Für Schriftsteller war der Vatikan immer wieder Inspirationsquelle für literarische Werke. Die älteste Institution der Welt bietet genug Anknüpfungspunkte für so manchen erdachten Plot, zu viele Geheimnisse scheinen hinter den dicken Mauern verborgen, zu viele menschliche Machtspiele und das Wirken dunkler wie heller höhere Mächte scheinen sich an diesem Ort zu verdichten. Die Vatikan-Thriller des Briten Dan Brown hatten für Aufsehen gesorgt. Damals gab es Empörung und Boykottaufrufe für eine Geschichte, die größtenteils in der Vergangenheit spielte. Und nun: Wiederum legt ein bekannter britischer Thriller-Autor ein Werk vor. Zu „Konklave" aus dem Vatikan aber keine Reaktion. Dabei schildert Robert Harris keine wilden Verschwörungsgeschichten, sondern ein vermutlich halbwegs realistisches, recht menschliches und keineswegs schmeichelhaftes Bild von den Vorgängen im Vatikan, die doch eigentlich geheim sein sollten. Zwar betont Harris, dass alles erfunden sei, doch es drängen sich eben doch vermutete und tatsächliche Ähnlichkeiten zu lebenden Personen auf. Der Roman beschreibt die Vorgänge nach dem Tod eines Papstes bis zur Wahl eines neuen. Dabei ist der verstorbene Pontifex doch letztlich ziemlich deutlich als der amtierende zu identifizieren. Ein Blick in die Zukunft also.
Wer sich für den Vatikan interessiert, muss dieses Buch lesen. Natürlich ist das kein Sachbuch, sondern spannende Unterhaltung in acht Wahlgängen. Es passiert nicht viel, für einen Thriller gibt es recht wenig Tote, kaum Action, nahezu keine Gewalt. Ja, es geht um Macht und Machtspiele, um Abgründe und Abgründiges, aber gar nicht so verzerrt oder völlig übertrieben, wie man sich das bei einem Thriller hätte denken können. Es geht auch um den Glauben, um die Wahrheit und darum, wie die Kirche im 21. Jahrhundert wirken soll und muss. „Konklave" scheint in den groben Linien verblüffend realistisch zu sein, wie realistisch im Detail, das bleibt der Einschätzung des Lesers überlassen.
Natürlich spielen die Fraktionen eine Rolle, die Rechten, die Linken, die Pragmatiker. Das ist manchmal etwas holzschnittartig. Doch setzt Harris immer wieder gelungene Pointen und Überraschungen. Die Predigt zum Beginn des Konklaves sorgt für Aufregung. Da spricht einer frei und fordert einen zweifelnden und sündigenden Papst, damit er „durch seinen Zweifel den katholischen Glauben als etwas Lebendiges erhält". Man würde gerne mal mit dem Protagonisten des Buches über seine Worte diskutieren, wenn es diese Person denn gäbe.