In den Debatten über den Islam in der Schweiz wird er häufig noch als starres Kollektiv wahrgenommen– entgegen den Tendenzen einer weitreichenden Individualisierung, die auch die Muslime erfasst. Zudem wird der Islam von seinen Rändern her konstruiert: Auf der einen Seite stehen radikale und anpassungsresistente Formen von Islam, auf der anderen Seite das Idealbild eines Reformislams.
So prägen zwei Positionen entscheidend die Debatte in der Schweiz: Zum einen ist das Saïda Keller-Messahli mit ihrem Forum für einen fortschrittlichen Islam. Keller-Messahli ist stark in den Medien präsent und vertritt die Auffassung, dass Religion in den privaten Bereich gehört und der Islam weitreichender Reformen bedarf. Auf der Homepage des Vereins sind fünf weitere Personen genannt, es besteht auch ein Beratungsangebot. Insgesamt stehen jedoch die medialen Aktivitäten einer Einzelperson im Vordergrund – und weit weniger der Aufbau einer Religionsgemeinschaft.
Auf der anderen Seite findet man den vom Konvertiten Nicolas Blancho präsidierten „Islamischen Zentralrat Schweiz“ (IZRS), der im Zusammenhang mit der Diskussion um ein Minarettverbot entstand, welches in der Schweiz seit 2009 Teil der Bundesverfassung ist. Immer wieder ist es dieser Gruppe mit rund 40 aktiven und einer weit größeren Zahl an passiven Mitgliedern gelungen, öffentliches Aufsehen zu erregen und ein gewisses Spektrum an jungen Muslimen anzusprechen. Dem IZRS geht es darum, eine muslimische Identität gezielt als Antithese zur schweizerischen Gesellschaft und zu einem westlichen Lebensstil zu positionieren. So wie der IZRS in einem Konflikt entstanden ist, möchte er Muslime darin unterstützen, bestimmte Praktiken wie den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit zu vertreten und dabei auf Konflikte zu setzen.
Angesichts dieser beiden sehr gegensätzlichen Stimmen ist es für muslimische Organisationen nicht leicht, in der Öffentlichkeit Gehör zu finden. Die Selbstorganisation der Muslime in der Schweiz ist ähnlich vielfältig wie in anderen europäischen Ländern. Der Einfluss des türkischen Staates fällt dabei geringer aus als in Deutschland, was auch damit zusammenhängt, dass Muslime aus den Balkanländern die zahlenmäßig größte Gruppe ausmachen.
Die „Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz“ (FIDS) vertritt auf nationaler Ebene mit über 200 Moscheegemeinden und zwölf kantonalen oder ethnischen Dachverbänden die breite Mehrheit der organisierten Muslime. Während die lokalen Moscheevereine meist monoethnisch orientiert sind, sind die FIDS ebenso wie kantonale Dachverbände als Antworten auf das Bedürfnis nach Ansprechpartnern auf den Seiten der Schweizer Behörden und als Interessenvertreter der Muslime entstanden.
Seit rund zwei Jahren hat die FIDS ihre Medienarbeit intensiviert und mehrfach nach Anschlägen oder zu verschiedenen anderen islambezogenen Belangen Stellung bezogen. Auch wenn die FIDS damit an öffentlicher Sichtbarkeit gewonnen hat, befindet sie sich noch auf dem Weg dahin, Projektpartner für staatliche Stellen zu werden.
Fünf Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich laut einer aktuellen Erhebung des Bundesamtes für Statistik als Muslime („Religiöse und spirituelle Praktiken und Glaubensformen in der Schweiz“). Dabei ist auffällig, dass die Personen mit Migrationshintergrund der ersten Generation 80 Prozent der Muslime ausmachen. Vielfach handelt es sich um Personen, die in den Neunzigerjahren aus dem Balkan in die Schweiz gekommen sind. Daher ist es nachvollziehbar, dass Islam- und Migrationsdebatten immer noch stark miteinander vermischt sind. Außerdem sind die muslimischen Gemeinschaften die jüngste religiöse Gruppe: 57 Prozent der Muslime sind zwischen 15 und 34 Jahre alt; über 65-Jährige gibt es kaum.
Die Befunde zeigen, dass es zwar auch unter Muslimen eine große Vielfalt an Auffassungen und Religionspraktiken gibt, sie aber doch eine stark religiöse Gruppe sind, für die Religion hohe Alltagsrelevanz besitzt. Auffällig ist jedoch, dass die mindestens einmal wöchentliche Gottesdienstteilnahme mit zwölf Prozent zwar über den Reformierten, aber unter den Katholiken liegt.
Hierfür sind unterschiedliche Faktoren ausschlaggebend: So ist die Teilnahme von muslimischen Frauen am Freitagsgebet weithin unüblich, und viele Muslime praktizieren ihre Religion ohne oder mit nur geringer Vereinsbindung. Auch bei der individuellen Gebetspraxis sind die Befunde vielfältig: Während 40 Prozent der Muslime nie beten, ist mit 12 Prozent der Anteil derer, die mehrmals täglich beten wiederum deutlich höher als bei Protestanten oder Katholiken. Somit liegt es auf der Hand, etwa im Bereich von Seelsorge in öffentlichen Institutionen auf religiöse Bedürfnisse von Muslimen einzugehen, ohne dadurch den Typus des streng praktizierenden Muslim zu generalisieren.
Wie auf Anliegen der Muslime eingegangen wird, hängt eng mit der politischen Kultur der Schweiz zusammen. Gerade die Westschweiz orientiert sich traditionell stark an Frankreich. So ist hier ähnlich wie in Frankreich eine Zurückhaltung gegenüber jeglicher Art gruppenbezogener Integration zu beobachten, da diese unter dem Verdacht steht, Parallelgesellschaften zu erzeugen. In der Deutschschweiz richtet sich der Blick dagegen eher auf Deutschland und Österreich, wo die strukturelle Einbeziehung der muslimischen Organisationen durch den Staat weit stärker ausgeprägt ist als in der Schweiz.
Der kleinteilige Föderalismus und der zurückhaltende Staat in der Schweiz haben zur Folge, dass zumindest auf nationaler Ebene wenig positive Symbolpolitik im Blick auf die Muslime betrieben wird. Hochrangige Politiker, die sich mit muslimischen Repräsentanten vor die Kameras stellen, gibt es in der Schweiz systembedingt nicht. Dadurch ist umgekehrt die Debatte in der Schweiz weniger top-down und bringt stärker die Stimmung der Bevölkerung zum Ausdruck.
Im Jahr 2010 fand auf Bundesebene ein Muslim-Dialog statt, an dem die wichtigsten Bundesämter und ein breites Spektrum an muslimischen Vertretern beteiligt waren. Von der Jugendarbeit bis hin zur Imamausbildung wurden Handlungsfelder erarbeitet, die aber im System der Schweiz weitgehend dezentraler Maßnahmen bedürfen. Seitdem beharren Kantone und Gemeinden weitgehend auf ihren Zuständigkeiten in Sachen Religion und Integration. So bleibt dem Bund oft eine stärker moderierende Rolle.
Beispielsweise erarbeitet der beim Verteidigungsdepartement angesiedelte Sicherheitsverbund Schweiz derzeit einen nationalen Aktionsplan im Blick auf die Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus, in dem es unter anderem auch um die Radikalisierung von Muslimen geht. Aber am Ende werden vermutlich eher Empfehlungen als konkrete Maßnahmen stehen.
Dass gerade dieses Themenfeld im Vordergrund bundespolitischer Bemühungen steht, zeigt, wie eng sicherheitspolitische Fragen mit dem Thema Religion verknüpft werden. Auch wenn der Anteil der Dschihadreisenden nach Syrien, Irak und Somalia im Zeitraum von 2001 bis Mai 2017 in der Schweiz 88 Personen betrug und diese Zahl vergleichsweise gering ist, prägt dieses Thema stark die Islamdebatte.
Verglichen mit Deutschland, wo inzwischen in mehreren Bundesländern islamischer Religionsunterricht erteilt und über den Aufbau muslimischer Wohlfahrtsverbände mit staatlichen Förderungsmöglichkeiten nachgedacht wird, sind die öffentlichen Gestaltungsmöglichkeiten für Religionen in der Schweiz weitaus begrenzter. So geht die Tendenz klar weg von einem bekenntnisorientierten hin zu einem religionskundlichen Unterricht in den Schulen beziehungsweise zu einer Komplementarität von einem allgemeinen Ethikunterricht und einem konfessionellen Unterricht unter Verantwortung der jeweiligen Kirche. Islamischen Religionsunterricht gibt es derzeit nur an insgesamt vier Schulen in der Deutschschweiz, die die Räumlichkeiten und Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen. Lokal genießen diese Projekte und die dort Lehrenden hohes Ansehen; eine strukturelle Ausweitung ist jedoch bislang noch nicht gelungen.
Deklarationen und Vertrauensaufbau
Da es in der Schweiz bisher keinen Bedarf an Religionslehrkräften gibt, ist im Blick auf eine universitäre Verankerung islamischer Theologie in der öffentlichen Debatte eher das Thema Imame beherrschend. Das seit 2015 bestehende Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft, das an der Universität Freiburg angesiedelt ist, bietet vor allem Weiterbildungen für Imame und andere Zielgruppen an. Es widmet sich auch der islamisch-theologischen Selbstreflexion. So wird der bisher in Münster lehrende Amir Dziri ab September 2017 die erste Professur für Islamische Studien in der Schweiz bekleiden. Ziel des Zentrums ist es auch, einen Beitrag zur öffentlichen Islamdebatte zu leisten und Impulse für verschiedene praktische Handlungsfelder zu geben.
Die muslimischen Organisationen in der Schweiz stehen noch vielfach vor der Herausforderung, Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen. Im März 2017 unterzeichneten die Präsidenten der beiden Dachverbände albanischer Muslime im Berner Haus der Religionen unter Vermittlung eines ehemaligen kosovarischen Diplomaten eine Charta. Ausgangspunkt ist die Anknüpfung an eine multireligiöse Kultur in den Herkunftsländern der albanischen Muslime, die auch eine Ressource für das Zusammenleben in der Schweiz darstellt. Die albanischen Muslime sehen sich Europa zugehörig.
Im Zentrum der Charta steht die Anerkennung des Rechtsstaates sowie der Religions- und Gewissensfreiheit. Außerdem wird Integrationsbereitschaft bekundet und eine überethnische Offenheit der muslimischen Zentren signalisiert. Es folgt eine deutliche Abgrenzung gegenüber radikalen Strömungen und eine Selbstverpflichtung zu interreligiöser Zusammenarbeit, Transparenz der Finanzen und Kooperation mit den Behörden. Gerade die rund 40 albanischen Imame in der Schweiz standen in den letzten Jahren verstärkt in der Kritik, da ein Teil von ihnen in Saudi-Arabien studiert hat. Vor diesem Hintergrund kann die Charta als vertrauensbildende Maßnahme verstanden werden. Angesichts der von Misstrauen geprägten Islamdebatten kann es durchaus Sinn machen, Selbstverständliches zu wiederholen, um Vertrauen zu schaffen.
Die bosnischen Muslime in der Schweiz haben es schon seit vielen Jahren geschafft, als europäische Muslime in einem positiveren Licht zu stehen. Aber auch hier wurde eine Erklärung auf den Weg gebracht. Im Mai 2017 unterzeichneten der bosnische Großmufti Husein Kavazović und der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Gottfried Locher, in Sarajevo eine Erklärung mit dem Titel „A Common Word About Our Common God“, die ebenfalls eine Verpflichtung auf demokratische Prinzipien, säkulare Werte und Geschlechtergerechtigkeit umfasst. Dass diese Erklärung nicht zusammen mit Repräsentanten der bosnischen Muslime in der Schweiz verabschiedet wurde, kann als Ausdruck einer gewissen Schieflage gesehen werden.
Seelsorge und soziale Arbeit
Beide Erklärungen wurden stark in der Öffentlichkeit wahrgenommen und überwiegend positiv kommentiert. Sie tragen sicherlich zur Differenzierung des Islambilds teil, sind aber auch ein Indiz dafür, dass die herkunftsbezogenen Organisationsformen noch stark sind.
Einer der wenigen verbliebenen öffentlichen Räume von Religion in der Schweiz ist die Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen wie Gefängnissen oder Krankenhäusern. So hoffen Muslime, Projekte und Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich entwickeln zu können, bevor sich hier eine transreligiöse spirituelle Begleitung als Standard durchsetzt. Auch in diesem Fall richtet sich der Blick nach Deutschland, wo es teilweise mit öffentlichen Mitteln geförderte Qualifizierungsmaßnahmen für muslimische Seelsorge gibt. Die „Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich“ (VIOZ) führte ein Pilotprojekt im Bereich der Notfallseesorge durch, das aus einem konkreten Bedarf heraus entstanden ist und derzeit zu einem allgemeinen muslimischen Seelsorgedienst ausgebaut wird. In einem Bundesasylzentrum in Zürich wurde im Juli 2016 mit starker Unterstützung der Kirchen erstmals eine muslimische Asylseelsorge als Pilotprojekt eingerichtet, die auf Erfahrungen aus dem Projekt der VIOZ aufbauen konnte. Dort begleiten drei muslimische zusammen mit zwei christlichen Seelsorgenden die zeitweise 400 Gesuchsteller, die zu einem relativ hohen Anteil Muslime sind.
Im Bereich der Integrationsförderung, der Prävention gegen Radikalisierung und des interreligiösen Dialogs richtet sich der Blick inzwischen verstärkt auf soziale Aktivitäten muslimischer Organisationen, die sich in folgende Felder gliedern lassen: karitative und humanitäre Aktivitäten, administrative und schulische Unterstützung, Bildung und Information, Freizeit und Sport sowie Mediation und Schlichtung (Hansjörg Schmid, Mallory Schneuwly Purdie und Andrea Lang, Islambezogene Weiterbildung in der Schweiz – Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse / Formations continues sur l’islam en Suisse – Etat des lieux et analyse des besoins, Fribourg 2016).
Viele dieser Aktivitäten sind auf die Gemeindemitglieder ausgerichtet, wie es für Diaspora- oder Migrantenvereine allgemein typisch ist. Diese Angebote können aber auch dazu beitragen, dass sich Muslime in der Schweizer Gesellschaft besser zu orientieren vermögen. An einigen Stellen werden bereits bewusst Grenzen überschritten und Nichtmuslime als Zielgruppe erreicht – vielleicht im Sinne einer zukünftigen muslimischen „Caritas“. Da die staatliche Förderung im Bereich der Wohlfahrt in der Schweiz relativ gering ausfällt und stark kompetitiv ausgestaltet ist, sind Aussichten auf eine Förderung muslimischer sozialer Projekte momentan relativ gering. So wird derzeit auch eine kontroverse Debatte darüber geführt, inwieweit Jugendarbeit religiöser Träger überhaupt staatlich gefördert werden soll.
Wie die Schnittstellen zwischen religiösen Gemeinden und breiter Öffentlichkeit gestaltet werden, ist stets ein Ergebnis von Aushandlungsprozessen. Ein entsprechend der föderalen Struktur der Schweiz stark lokaler Ansatz bildet ein Korrektiv zu den globalen Islamdebatten, indem Konfliktsituationen entscheidend durch ihre Akteure mitgestaltet und gedeutet werden. Gerade die sozialen Handlungsfelder muslimischer Gemeinden können differenzierende Gegendiskurse zu den verbreiteten Mechanismen der Islamdebatten bilden. Hier zeigt sich jedoch auch, dass die Kräfte der Selbstorganisation schwach sind und vielfach ein Mangel an Ressourcen und Finanzierungsmöglichkeiten besteht, um Projektideen umzusetzen.
Schritte zur Anerkennung
Die muslimischen Organisationen in der Schweiz warten noch auf ihre staatliche Anerkennung, die ihnen bessere Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen würde. Eine solche obliegt den Kantonen und erfordert langwierige Prozeduren. Die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz wird oft mit der Einbürgerung verglichen, die als sehr anspruchsvoll gilt (vgl. René Pahud de Mortanges [Hg.], Staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Zukunfts- oder Auslaufmodell?, Zürich 2015, 14f.). Allerdings sind heute auch bereits 34 Prozent der rund 450 000 Muslime Schweizer Staatsbürger und der Islam somit kein rein ausländisches Phänomen mehr (Mallory Schneuwly Purdie und Andreas Tunger-Zanetti, Switzerland, in: Oliver Scharbrodt u.a. [Hg.], Yearbook of Muslims in Europe, Band 8, Leiden 2017, 669–687, hier 682).
Die „Einbürgerung“ muslimischer Organisationen steht hingegen noch in den Anfängen. Es geht weder um einen rein formalen Akt noch um Integrationsförderung mit einem Vertrauensvorschuss des Staates, sondern um eine staatliche Besiegelung von bereits erbrachten Integrationsleistungen und einer breit akzeptierten Zugehörigkeit. Dem können jederzeit Volksinitiativen in die Quere kommen, die im System der direkten Demokratie der Schweiz ein wichtiges politisches Instrument sind.
Im Kanton Waadt regelt ein Gesetz aus dem Jahr 2007 zusammen mit Ausführungsbestimmungen aus dem Jahr 2014 die Frage der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Voraussetzung dafür ist nicht nur eine 30-jährige Präsenz im Kanton und die Anerkennung zentraler Verfassungsprinzipien, sondern auch die Ausübung einer sozialen und kulturellen Rolle nicht nur im Blick auf die eigene Gemeinde, der Einsatz für gesellschaftlichen und religiösen Frieden sowie die Mitwirkung am interreligiösen Dialog. Einerseits sind diese Bedingungen sehr anspruchsvoll, andererseits können sie auch eine verstärkende Wirkung für muslimische Aktivitäten, etwa im sozialen Bereich, entfalten.
Im Kanton Basel-Stadt besteht schon seit 2014 die Möglichkeit einer „kleinen Anerkennung“, die etwas niederschwelliger ist. Zwei alevitische Gemeinden haben diesen Status bereits erlangt. Im Kanton St. Gallen wird derzeit eine vergleichbare Gesetzesvorlage diskutiert. Kritiker bringen vor, dass es sich um eine reine Symbolpolitik handeln würde, aus der keine konkreten Konsequenzen hervorgehen. Wenn jedoch der Kanton mittels einer „kleinen Anerkennung“ die Zugehörigkeit von muslimischen Gemeinschaften öffentlich bestätigt, kann dies die Identifikation von Muslimen mit der Schweiz weiter erhöhen. Eine symbolische Anerkennung wäre auch ein Signal für Behörden und andere Institutionen, dass sie bedenkenlos mit den Muslimen zusammenarbeiten können.
Der schweizerische Weg von Interaktionen zwischen Islam, Staat und Gesellschaft kann zunächst dornig und konfliktreich erscheinen. Angesichts des ausgeprägten Föderalismus kann von einem schweizerischen Weg als solchem überhaupt nicht die Rede sein, sondern es geht vielmehr um eine Vielfalt kantonaler Pfade. Dies mag unübersichtlich und undurchschaubar wirken. Andererseits bieten sich so immer Möglichkeiten interessanter Quervergleiche und wechselseitiger Lernprozesse.
Die Geschwindigkeit mancher Prozesse mag geringer sein als in anderen Ländern, wobei die politischen Lösungen eine hohe Beständigkeit aufweisen. Letztlich sind es auch die gute wirtschaftliche Lage und die vergleichsweise hohe Durchmischung der Schweizer Gesellschaft in Schulen und Wohnquartieren, die wesentlich zur Stabilität beitragen.