Wenn das Neue Testament von der Begegnung mit Engeln berichtet, so versichern diese zu Beginn: „Fürchtet Euch nicht!“ Es ist dies eine wichtige Erinnerung daran, dass die Menschheit seit Jahrzehntausenden zunächst einmal Angst vor der Begegnung mit höheren Wesen hatte und dass die aufgeklärt-bürgerliche Rede von einem „guten Engel“ oder gar „lieben Gott“ keineswegs selbstverständlich war und ist.
Entsprechend wies auch schon der studierte Theologe und Urheber der Evolutionstheorie, Charles Darwin, darauf hin, dass er auf seiner Weltreise unter Wildbeutern keineswegs auf einen freundlichen Urmonotheismus gestoßen war, sondern auf die Angst vor durchweg bedrohlichen und magischen Mächten. Seine aus heutiger Sicht berechtigte Schlussfolgerung: Der Glauben an eine einzige, gute Gottheit als „höchster Form der Religion“ setze bereits eine lange, kulturelle Entwicklung voraus.
Ebenso brauchte es Jahrtausende, bevor Vampire wie in „Twilight“ (2005) vegetarisch, monogam und geschlechtersensibel geschildert wurden. Und auch vermeintliche Hexen waren – und sind – für die meisten Menschen keine lustig-frechen Freundinnen à la „Bibi Blocksberg“. Bis heute werden stattdessen vor allem in Afrika und Indonesien noch immer Abertausende Menschen, vor allem Frauen und Kinder, unter dem Vorwurf der Hexerei verfolgt, vertrieben oder auch ermordet.
Religionsgeschichtlich gesehen ist der Glaube an die Beherrschung der Welt durch übelwollende Verschwörer viel älter und urtümlicher als der mühsam errungene Glaube daran, dass die Welt ein guter, versteh- und beherrschbarer, trotz aller Prüfungen letztlich vertrauenswürdiger Ort sei.
Klassischer Verschwörungsglauben: Die Gnosis
Mehr noch: Auch die Entwicklung der monotheistischen Weltreligionen war, soweit wir zurückschauen können, von immer wieder populären Gegenentwürfen der Gnosis begleitet: Deren Anhänger gingen dabei in oft überkomplexen Mythologien davon aus, dass die materielle Welt von bösen Mächten (Demiurgen) beherrscht oder gar geschaffen, wohingegen die gute Gottheit abgedrängt worden sei. Nur die kleine und stets von Verfolgung bedrohte Gemeinschaft der wahrhaft Wissenden (Gnostiker) vermochte die weltumspannende – selbstverständlich auch Religionen und Kirchen umfassende – Verschwörung zu durchdringen.
Und wenn auch einzelne Frauen in gnostischen Bewegungen durchaus höchste Ämter erklimmen konnten, so wurde doch stets auch ein tiefes Misstrauen gegen weibliche Sexualität gelehrt; liefen doch Frauen stets Gefahr, sich durch Verbindungen mit „falschen“ Männern an die materielle Welt zu binden, durch entsprechende Nachkommen das Heer der Unwissenden zu vergrößern und sich letztlich zu Dienerinnen der Demiurgen zu machen. Gnostiker aller Zeiten verbindet die Angst vor freien Frauen und der Geburt vermeintlich „falscher“, das Böse befördernder Kinder.
Säkularisierung und Aufklärung haben gnostische Traditionen dabei keinesfalls überwunden, sondern nur umgeformt: Ab dem 19. Jahrhundert breiteten sich esoterische „Geheimwissenschaften“ aus und an die Stelle von Engeln und Dämonen traten zunehmend Geheimbünde und Außerirdische als vermeintlich weltbestimmende Mächte. In heute populären Serien, Filmen und Büchern wie „Akte X“ (1993-2002), „Matrix“ (1999) und „Da Vinci Code – Sakrileg“ (2003) glauben nur noch naive oder böse Charaktere an das Glück in der Welt; die eigentlichen Helden erkennen durch das Entziffern von Hinweisen die vorgegebene Realität als verschwörerische Lüge.
Zeitgenössische Verschwörungsängste
Auch religiös-fundamentalistische Bewegungen wie der Salafismus verwenden in ihren digitalen Anwerbestücken daher gezielt entsprechende Versatzstücke wie die Wahl zwischen der roten und blauen Pille („Matrix“), um Neugierige für den Einstieg in ihre Gnosis zu gewinnen. Denn ob links, rechts oder religiös: Ausnahmslos alle extremistischen Bewegungen verstehen sich heute als Opfer globaler Verschwörungen und rechtfertigen „Widerstand“ bis hin zur menschenverachtenden Gewalt stets als entsprechende „Notwehr“.
Wir haben es also keineswegs mit einer neuartigen, völlig unverständlichen Anomalie zu tun, wenn sich auch sensible und gebildete Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts durch unterschiedlich nachvollziehbare Verschwörungserzählungen bedroht wähnen – etwa durch Bilderberger, Bahnhofsumbauten oder Bildungspläne, durch Geldentwertung, Geheimdienste oder Geburtendschihad, durch Impfärzte, Immigranten oder Illuminaten, durch Kirchenreformer, Klimaforscher oder Konzerne, durch Lobbygruppen, Lauschangriffe und Lügenpresse.
Tatsächlich hatte der bedeutende Wissenschaftsphilosoph Karl Popper bereits in einem Vortrag von 1948 auch seine Kollegen und Kolleginnen der Sozialwissenschaften davor gewarnt, „Überbleibsel eines altertümlichen Aberglaubens“ zu reproduzieren, indem sie statt den „Göttern Homers“ und den „Weisen von Zion“ nun ihrerseits pauschalisierte und unüberprüfbare Verschwörungserzählungen etwa zu „Kapitalisten“ und „Imperialisten“ verkündeten. Wenn vor Beginn einer wissenschaftlichen Analyse die Schuldigen schon feststünden, so habe dies nichts mehr mit empirischer Wissenschaft zu tun.
Gleichwohl mochte auch Popper schon damals „nicht die Behauptung ins Feld führen, dass Verschwörungen niemals vorkommen.“ Dies darf nach den Enthüllungen der letzten Jahrzehnte – etwa zu Watergate, den illegalen Abhöraktionen von Geheimdiensten oder den finanzstarken Einflussnahmen von Konzernen auf Wissenschaften – als Untertreibung gelten. Wie lassen sich also berechtigte und unberechtigte Verschwörungsvorwürfe voneinander unterscheiden?
Begriffsklärung: Verschwörungstheorien und -mythen
Theorien bieten eine überprüfbare Erklärung von Phänomen an und sind dabei falsifizierbar (widerlegbar) zu halten: Wer beispielsweise „den Migranten“ die Schuld am Erstarken nationalistischer Bewegungen zuschreiben will, hat sich auch mit Gegenbeispielen – wie dem starken Nationalismus in Gesellschaften fast ohne Zuwanderung, etwa in Japan oder Polen – zu befassen. Erhebt ein Staatsanwalt die Anklage wegen einer mutmaßlichen Verschwörung (etwa wegen der Beteiligung an einem Betrug oder der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung), so steht den Angeklagten das Recht auf ein faires Verfahren samt ordentlicher Verteidigung und der Möglichkeit des Freispruchs zu. Ebenso haben Journalisten und Untersuchungsausschüsse Beschuldigten mindestens die Chance auf Stellungnahme und also die Darstellung ihrer eigenen Version einzuräumen.
Kurz: An einer Verschwörungstheorie ist so lange nichts auszusetzen, so lange sie als solche gekennzeichnet und der Überprüfung und möglichen Widerlegung zugänglich gemacht wird.
Problematisch wird die Sache jedoch, wenn die Verschwörungserzählungen nicht mehr durch Theorien, sondern durch Mythen bestimmt werden. Mythen dienen eben nicht der empirisch überprüfbaren Erklärung von Phänomenen, sondern der für Menschen unverzichtbaren Stiftung von Sinn und Gemeinschaft. Lebensbejahende Mythen verkünden etwa: „Jeder Mensch hat Menschenrechte“, „Liebe ist wertvoller als Hass“ oder „Gott liebt Dich“ – was sich jeweils nicht wissenschaftlich überprüfen, aber doch mit guten Gründen glauben lässt.
Aus Verschwörungsmythen gehen jedoch Ängste und Hass gegen andere Menschen hervor. „Eine Hexe hat das Getreide vernichtet!“, „Die Juden sind unser Unglück!“ oder „Die gesamte Politik wird durch die Illuminaten gesteuert!“ bieten nicht mehr widerlegbare Schein-Erklärungen für Widerfahrnisse an. Der britische Oberrabbiner Jonathan Sacks bezeichnete in seinem Buch „Not in God’s Name“ (2015) zu den Gefahren des religiös begründeten Extremismus den entsprechend entstehenden Verschwörungsglauben als „pathologischen Dualismus“: Dem scheinbar schwachen Guten werde ein scheinbar starkes Böse gegenübergestellt – und dieses auf konkrete, schließlich zu bekämpfende Menschengruppen bezogen. Dieser „falsche Glaube“ sei religiös uralt und könne auch monotheistische Religionen wie Judentum, Christentum und Islam befallen und radikalisieren.
Dazu passt auch die Aussage von Nils D., eines wegen Mitgliedschaft im selbsternannten „Islamischen Staat“ (IS) Angeklagten vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht im Januar 2016. Seinen muslimischen Freunden sei es zunächst nicht gelungen, ihn von der Existenz Gottes zu überzeugen, erklärte der junge Deutsche. Doch eine mehrteilige Videoserie über die weltweite Macht der Illuminaten habe ihn von der Existenz und Macht des Teufels überzeugt. „Und daraus habe ich dann geschlussfolgert, dass es auch einen Gott geben muss.“ Der Böse ist hier zum primären Glaubensbezug geworden.
Auf diese Spur stieß schließlich auch der US-Psychologe Rob Brotherton (Suspicious Minds, 2015), der seine Forschungen eigentlich zu primär säkularen Verschwörungsmythen – etwa zur Ermordung von John F. Kennedy oder der vermeintlich gefälschten Apollo-Mondlandung – betrieb. Doch im Laufe der Interviews und Textauswertungen fiel ihm zunehmend auf, dass Verschwörungsglaubende fast nie davon ausgingen, dass eben verschiedene, miteinander auch konkurrierende Verschwörerkreise um die Weltherrschaft rangen. Stattdessen glaubten sie regelmäßig an eine pyramidenförmige „Superverschwörung“, die auch alle anderen, scheinbar widerstreitenden Kreise indirekt kontrolliere. An der Spitze dieser Superverschwörung glaubten sie dabei ausnahmslos finstere, personale Mächte mit übermenschlichen Fähigkeiten – Teufel (religiös) oder Außerirdische beziehungsweise künstliche Intelligenzen (säkular).
Damit wird auch interdisziplinär verständlich, dass Verschwörungsmythen innerhalb der Pyramide fast mühelos rekombiniert werden können. So konnte beispielsweise der türkische Fundamentalist Harun Yahya mit wenig Aufwand die anti-wissenschaftlichen Verschwörungsmythen US-amerikanischer Kreationisten islamisch recyceln. Ebenso konnten europäische Rechtsextreme alte, antisemitische Verschwörungsmythen (orientalischer Gegengott, Anstreben der Weltherrschaft, Gewaltbereitschaft, übergriffige Sexualität) zügig auf Muslime übertragen. Auch die politischen Verschwörungsvorwürfe je gegen „Washington“, „Brüssel“, „Berlin“ oder „New York“ (UNO, Wall Street) sind zu einem festen und nahezu austauschbaren Bestandteil sowohl links- wie rechtspopulistischer Rhetorik geworden.
Entsprechend ist nicht davon auszugehen, dass es die Demokratien und die weltweit unter Druck stehenden Ideen des Liberalismus nur mit vorübergehenden Proteststimmungen zu tun haben, die mit etwas mehr sozialpolitischen Anstrengungen leicht überwunden werden könnten. Vielmehr äußert sich im Verschwörungsglauben der mythologisch unterfütterte Zweifel daran, ob faire und rechtsstaatliche Regeln in dieser Welt überhaupt funktionieren könnten. Stattdessen müssten kompromisslose Führer an der Spitze ergebener Parteien die Verschwörer stellen und unschädlich machen; eine dualistische Heilshoffnung, der demokratische Politiker und verantwortungsvolle Geistliche nicht entsprechen können. Und während demokratische Regierungen Oppositionsbewegungen dulden, ja sogar achten müssen, erlauben sich autoritäre Regime, beispielsweise in Russland und der Türkei, Oppositionelle grundsätzlich als verschwörerische, feindliche Agenten und Terroristen zu denunzieren und zu verfolgen. Der weltweite Aufstieg von Verschwörungsmythen und entsprechend autoritärer Populisten fällt dabei nicht zufällig mit der rapiden Ausbreitung neuer, digitaler Medien zusammen.
Wenn wir Europäer an die letzte, große Medienrevolution – die Entdeckung des Buchdrucks – zurückdenken, so noch immer gerne im Sinne einer linearen Fortschrittsgeschichte: Mehr und günstigere Bücher, mehr Bildung, mehr Vielfalt, schließlich Aufklärung, Wissenschaft und Menschenrechte.
Doch bei näherem Hinsehen differenziert sich das Bild. So ratterten die Druckerpressen von Anfang an gerade nicht nur für Gebildetes und Erbauliches, sondern davor und daneben für Spektakuläres, Gewalt- und Verschwörungshaltiges. Jahrzehnte vor den 95 Thesen und der Lutherbibel ging beispielsweise um 1486 der mit einem gefälschten Gutachten versehene „Hexenhammer“ in Druck – und trug mit schließlich 29 Auflagen bis ins 17. Jahrhundert zum Wiederaufflammen des Verschwörungsglaubens an Hexerei und zu Folter und Tod Zehntausender bei.
Und auch unter den Schriften von Martin Luther finden sich nicht nur gelehrte Übersetzungen, Traktate und Aufrufe zur Gründung von Bildungsstätten, sondern üble Verschwörungsmythen gegen das Papstamt („gestiftet vom Teufel“, gegen Juden („und ihre Lügen“), gegen globalen Handel, Hexen und aufbegehrende Bauern.
Ebenso wurde auch das Aufkommen der Naturwissenschaften und zunehmend günstiger Bücher ab dem 19. Jahrhundert vom Erfolg rassistischer, nationalistischer und verschwörungsmythologischer Schriften begleitet. So gehören die antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“ (1903) zu den bis heute verhängnisvollsten Druckwerken der Menschheitsgeschichte. Weniger bekannt, aber populärkulturell bis heute wirksam sind auch die gegen die Freimaurer gerichteten Enthüllungs- und Verschwörungsschriften des Schwindlers Leo Taxil, der damit die katholische Kirche und das Freimaurertum gleichermaßen vorführte. Obwohl Taxil 1897 seinen auch finanziell einträglichen Betrug öffentlich einräumte (und einen Tumult im Vortragssaal samt Polizeieinsatz auslöst) gehören die von ihm bearbeiteten Mythen und Symbole etwa um einen teuflisch-gehörnten „Baphomet“ an der Pyramidenspitze von Geheimbünden, um sexualmagische Satanstöchter und eine systematisch getäuschte Öffentlichkeit heute zum populärkulturellen Standard in Büchern, Filmen und Computerspielen.
Entsprechend ist es kein Wunder, dass die neue Angebotsfülle und Interaktivität der digitalen Medien wiederum einen Schub nicht nur an Informations- und Dialogangeboten hervorbringen, sondern ebenso eine Flut an gewalthaltigen und verschwörungsmythologischen Inhalten sowie eine Erschütterung der etablierten Institutionen. So steht schon im bereits erwähnten „Matrix“-Kinofilm der Held und Messias „Neo“ in der Gestalt eines kleinbürgerlichen Hacker-Ermittlers im Mittelpunkt, der durch Online-Kommunikation und „eigenständiges Denken“ die Lügen des demiurgischen Systems erkennt und zerschmettert, dabei auch Macht, Liebe und Anerkennung findet. Damit steht Neo geradezu idealtypisch für den zunehmend kulturprägenden Digital Native, der als wahrheits- und sinnsuchender „Prosument“ Online-Inhalte zugleich aufnimmt wie auch bearbeitet und anderen zur Verfügung stellt. Unzählige betätigen sich dabei eben nicht nur konstruktiv etwa bei der Programmierung von Open-Source-Software und bei Wikipedia, sondern auch bei der emotionalen Filterung, Erfindung und Verbreitung von Verschwörungsmythen und entsprechenden Nachrichten. So entstehen insbesondere über die sozialen Medien gnostische Mikroöffentlichkeiten aller Art neben und zunehmend auch gegen „die Mainstream-Medien“, die zugleich digital ausgeschlachtet und als verlängerter Arm der geglaubten Superverschwörungen beschuldigt werden.
Die Zukunft zwischen Religionen und Verschwörungsangst
Kurz: Es ist auch im Hinblick auf die derzeitigen Medienrevolutionen eigentlich nicht verwunderlich, dass sich vielfältige Neukombinationen des uralten Verschwörungsglaubens derzeit massiv, global und teilweise verhängnisvoll ausbreiten. Verbote alleine vermögen den Prozess dabei nicht aufzuhalten: Die Untersagung des Buchdrucks im Osmanischen Reich ab 1485 hielt die Privilegien der Schriftkundigen und die Struktur des Reiches zwar noch für weitere Jahrhunderte stabil – in denen sich Europa zerspaltete, beraubte die islamische Welt jedoch ihrer Dynamik und führte schließlich in die bis heute andauernde Schwäche und Krise.
Aus der Sicht von Monotheisten und auch Humanisten lassen sich Verschwörungsmythen als unüberprüfbar und auch „falsch“ verwerfen: Weil sie Unrecht und Leid über die der Verschwörung Beschuldigten gebracht haben und weiter bringen, aber auch, weil sie die Möglichkeiten und Potenziale der Verschwörungsglaubenden selbst untergraben. Der gnostische Mythos, Teil einer kleinen, vermeintlich erkennenden Elite zu sein, die sich über den naiven Mainstream hinaus gegen die Superverschwörer erhebt, vermag kurze Zeiten der Spannung und Gemeinschaft unter Gleichgesinnten zu stiften, jedoch kaum dauerhaft gelingendes und glückliches Leben. Auch autoritäre Regime, die auf Rückschläge und Fehler statt mit Selbstkritik und Reformen stets mit neuen Verschwörungsvorwürfen antworten, mögen damit ihre Macht zwar zeitweise festigen, richten ihre Gesellschaften jedoch auf Dauer zugrunde.
Eine demokratisch-kluge, das heißt vor allem Exzesse dämpfende und Freiheiten bewahrende Politik, die Transparenz, Dialog und Bürgerbeteiligung fördert, vermag zwar die Zahl der Menschen zu beschränken, die für den Sog von Verschwörungsmythen und die damit verbundenen Radikalisierungen anfällig werden. Doch letztlich handelt es sich bei der eskalierenden Angst vor der vermeintlich weltbestimmenden Macht übermenschlicher Superverschwörer um nicht weniger als einen fehlgehenden religiösen Glauben im klassisch-gnostischen oder pseudo-säkularisierten Gewand.
Ob und wie freiheitliche Gesellschaften diesen erneuten Ansturm überstehen, wird vor allem von ihrer Bildungsarbeit und der Bereitschaft kirchlicher und religiöser Akteure abhängen, einerseits den Dialog mit Verschwörungsglaubenden (auch innerhalb der eigenen Gemeinden!) zu suchen und dabei andererseits die Geister klar zu scheiden.