Das Denken des Theologen Erik Peterson (1890–1960), lange Zeit nahezu in Vergessenheit geraten, erlebt seit etwa 20 Jahren eine beachtliche Renaissance. Der in Hamburg geborene Peterson lehrte zunächst evangelische Theologie in Bonn, bevor er 1930 in Rom zum Katholizismus konvertierte. Prägend war vor allem die Diskussion mit seinem Freund und Gesprächspartner Carl Schmitt über die politische Theologie. Peterson und Schmitt sahen beide die große Nähe von politischen und religiösen Begrifflichkeiten: Während Schmitt jedoch das Christentum letztlich für seine antiliberalen Vorstellungen politischer Ordnung in Dienst nehmen wollte, erkannte Peterson in den politischen Bildern der christlichen Tradition eine ideologiekritische, die irdische Macht relativierende Kraft.
Der Wiener Dogmatiker Christian Stoll hat sich nun in einer gelehrten und trotzdem sehr gut lesbaren Studie mit dem für Petersons politisch-theologisches Denken zentralen Begriff der Öffentlichkeit befasst. Während gewisse theologische Strömungen heute, wie schon der liberale Protestantismus des 19. Jahrhunderts, in der Versuchung stehen, die Offenbarung völlig in der subjektiv-menschlichen „Religionsproduktivität“ aufgehen zu lassen, war für Peterson die Christusoffenbarung ein Einbruch in die Geschichte, ein revolutionärer Krisenakt. Durch diesen konstituiert sich die Kirche als Bürgerversammlung einer himmlischen polis, in deren kultisch-rechtlichen Vollzügen eine kosmische Öffentlichkeit ansichtig wird, die bis zur Wiederkunft Christi im Konflikt mit der Öffentlichkeit dieser Weltzeit steht. Dadurch wird der Absolutheitsanspruch jeder irdischen Ordnung unterlaufen; sie untersteht vielmehr dem kommenden Gericht. Die Haltung des Christen ihr gegenüber kennzeichnet Peterson als „kritische Distanz“. Stoll arbeitet heraus, inwiefern das Denken Petersons in den Diskurs über die Kirche in der Moderne einzuordnen ist und gibt Hinweise für eine Fortschreibung von Petersons Öffentlichkeitsbegriff 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dessen Versuch einer glatten Synthese zwischen Kirche und Moderne heute brüchig geworden ist.