Über Religion wird in der Gegenwart viel nachgedacht. Das war nicht immer so. Als „normal“ schien lange Zeit nicht bloß für Religionskritiker zu gelten: Je moderner eine Gesellschaft, desto säkularer und weniger religiös ihre Beschaffenheit. Max Weber prognostiziert, dass umfassende Modernisierungsprozesse zu einer fortschreitenden Rationalisierung und Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche führten. Tatsächlich hat die Säkularisierungsthese à la Weber in den letzten Jahrzehnten enorm an Überzeugungskraft eingebüßt: Die privatisierte, fast unsichtbar gewordene Religion ist vielmehr erneut zur öffentlichen Angelegenheit geworden.
Der von dem Frankfurter Religionsphilosophen Matthias Lutz-Bachmann herausgegebene Band versucht, bahnbrechende Entwicklungen im Spannungsfeld von Religion und Gesellschaft auf innovative Weise zu rekonstruieren. Ausgangspunkt ist dabei der von Jürgen Habermas in die Diskussion eingeführte Begriff „Postsäkularismus“. Zentrale Fragen lauten: Erleben wir mittlerweile die Entstehung einer „postsäkularen Weltgesellschaft“ (José Casanova)? Inwiefern erlaubt das Konzept der „multiplen Moderne“ eine neuartige Verhältnisbestimmung von Religion und Modernität (Karl Gabriel)? Und auf welche Weise stellt die Beschäftigung mit „Postsäkularismus“ gerade für außer-westliche Gesellschaften, beispielsweise im südlichen Afrika, einen Erkenntnisgewinn dar (Uchenna Okeja)? „Es liegt an uns“, erklärt Lutz-Bachmann, „die postsäkulare Konstellation auch als eine Forderung angesichts der globalen Weltgesellschaft zu begreifen (...) und dafür zu sorgen, dass nicht nur ein ‚Clash of Civilizations‘, sondern auch und vor allem ein ‚Clash of Religions‘ vermieden wird“.
Der vorliegende Band ist ein zentraler Beitrag, Möglichkeiten und Bedingungen des Glaubens in globaler Perspektive nochmals neu und interdisziplinär zu durchdringen.