Die katholische Kirche ist eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland. Dies wird mit einem vergleichenden Blick auf die größten Unternehmen deutlich. Nach dem Statistik-Portal „Statista" beschäftigen Edeka etwa 300 000, Volkswagen etwa 225 000 und Rewe etwa 222 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland. Allein die Caritas hat laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz insgesamt etwa 670 000 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darüber hinaus leisten etwa 14 000 Priester, etwa 1200 hauptberufliche Diakone, etwa 4500 Gemeinde- und etwa 3200 Pastoralrefenten und -referentinnen in den pastoralen Aufgabenfeldern ihren Dienst. Die katholischen Krankenhäuser beschäftigen etwa 165 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kommen katholische Schulen mit etwa 33 000 Lehrerinnen und Lehrern und katholische Kindergärten mit etwa 80 000 Erzieherinnen und Erziehern.
Allein von ihrer Größe können die katholischen Arbeitgeber jedoch immer weniger profitieren. Ihre Schwierigkeiten, frei werdende Stellen zu besetzen, nehmen zu. Liegt es an den besonderen Herausforderungen an eine Tätigkeit für die Kirche? Bei allen kirchlichen Berufen sind die Loyalitätsobliegenheiten ein Thema, bei den Priestern kommt der Zölibat noch hinzu. Oder liegt es daran, dass die Kirche einerseits zwar immer noch als ehrwürdige und respektable Institution gilt und zum Teil auch vom „Exotikfaktor" profitieren kann, aber andererseits eben doch auch als „altmodisch", „verstaubt", „harmlos" und eher „langweilig" wahrgenommen wird? Sind andere Arbeitgeber zeitgemäßer und attraktiver? Was ist zu tun, damit die kirchlichen Arbeitgeber weiterhin mit kompetentem und motiviertem Personal arbeiten können? Könnte die Kirche von den Erfahrungen säkularer Arbeitgeber profitieren und von ihnen lernen, wie man sich erfolgreich auf dem Bewerbermarkt positioniert und geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnt?
Innerkirchliche und gesellschaftliche Pluralisierung
Diesen Fragen ging eine Studienkonferenz zum Thema „Kirche – eine attraktive Arbeitgeberin? Mitarbeitergewinnung durch Employer Branding" nach, die im Mai 2016 an der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg in Kooperation mit dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) und dem Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) der Ruhr-Universität Bochum stattfand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – Personalverantwortliche und Kommunikationsexperten kirchlicher Arbeitgeber – lernten kennen, was unter „Employer Branding" zu verstehen ist und wie säkulare Organisationen wie die Bundeswehr, die Deutsche Bahn, die Rheinbahn und Evonik, aber auch eine kirchliche Institution wie das Bistum Essen Arbeitgebermarken entwickeln. Auch wenn diese Organisationen faszinierende Personalmarketing-Kampagnen vorstellen konnten, wurde deutlich, dass die bunten Bilder und flotten Sprüche auf den Karriereseiten und Stellenanzeigen erst am Ende eines anspruchsvollen Weges stehen. Authentizität und Überzeugungskraft gewinnen Arbeitgeber vor allem dadurch, dass sie wissen, wer sie sind und wofür sie stehen. Das gilt für säkulare Arbeitgeber und kirchliche Arbeitgeber gleichermaßen (vgl. Lebendige Seelsorge, Nr. 5/2016, 355-360).
Dass dabei für die Kirche und ihre Arbeitgeber besondere Rahmenbedingungen und Voraussetzungen gelten, wurde insbesondere durch den einführenden Vortrag von Thomas Großbölting von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster deutlich. Der Historiker ordnete das Problem in den umfassenden gesellschaftlichen und kirchlich-religiösen Wandel seit der Nachkriegszeit ein. Für die Positionierung der Kirche als Arbeitgeber sind dabei zwei Faktoren besonders bedeutsam: die innerkirchliche und gesellschaftliche Pluralisierung sowie der Wandel der kirchlichen Rollen.
Innerkirchlich ist der Wandel dadurch gekennzeichnet, dass die Homogenität des kirchlichen Milieus verloren ging und der Pluralismus im Katholizismus immer deutlicher wurde. Dabei wurde auch innerkirchlich zunehmend die Freiheit des Individuums betont: „Der ‚Suchende‘ trat an die Stelle desjenigen, der treu der Lehre seiner Kirche folgte" (Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2013, 179).
Für einen Arbeitgeber von der Größe der katholischen Kirche sind diese Veränderungen von größter Bedeutung. Die Auflösung der Homogenität des kirchlichen Milieus und dessen Pluralisierung bedeutet, dass kirchliche Arbeitgeber bereits bei der Rekrutierung innerhalb des Milieus einen erheblichen Erklärungsaufwand betreiben müssen. Es ist selbst innerhalb des Katholizismus nicht mehr von selbst verständlich, wofür ein kirchlicher Arbeitgeber steht, was er von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet und was er ihnen bietet. Auch die Loyalitätsobliegenheiten werden innerhalb des Katholizismus nicht mehr ohne Weiteres akzeptiert. Weil die Gruppe der Katholiken parallel zu diesem Pluralisierungsprozess auch noch kleiner wird, kommt es nun auch in den karitativen und medizinischen Bereichen zunehmend zu Schwierigkeiten, alle Stellen mit katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu besetzen. Der Erklärungsbedarf katholischer Besonderheiten ist bei nicht-katholischen Interessentinnen und Interessenten dann noch größer.
Wandel der kirchlichen Rollen
Sicherlich hängen die Schwierigkeiten kirchlicher Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung auch mit dem Wandel der beruflichen Rollen zusammen. Dabei dürfte der bereits angesprochene Zölibat nur eine Ursache für die dramatisch gesunkene Attraktivität des Priesterberufs sein. Großbölting macht dafür vor allem das ungeklärte Rollenverständnis der Priester verantwortlich, das zunächst durch die Modernisierung der Priesterausbildung seit dem Trienter Konzil und insbesondere seit dem systematischen Ausbau der Priesterseminare im 19. Jahrhundert geprägt wurde. Diese Priesterausbildung „brachte ein hohes Maß an theologischer und standesethischer Disziplinierung mit sich" (243), die lange Zeit mit einem ausgeprägten Selbst- und Sendungsbewusstsein verbunden war.
Spätestens seit der Priesterbefragung im Umfeld der Würzburger Synode in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurde jedoch deutlich, dass von einem einheitlichen Berufsethos nicht mehr die Rede sein konnte. Offen zutage trat ein weitgefächertes „Spektrum unterschiedlicher pastoraler und theologischer Positionen". Es zeigte sich, dass die innerkirchliche Pluralisierung auch vor der Gruppe der Priester nicht haltmachte. Außerdem wurden „Identifikationsprobleme" insbesondere der jüngeren Priester mit der Institution Kirche deutlich: „Die Reform kirchlicher Strukturen und insbesondere der Zölibat, die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, und viele andere Punkte stießen bei den jüngeren Klerikern auf Widerspruch" (245).
Zur größeren oder zumindest sichtbar gewordenen Meinungsvielfalt der Priester gesellten sich außerdem deutlich gestiegene Erwartungen – und zwar sowohl in den Selbstbeschreibungen als auch von außen: Als Seelsorger sollte und wollte der Priester gleichzeitig Sozialarbeiter, Mediator und Therapeut sein. „Wie groß die Bandbreite des Amtsverständnisses wie auch der Erwartungen von außen war, zeigt sich an den jeweiligen Extrempositionen: Der heilige Mann als großer Beter mit direkter Verbindung zu Gott stand neben dem mehr oder weniger säkularisierten Sozialarbeiter, der vor allem auf Beratung und Lebensbegleitung setzte."
Schließlich wurde das Verhältnis zu den Laien zunehmend zu einer Herausforderung für die Priester: „Auf der einen Seite stand die neu formulierte Vorstellung vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen, die eine deutlich nivellierende Tendenz hatte und die Amtsautorität infrage stellte. Auf der anderen Seite blieb der Selbstanspruch und zum Teil auch die Erwartung, dass sich ein Priester deutlich von den anderen Gläubigen unterscheide. Dieser Umstand machte den verunsicherten Klerus schon in der Wahrnehmung der Zeitgenossen zum ‚Konzilsgeschädigten‘" (247).
Zu diesem Rollenwandel bei den Priestern kommen Veränderungen bei der Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft. Während die Zahl der Priester und Ordensleute kontinuierlich zurückging, konnten die kirchlichen Arbeitgeber immer mehr hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, „die nicht mehr durch ein geistliches Versprechen an die Religionsgemeinschaften gebunden wurden, sondern durch Arbeits- und Tarifverträge" (248). Ein kleinerer Teil von ihnen arbeitet mit einer theologischen oder religionspädagogischen Ausbildung in der Seelsorge, der größere Teil mit pädagogischen, sozialpädagogischen, psychologischen, medizinischen und weiteren Ausbildungen bei den Caritasverbänden, Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft.
Wie stark die Veränderungen auch in diesen Bereichen sind, können wiederum Zahlen illustrieren: „1950 standen im Caritasverband 60 447 Ordensleuten 45 611 Laien gegenüber. Mehr als die Hälfte der etwas über hunderttausend Mitarbeiter war durch geistliche Gelübde gebunden. 1990 gehörten von 347 566 Mitarbeitern noch 21 110 einem Orden an oder waren Priester. Der Anteil der Geistlichen an dem mehr als verdreifachten Mitarbeiterstamm belief sich damit auf etwas mehr als sechs Prozent".
Großbölting weist auf die erheblichen Folgen der mit diesen Entwicklungen verbundenen Veränderungen für das Selbstverständnis und Profil kirchlicher Einrichtungen hin: „Nicht mehr die Hingabe einer treu sorgenden Nonne, einer Diakonisse oder eines Ordensbruders, sondern die spezialisierte Kompetenz einer Ärztin oder eines Pflegers stand oder steht für die Leistungsfähigkeit des Sozial- und Gesundheitssystems". Indem die Leistungsrollen in kirchlichen Einrichtungen zunehmend nicht mehr durch Priester oder Ordensleute besetzt wurden, sei es immer schwieriger geworden, ein christliches und konfessionell geprägtes Profil zu zeigen, „das ehemals christliche Selbstverständnis von Caritas und Diakonie wurde zunehmend konturlos" (249).
Aber auch die bereits angesprochene Bindung der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Arbeits- und Tarifverträge anstelle der geistlichen Versprechen der Priester und Ordensleute hatte Konsequenzen. Die Kirche versuche, durch das Modell der „geistlichen Dienstgemeinschaft", die Sozialform der Gemeinschaft zwischen Bischof und Priestern oder eines Ordens in die Gegebenheiten moderner Organisationen zu übertragen – ein Versuch, der letztlich mit vielen Problemen behaftet sei. Der mit diesem Modell verbundene Anspruch, der gemeinsamen Arbeit eine geistliche Ausrichtung zu geben, gerate immer wieder mit den Wertvorstellungen der modernen Gesellschaft in Konflikt: „Darf der wiederverheiratete, geschiedene Erzieher einen katholischen Kindergarten leiten, die lesbische Ärztin in einem evangelischen Krankenhaus operieren? Diese und ähnliche Fragen führen immer wieder zu Gerichtsverfahren, bei denen verschiedene Rechtsprinzipien miteinander kollidieren" (249). Ob die grundlegende Überarbeitung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" durch die Deutsche Bischofskonferenz im Jahr 2015 wie angestrebt hier Entspannung für katholische Arbeitgeber bringt, wird sich noch zeigen müssen (vgl. HK, Juni 2015, 283–284; Juli 2015, 349–352).
Was bedeutet diese zeitgeschichtliche Analyse für die Positionierung der Kirche als Arbeitgeber? Was sollten die Verantwortlichen kirchlicher Arbeitgeber beachten, wenn sie Strategien entwickeln, um für Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu bleiben oder wieder zu werden?
Theologisch profilieren und gesellschaftlich positionieren
Die innerkirchliche und gesellschaftliche Pluralisierung kann und sollte als Chance begriffen werden, kirchliche Institutionen und Einrichtungen theologisch zu profilieren und gesellschaftlich zu positionieren. Was in geschlossenen Milieus selbsterklärend und selbstverständlich war, muss in einer pluralen Gesellschaft expliziert werden. Ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einen kirchlichen Arbeitgeber gewonnen werden können, wird immer weniger allein von ihrer Sozialisation, sondern auch immer stärker von ihrer bewussten Entscheidung abhängen. Um in diesem Kontext anschlussfähig zu bleiben, benötigt die Kirche Organisationen mit klaren und unterscheidbaren Profilen.
Die Entwicklung solcher Profile ist nicht in erster Linie eine Aufgabe von Marketing-Agenturen und Kommunikations-Experten. Wenn diese Akteure professionell beraten, werden sie ihre Klienten darauf aufmerksam machen, dass die Entwicklung einer Arbeitgebermarke nicht ohne ein authentisches und überzeugendes Selbstverständnis der jeweiligen Einrichtung denkbar und damit „Chefsache" ist. Bei einer kirchlichen Einrichtung kommt es dabei auf ein explizit theologisches Profil an. In welchem Verhältnis steht sie zur kirchlichen Sendung, die Begegnung zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander zu ermöglichen (Lumen Gentium 1)? Welchen Beitrag leistet sie, um diese Sendung zu verwirklichen? Wie konkretisiert und kontextualisiert sie diese Sendung?
Immer mehr kirchliche Institutionen und Einrichtungen stellen sich dieser Aufgabe, indem sie Visionen entwickeln und ausformulieren und an Leitbildern arbeiten. Die Gesprächs- und Dialogprozesse der vergangenen Jahre haben sowohl einen methodischen als auch einen inhaltlichen Erkenntniszuwachs gebracht, der mittlerweile breit dokumentiert ist (vgl. HK, September 2013, 439–441; Oktober 2015, 522–526; November 2015, 573–576; Januar 2016, 31–32). Unterhalb der überdiözesanen und diözesanen Ebenen bleibt das theologische Profil jedoch oftmals eher dünn, weil vorschnell auf scheinbar „bewährte" Konzepte zurückgegriffen wird oder Leitbilder nicht oder nur oberflächlich in der Praxis der jeweiligen Organisation verwurzelt sind. Hier ist vor allem eine breite theologische und spirituelle Kompetenz der Organisationsverantwortlichen und der sie Beratenden vonnöten, auf deren Grundlage ein zur jeweiligen Organisation passendes, authentisches Profil entwickelt werden kann.
Auf der Grundlage der theologischen Profilierung (Sendung) kann dann eine Strategie zur Positionierung der Institution oder Einrichtung im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld entwickelt werden. Dabei kann auf eine Vielzahl von bewährten Methoden zurückgegriffen werden. Im kirchlichen Bereich wird dabei beispielsweise gern das Instrumentarium der „SWOT-Analyse" genutzt, das in den Sechzigerjahren in Harvard entwickelt wurde. Das Akronym „SWOT" steht für „Strengths" und „Weaknesses", „Opportunities" und „Threats", also Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken.
Die beiden letzten Kategorien beziehen sich auf die Umwelt. Welche Chancen bieten sich um Umfeld einer Organisation? Aufgrund welcher gesellschaftlichen Entwicklungen könnten potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders gut angesprochen werden (beispielsweise: der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Wunsch nach sinnvollen Berufsfeldern)? Chancen sollten genutzt werden. Wo ergeben sich anderseits besondere Risiken, die einen Erfolg bedrohen könnten (beispielsweise: verstärkter Wettbewerb im sozialen und medizinischen Bereich; Entwicklung der Kirchensteuer als Einnahmebasis)? Solche Risiken sind nach Möglichkeit zu begrenzen.
Die interne Analyse setzt bei den Stärken und Schwächen einer Organisation an. Was kann eine Organisation besonders gut? Auf welche Ressourcen und Kompetenzen kann sie zurückgreifen (beispielsweise gute Weiterbildungsangebote; angenehmes Arbeitsklima)? Stärken sollten gefördert werden. Aber auch Schwächen sind zu identifizieren, um sie zu reduzieren: Wo ist eine Organisation nicht gut? Welche Fehler macht sie und welche Defizite hat sie (beispielsweise: fehlende Rückmeldekultur, unklare Prozesse, fehlende Karriereperspektiven)?
Welches Instrumentarium auch immer genutzt wird: Bei der Entwicklung einer Strategie sind Organisationen zunächst auf eine belastbare Informationsbasis angewiesen. Auch kirchliche Einrichtungen benötigen ein Berichtswesen, in dem relevante Daten erfasst und durch ein modernes Controlling analysiert und strukturiert werden. Die aufbereiteten Informationen dienen dann als Grundlage für Orientierungs- und Entscheidungsprozesse, an denen möglichst alle relevanten Anspruchsgruppen (Leitungen, Räte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitglieder, Zielgruppen und so weiter) beteiligt werden sollten. Partizipation ist aus mehreren Gründen unverzichtbar: Sie erhöht die Akzeptanz und damit letztlich die nachhaltige Wirksamkeit der Prozesse, stellt sicher, dass möglichst viele Perspektiven und Positionen berücksichtigt werden und verwurzelt die Strategie in der Praxis der jeweiligen Organisation.
Partizipativ erarbeitete Strategien werden authentisch und gewinnen dadurch an Überzeugungskraft. Diese sicherlich aufwendige strategische Arbeit ist auch deshalb zu empfehlen, weil – wie Großbölting in seinem Bensberger Vortrag ausführte – religiöse Gemeinschaften aus historischer Erfahrung immer dann erfolgreich sind, wenn sie an konkrete Problemlagen anschließen und die sich daraus ergebenden Fragen aus einem Transzendenzbezug bearbeiten.
Die strategische Arbeit lohnt sich aber auch aus einem anderen Grund. Sie entlastet die handelnden Personen und könnte einige der Probleme entschärfen, die durch den Wandel der kirchlichen Rollen aufgeworfen wurden. Eine kirchliche Einrichtung, die weiß, wofür sie steht und was ihre Sendung ist, kann dieses Selbstverständnis in für sie relevante Rollenbeschreibungen operationalisieren. Dadurch können die in den unterschiedlichen, für die Kirche relevanten Professionen vorstrukturierten Selbstverständnissen, Erwartungen und Fähigkeiten organisationsspezifisch konkretisiert werden.
In Rollenbeschreibungen kann festgelegt werden, welche Aufgaben zu erfüllen sind, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt werden, welche persönlichen Eigenschaften und Motivationsstrukturen günstig für die Ausfüllung der Rolle sind und welchen Beitrag der Rolleninhaber leistet, um die Sendung der Organisation zu erfüllen. Und diese Klarheit ist auch eine wichtige Voraussetzung, um kirchliche Institutionen einladend auf Karriereportalen zu präsentieren und Bewerberinnen und Bewerber überzeugend anzusprechen.
Die in der zeitgeschichtlichen Analyse seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts sichtbar gewordene Vielfalt unter den Priestern, die auch bei den anderen kirchlich relevanten Professionen beobachtet werden kann, ist unter dieser Perspektive kein Nachteil mehr – im Gegenteil. Eine Kirche, die sich bewusst in ihrem gesellschaftlichen Umfeld positioniert, wird eine Fülle an verschiedenen und unterschiedlichen Persönlichkeiten (bei den Priestern und darüber hinaus) benötigen, um anschlussfähig an die verschiedenen Kontexte zu sein. Pfarreien, Gemeinden und Orte kirchlichen Lebens haben sehr unterschiedliche Milieus: städtisch oder ländlich, traditionell oder liberal, christlich-konfessionell oder säkularisiert, familiär oder Single-Haushalte, homogen oder heterogen und so weiter. Je prägnanter das Umfeld beschrieben wird, desto genauer weiß man, welche Persönlichkeiten mit welchen Motivationen und Positionen jeweils benötigt werden, ob eine spirituelle Ausprägung gebraucht wird, ob organisatorische Fähigkeiten im Vordergrund stehen sollen oder ob soziales Engagement gewünscht wird. Präzise Rollenbeschreibungen helfen der Organisation, ihre Ziele zu erreichen und schützen die Rollenträger gleichzeitig vor Überforderung oder Rollenkonflikten. Und sie helfen den Kommunikationsexperten, ansprechende Stellenanzeigen zu entwerfen.
Die Präzisierung der Erwartungen, Anforderungen und Aufgaben in Rollenbeschreibungen ist mehr als eine verwaltungstechnische Angelegenheit. Der Auftrag der jeweiligen Organisation kann nur erfüllt werden, wenn jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter weiß, welchen Beitrag sie oder er leisten kann und soll. In den Rollenbeschreibungen wird die Sendung der Institution oder Einrichtung individualisiert und personalisiert. Wenn die Rollenbeschreibungen in regelmäßigen Gesprächen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern thematisiert und reflektiert werden, kann ein lebendiger geistlicher Prozess entstehen, in dem Rollenanforderungen und Persönlichkeitsvoraussetzungen austariert und Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung gleichermaßen gefördert werden. Auf diese Weise kann das christliche Profil einer kirchlichen Organisation in ihrem Personal durchaus konturiert sichtbar werden – auch wenn diese nicht mehr durch ein geistliches Versprechen, sondern „nur" noch durch einen Vertrag gebunden werden. Und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wissen, wofür sie arbeiten und dieses Selbstbewusstsein in ihrer Arbeit ausstrahlen, sind die beste Werbung für ihren Arbeitgeber.