Zu den französischen Intellektuellen, deren Rezeption von Franziskus’Pontifikat profitieren wird, gehört der Historiker, Philosoph und Theologe Michel de Certeau (1925-1986). Certeau, ebenfalls Jesuit, gehört nicht zuletzt wegen der Vielfalt seiner Interessen und Forschungsgegenstände zu den anregendsten Stimmen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Früh schon bezeugte der neue Papst den Einfluss seiner Art und Weise des Denkens. Das ist freilich gar nicht so leicht zusammenzufassen.
Umso verdienstvoller ist es, sich an eine Einführung in das Werk von Certeau zu machen und die vielfältigen Spuren aufzunehmen: von den historischen Arbeiten über die Mystik, deren theologische Reflexion, die Impulse für die Methodendiskussion in der Geschichtswissenschaft und nicht zuletzt die Gesellschaftsanalysen der Zeit rund um 1968 und danach, einschließlich seiner Handlungs- und Politiktheorie bis hin zu einer Soziologie des Alltags. Besonders interessant dabei ist, dass der Band mit Marian Füssel von einem Historiker geschrieben ist, dem es gelingt, die theologische Relevanz von Certeau aufzuzeigen, gleichzeitig aber auch davor warnt, den Jesuiten darauf zu reduzieren.
Certeau war ein sehr neugieriger, unermüdlicher Beobachter, der seine Erkenntnisse immer wieder in überraschende Zusammenhänge zu bringen vermochte. Frucht seiner Überlegungen sind in der Regel Aufsätze und kleinere Essays, nicht die große Monographie. Füssel schlüsselt sie auf und vermag sie mit kleineren Exkursen zum Hintergrund jeweils überzeugend einzuordnen.
Die Grenzen des Bandes: Zwar vermag der Autor es, eine große Menge von einzelnen Pfaden zu verfolgen, dabei immer auch die vor allem im letzten Jahrzehnt sprunghaft angestiegene Rezeptionen in ganz unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten im Blick zu behalten, sodass die große Fruchtbarkeit des Denkens von Certeau deutlich wird. Oft genug aber ist er den Begrifflichkeiten von Certeau zu sehr verhaftet, so dass eine wirkliche Einführung, die auch für eine breitere Leserschaft geeignet ist, noch zu schreiben wäre.