„Sex-Streit zwischen Vatikan und deutschem Adeligen" titelte die „Bild"-Zeitung vor Weihnachten. Der Adelige, von dem die Rede ist, heißt Albrecht von Boeselager. Er steht im Mittelpunkt eines römischen Skandals. Die Frontlinien in diesem Konflikt verlaufen jedoch etwas unübersichtlicher, als es die „Bild"-Schlagzeile vermuten lässt. Boeselager war bis vor kurzem „Ehren- und Devotions-Großkreuz-Bailli in Obedienz und Großkanzler des Souveränen Malteserordens". Diesen etwas operettenhaften Titel ist er nun vorerst los. Denn der Chef der Malteser, „Großmeister und Fürst" Matthew Festing, hat Boeselager nach einer Auseinandersetzung kurzerhand aus dem Orden geworfen.
Die Malteser, hierzulande vor allem als Träger des Malteser-Hilfsdienstes bekannt, sind ein über 900 Jahre alter Ritterorden, der sich heute vor allem humanitären und karitativen Aufgaben widmet. Von gewöhnlichen katholischen Orden unterscheidet er sich unter anderem dadurch, dass er – aus historischen Gründen – als souveränes, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt angesehen wird, vergleichbar dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Bis heute besteht der Orden fast ausschließlich aus Angehörigen des Adels. Boeselager wurde 1976 Ordensmitglied; seit 1989 gehört er der Ordensleitung an. Er war zunächst Großhospitalier – eine Art Minister für humanitäre Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit – und wurde 2014 vom Generalkapitel zum Großkanzler – also quasi zum Ministerpräsidenten – gewählt.
Am 6. Dezember wurde Boeselager vom Großmeister aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Doch der deutsche Freiherr weigerte sich, zurückzutreten. Daraufhin schloss Festing Boeselager wegen „Ungehorsams" aus dem Orden aus.
Seitdem erlebt die Öffentlichkeit eine Fehde zwischen Boeselager, Ordensleitung und Vatikanbehörden in Form von Pressemitteilungen und Briefwechseln. Der Orden begründete die Entlassung Boeselagers zunächst mit „schwerwiegenden Problemen", die unter seiner Ägide als Großhospitalier aufgetreten seien, und die Boeselager verschwiegen habe. Boeselager wiederum ließ wissen, er werde Amtsenthebung und Ordensausschluss nicht akzeptieren, denn: das Verfahren, mit dem die Amtsenthebung betrieben wurde, entbehre „jeder rechtlichen Grundlage". Tatsächlich seien vor längerer Zeit in Hilfsprojekten des Ordens Verhütungsmittel verteilt worden. Dies sei jedoch nach einer internen Revision abgestellt worden.
Nun schaltete sich – wohl auf Betreiben Boeselagers – das Staatssekretariat ein und verkündete die Einrichtung einer Untersuchungskommission. Auch wurde ein Brief von Staatssekretär Pietro Parolin an Großmeister Festing bekannt, in dem es heißt, der Papst wünsche nicht die Absetzung, sondern eine Beilegung des Konflikts durch „Dialog". Der Malteserorden teilte daraufhin mit, man werde mit der Komission nicht kooperieren. Dabei berief man sich auf die besondere Stellung als souveränes Völkerrechtssubjekt, aufgrund derer der Vatikan nicht direkt auf interne Entscheidungen Einfluss nehmen könne. Dann war zu hören, Boeselager werde Einspruch bei einem Ordensgericht einlegen. Zuletzt sagte ein Sprecher des Ordens einer amerikanischen Nachrichtenagentur, die Gründe für die Amtsenthebung seien „vertraulich", aber „komplexer" als der Vorfall rund um die Verteilung von Verhütungsmitteln.
In der Presse war darüber spekuliert worden, welche Rolle der konservative Kardinal Raymond Burke, der als Kritiker von Papst Franziskus gilt, in der Angelegenheit gespielt habe. Burke ist seit 2014 „Kardinalpatron" bei den Maltesern – und damit der offizielle Verbindungsmann zwischen Orden und Vatikan. War er die treibende Kraft hinter der Absetzung? Hat er gar den Willen des Papstes, der eher auf Ausgleich zu setzen schien, hintertrieben? Laut dem Sprecher ist Burke an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen.
Boeselager hat in seinem Leben wohl noch nie für Schlagzeilen gesorgt. Mit seiner Frau Praxedis, einer geborenen Freiin von und zu Guttenberg, wohnt er auf einer Burg bei Altenahr. Vor einigen Jahren sagte er der Koblenzer „Rhein-Zeitung" über sein Engagement bei den Maltesern: „Zuerst hofft man, helfen zu können. Am Ende ist man der Beschenkte." Derzeit dürfte ihm anders zumute sein.