PorträtFrank-Walter Steinmeier: Der Reformierte

Der designierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Deutschlands bekanntester Calvinist.

Frank-Walter Steinmeier
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Auf den Lutheraner folgt der Reformierte. Wenn am 12. Februar die 16. Bundesversammlung zusammenkommt, wird mit dem heutigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ein bekennender Calvinist das höchste Amt im Staat einnehmen. Ein Politiker, der eigentlich für ein ganz anderes Präsidentenamt vorgesehen war: 2019 hätte er an der Spitze des in Dortmund stattfindenden Deutschen Evangelischen Kirchentags stehen sollen.

Denn so wie Joachim Gauck, der in der DDR Kirchentage organisierte, so wie Johannes Rau, Richard von Weizsäcker oder Gustav Heinemann ist auch Steinmeier in der Kirchentagsbewegung engagiert. So wie seine Vorgänger im Amt steht auch Steinmeier für eine Politik aus christlicher Verantwortung. „Mein Glaube gibt mir Zuversicht für mein Handeln", schrieb der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende 2013 im Jahrbuch der niedersächsischen Hanns-Lilje-Stiftung. „Durch ihn weiß ich, dass ich nicht die ganze Welt retten muss und doch die nötigen Schritte wagen kann, um meine Ideen zu verwirklichen." Eine Linie, der der Politiker treu blieb, auch als er ein Jahr später zum Bundesaußenminister gewählt wurde.

„Da kann man nichts machen, ist ein gottloser Satz", zitierte Steinmeier die protestantische Theologin Dorothee Sölle 2015 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Ein Jahr, das für den Außenminister vor allem unter dem Eindruck der Syrienkrise und den Waffenstillstandsverhandlungen in der Ukraine stand.

Doch in der vollbesetzten Hanns-Martin-Schleyer-Halle sagte Steinmeier: „Solange wir nicht aufgeben, behält die Hoffnung ihren Platz." Das gehört auf einem Kirchentag freilich noch zu den erwartbaren Aussagen eines Spitzenpolitikers gehört, sorgt anderswo in dieser Welt aber durchaus für Aufsehen. Etwa, als Steinmeier im Januar 2015 vor Studenten einer tunesischen Universität erklärte, er wolle nun den Hut des Bundesaußenministers einmal zur Seite legen. „Auch ich selbst lebe meinen Glauben: Ich bin Christ", sagte Steinmeier in einem Land, dessen Verfassung den Islam als Staatsreligion festlegt. Er gebe seine Religion nicht an der Garderobe ab, wenn er sein Ministerbüro betrete. „Mein Glaube inspiriert zwar mein Handeln, im privaten wie im öffentlichen Raum, aber mein Glaube darf nicht selbst zum Gegenstand der Politik werden – und schon gar nicht zum Instrument gegen Andersgläubige."

Seinen Glauben lebt Steinmeier vor allem in einer evangelisch-reformierten Kirchengemeinde in Berlin. Was für sich genommen schon ein Bekenntnis ist: Denn die Berlin-Brandenburgische Landeskirche ist uniert, die reformierten Gemeinden sind samt und sonders Personalgemeinden ohne feste Parochie. Dorthin fährt nur, wer bewusst die spezifisch reformierte Form des Gottesdienstes, die gesungenen Psalmen und die Konzentration auf das gesprochene Wort, mitfeiern will. „Menschen wie ich haben eine gewisse Nüchternheit in ihrer Haltung, reden etwas häufiger als andere von Vernunft und Verantwortung", charakterisierte Steinmeier den reformierten Glauben 2010 in einem Interview.

Das ist das krasse Gegenstück zur Kirche von Steinmeiers Gattin, der Richterin Elke Büdenbender, die katholisch ist. Die Juristin, der Steinmeier 2010 eine Niere spendete, und er leben das klassische Beispiel einer konfessionsverschiedenen Ehe: Zusammen zur Eucharistie oder zum Abendmahl können sie selbst nach der Organspende nicht gehen – und als die Taufe der Tochter anstand, gab es einen „ernsthaften Entscheidungsprozess", wie Büdenbender 2010 in einem gemeinsamen Interview mit ihrem Gatten verriet. Und Steinmeier ergänzte, dass eine schnelle Entscheidung nicht möglich gewesen wäre, weil er „praktizierender Protestant" sei. „Mir war nicht gleichgültig, wie unsere Tochter getauft wird", sagte Steinmeier damals. „Und meiner Frau fiel es auch nicht einfach, zu akzeptieren, dass das Kind nicht katholisch getauft wird - was ich verstanden habe." In dem zitierten Interview aus Anlass des Ökumenischen Kirchentags in München spricht Steinmeier von einer „konfessionsverbindenden Ehe", in der man freilich immer noch die konfessionellen Unterschiede spüre.

Und auch wenn der lutherische Bundespräsident Joachim Gauck nun vom reformierten Frank-Walter Steinmeier abgelöst wird: Die Hoffnung auf weitere Fortschritte in der Ökumene zwischen den Kirchen vereint am Ende Vorgänger und Nachfolger.

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