Deutschland ist das einzige größere Land in Europa, in dem das Christentum vor allem durch zwei etwa gleich starke Institutionen repräsentiert wird, durch die EKD mit ihren Gliedkirchen und die katholische Kirche. Diese besondere Konstellation macht sich auch in ökumenischer Hinsicht bemerkbar: Im Vordergrund stehen die Beziehungen zwischen Katholiken und landeskirchlichen Protestanten. Auf diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass Karl Heinz Voigt (selber Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche) in seinem umfangreichen Band die deutsche Ökumene in ihrer ganzen konfessionellen Bandbreite in den Blick nimmt und dabei die Aufmerksamkeit vor allem auch auf die sogenannten „Freikirchen“ richtet, die traditionsgemäß im Schatten des Mehrheitsprotestantismus in Deutschland standen und von ihm teilweise nicht gerade pfleglich behandelt wurden.
Dass es in Deutschland bald nach dem Zweiten
Weltkrieg zur Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft
christlicher Kirchen“ (ACK) kam, hing
maßgeblich mit den Anstößen aus der internationalen
Ökumene zusammen. Voigt verfolgt en
détail die Entwicklung der ACK beziehungsweise
der zwischenkirchlichen Beziehungen mit ihren
Irrungen und Wirrungen, wobei sowohl die Bundesrepublik
als auch die DDR mit ihren Spezifika
Berücksichtigung finden. Einen wichtigen Einschnitt
für die Ökumene in Deutschland bildete
das Jahr 1974, als die orthodoxen Kirchen und vor
allem die katholische Kirche im Zuge ihrer ökumenischen
Öffnung durch das Zweite Vatikanische
Konzil der ACK beitraten. Der abschließende Teil
des Buchs ist dann so etwas wie ein Kompendium
der diversen Gespräche und Vereinbarungen zwischen
den Kirchen in den letzten Jahrzehnten: Die
Zahl der zwischenkirchlichen Vereinbarungen sei
Ausdruck für die Bereitschaft , „die interkonfessionellen
Gespräche mit dem konkreten Ziel anschließender
Rezeptionen zu führen“ (653).
Die katholische Kirche war bekanntlich ein
„Nachzügler“ in der weltweiten ökumenischen
Bewegung, wobei gerade auch in Deutschland
viel Vorarbeit für den offiziellen katholischen
Ökumenismus seit dem Konzil geleistet wurde.
Beide großen Kirchen in Deutschland sind heute
herausgefordert, ihre ökumenische Verantwortung
in einem veränderten religiösen und
gesellschaft lichen Kontext wahrzunehmen. Das
geht nicht ohne die Auseinandersetzung mit
der Geschichte der Ökumene, zu der das Buch
von Karl Heinz Voigt einen wertvollen Beitrag
leistet.