Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf gehört zu den wenigen Theologen, deren Bücher weite Verbreitung jenseits akademischer Kreise finden. Wolf gelingt es, die Kirchengeschichte bestsellertauglich zu machen. Dabei setzt der schwäbische Professor auch auf die beiden klassischen Triebfedern massentauglicher Unterhaltung: sex and crime. In „Die Nonnen von Sant’ Ambrogio“ (2013) rollte er den hunderfünfzig Jahre alten Fall eines römischen Klosters wieder auf, in dem lesbischer Sex und Giftmordanschläge auf der Tagesordnung standen. Der Verlag unterstützt seinen Autor durch ein entsprechendes Marketing und preist ihn als „Meisterdetektiv im Vatikan“.
Das neueste Werk des Historikers widmet sich nun einem vielleicht etwas harmloserem, aber trotzdem spannenden und „geheimnisumwitterten“ Thema. „Hinter den verschlossenen Toren des Vatikans“ so raunt es auf dem Klappentext, vollzieht sich das Ritual der Papstwahl.
Anders als die Geschichte von den verkommenen Nonnen liegen Wolfs neuem Buch weniger Archivrecherchen zugrunde. Es bietet darum auch keine sensationellen Neuentdeckungen. Vielmehr schildert der Autor in unterhaltsamer und verständlicher Weise die Entstehung des Konklaves und bietet damit eine kleine Geschichte des Papsttums im Schnelldurchlauf. Ein paar Schauergeschichten dürfen dabei freilich nicht fehlen. Ausführlich widmet sich Wolf darum der berühmten „Leichensynode“ aus dem 10. Jahrhundert. Auch die Päpstin Johanna hat ihren Auftritt.
Der Grundimpuls des Buches ist dabei, die vermeintliche Unveränderlichkeit kirchlicher Praktiken infrage zu stellen. Wolf meint: Die Riten und Gebräuche der Papstwahl erscheinen uralt und unantastbar, in Wirklichkeit haben sie sich aber entwickelt, sie sahen früher einmal anders aus – und sie könnten darum auch in Zukunft eine andere Gestalt annehmen. Wolf spricht von einer „Fassade der Tradition“. Doch die dahinter stehende Vorstellung von Tradition als Fiktion eines „Es war immer so“, ist eine Karikatur des katholischen Traditionsbegriffes, den so niemals irgendjemand vertreten hat.