Die zweiteilige Weltbischofssynode von 2014 und 2015 zum Thema Ehe und Familie stellte sich der Frage, wie die Kirche mit der Vielfalt der Lebens- und Beziehungsfragen umgehen soll, wobei die Behandlung der Einzelfrage, ob nach Scheidung Wiederverheiratete zur Eucharistie zugelassen werden können, besondere Aufmerksamkeit fand. In seinem nachapostolischen Schreiben „Amoris laetitia" fasst Papst Franziskus die kontrovers geführten Diskussionen zusammen und zieht daraus seine eigenen Schlussfolgerungen: Einerseits stellt er die Unauflöslichkeit der Ehe nicht in Frage, anderseits betont er den Prozess der Unterscheidung und Begleitung durch die Kirche im Einzelfall. Diese päpstliche Offenheit hat denn auch zum Streit um die richtige Deutung des päpstlichen Schreibens geführt.
Vor diesem Hintergrund will der von der Arbeitsgemeinschaft Praktische Theologie Schweiz verantwortete Band vor allem Seelsorgerinnen und Seelsorgern „zum einen Wahrnehmungshilfe sein, was Menschen im Hinblick auf ihre in welcher Form auch immer gelebte Beziehung umtreibt, und zum andern Perspektiven für einen lebens-, beziehungs- und glaubensförderlichen Umgang mit der erfahrenen Beziehungsvielfalt aufzeigen". Die päpstliche Offenheit wird hier von den Pastoraltheologinnen und -theologen als Perspektivenwechsel ausgelegt, der den Blick vom kirchenrechtlich definierten Lebensstand zu den pluralen Partnerschafts- und Familienformen verschiebt. Konkrete Erfahrungen mit der Begleitung von nach Scheidung wiederverheirateten Paaren in der französischsprachigen Schweiz oder von gottesdienstlicher Begleitung nach Trennung oder Scheidung konkretisieren das Konzept einer prozess- und wachstumsorientierten, einer lebens- und glaubensförderlichen Beziehungspastoral. Dass dabei die Gemeinde als Ort gegenseitiger Anregung und Stärkung christlicher Ehen herausgestellt wird, hat indes mehr mit Vision als mit Realität zu tun.