„So etwas wie einen selbstverständlichen theistischen Erfahrungshorizont scheint es nicht mehr zu geben“, schreibt der Theologe Dominikus Kraschl im Vorwort seiner Studie „Indirekte Gotteserfahrung“. Begründungsinstanzen wie Schrift, Tradition und Lehramt hätten für den Menschen der Spätmoderne an Autoriät verloren. Diese Lücke müsse durch eine vernunftbasierte Begründung des Gottesglaubens geschlossen werden, was Aufgabe der theologischen Erkenntnislehre sei.
Unter Berücksichtigung verschiedener bisheriger Antwortmodelle von Plotin über Kant bis Wittgenstein sieht Kraschl den Weg für eine vernunftbasierte Begründung des Glaubens im Erfahrungsbezug des Menschen: „Die Klärung des Verhältnisses von Glaubenserfahrung und Glaubenserkenntnis gehört deshalb zu den zentralen Aufgaben der wissenschaftlichen Glaubensverantwortung“. Dabei gehe es nicht allein darum, zu begründen, dass es eine transzendente und unendliche Existenz Gottes gibt, sondern auch dass Gott als eine unbedingt vertrauenswürdige transzendente Wirklichkeit in einem relevanten Erfahrungsbezug zum Menschen steht.
In Auseinandersetzung mit den erfahrungsorientierten Konzepten von Karl Rahner oder John Hick entwirft der Theologe Kraschl ein spezifisches Modell christlich-religiöser Erfahrung.
Ausgehend von einem unbedingten Vertrauen als Grundhaltung des christlichen Glaubens und der Annahme einer Selbstoffenbarung Gottes in der menschlichen Geschichte kommt Kraschl zu dem Schluss, dass es sich bei der indirekten Gotteserfahrung um ein „realsymbolisches Vermittlungsgeschehen“ handelt, das so einen Beitrag zur Gotteserkenntnis des Menschen leisten könne. „Der Glaube beinhaltet Annahmen darüber, wie die transzendente Glaubenswirklichkeit sich zu erfahren und zu erkennen gibt“. Dominikus Kraschl zeigt dies in seiner Studie an unterschiedlichen Beispielen ausführlich und nimmt dabei auch Bezug auf die zeitgenössischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien. Das Buch „Indirekte Gotteserfahrung“ wird dadurch zu einer voraussetzungsreichen Lektüre, die an der Schnittstelle von Erfahrung und Erkenntis einen wertvollen Beitrag zur theologischen Erkenntnislehre leistet.