BuchbesprechungPatrick Becker

Der Titel dieses Buchs macht neugierig: Schließlich sind die Etiketten „Fundamentalismus“ einerseits und „Beliebigkeit“ andererseits in religions- und kirchenbezogenen Diskussionen häufig anzutreffen, man schlägt sich die Begriffe nicht selten gegenseitig um die Ohren. Angesichts dieser Sachlage sind Klärungen, wie sie Patrick Becker mit seiner Habilitationsschrift verspricht, durchaus willkommen. Er arbeitet dazu zwei konträre Weisen des Verständnisses von Wahrheit in der abendländischen Denk- und Religionsgeschichte heraus, ein absolutistisches und ein relativistisches. Die berühmte Pilatusfrage („Was ist Wahrheit?“) oder Platon wird dabei ebenso Thema wie Augustinus und Thomas von Aquin, Friedrich Nietzsche genauso wie der nordamerikanische Pragmatismus (Charles Sanders Pierce, William James), Ludwig Wittgenstein und „postmoderne“ Denker wie Gianni Vattimo oder Jean-François Lyotard.

Becker plädiert als Schlussfolgerung aus seinem anstrengenden, aber durchweg kompetenten Parforceritt durch Antike, Mittelalter und Moderne bewusst nicht für einen der dargestellten Grundtypen des Umgangs mit dem Wahrheitsproblem. Er möchte vielmehr zeigen, dass ein absolutistisches Wahrheitsverständnis nicht zwangsläufig in Fundamentalismus abgleiten muss und ein relativistisches genauso wenig in bloße Beliebigkeit. Daraus gewinnt er das theologische Ergebnis: „Sowohl das absolutistische als auch das relativistische Wahrheitsverständnis tragen als Basis für einen rational verantworteten Glauben“ (335). Allerdings könnten die beiden Optionen nicht reibungslos parallel verfolgt werden; in allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften seien deshalb Konflikte in der Umsetzung beider Konzepte unvermeidlich.

Entsprechend dem heutigen gesellschaftlichen Umfeld und der Gesprächssituation für Kirche und Theologie ist Becker dennoch vor allem der Aufweis wichtig, dass „relativistisches Denken, wie es typisch für die heutige Zeit der Postmoderne ist, anschlussfähig sein kann für christliche Theologie“ (332). Er begründet das einleuchtend mit den Grundprinzipien der Transzendenz Gottes, der Freiheit der Schöpfung und der Lebensbewährung des Glaubens. Dem wird man gerne grundsätzlich zustimmen – gleichzeitig hätte dem lebendig und verständlich geschriebenen Buch etwas mehr sprachlich-stilistische Sorgfalt gutgetan.

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