
In „Richter Gottes“ gibt sie detaillierten Einblick in den Alltag der 22 Kirchengerichte Deutschlands, die die kirchenrechtlichen Belange der Katholiken verhandeln und damit nicht selten in Konflikt mit persönlichen Schicksalen oder auch staatlichem Arbeitsrecht geraten. Anhand zweier Exempel stellt die Autorin dar, was es für kirchenrechtliche Besonderheiten in Deutschland gibt und greift dabei nicht ganz zufällig die beiden populärsten Debatten der Gegenwart auf: den Streit um wiederverheiratete Geschiedene und den Missbrauchsskandal. Über persönliche Gespräche mit Betroffenen, Expertenmeinungen von Theologen und Kirchenrechtlern und über eigene Recherchen kann Müller ein umfangreiches Bild kirchenrechtlicher Vorgänge darstellen. Die Auswahl der persönlichen Fälle lässt jedoch wenig Platz für eine positive Würdigung der kirchenrechtlichen Besonderheiten in Deutschland. Das katholische Sakrament der Ehe wird anhand der Schwierigkeiten im Falle einer Trennung durchgesprochen. Zwar bekommt der Leser dadurch einen guten Einblick in Ehenichtigkeitsgründe und -verfahren, doch überwiegt hier der Fokus auf den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht und die damit zusammenhängenden Probleme für betroffene wiederverheiratete Geschiedene.
Auch die Strafprozesse in der katholischen Kirche werden allein über den Aspekt des Missbrauchsskandals besprochen. Letztlich entsteht durch diese Darstellung ein problematischer Eindruck vom Kirchenrecht in einer modernen Gesellschaft. Vielleicht muss sich aber eine katholische Kirche, die zu lange zu genau diesen Themen geschwiegen hat, die Außenwahrnehmung, „Richter Gottes“ zu sein, gefallen lassen, um sich selbst zu reformieren.