Christentum gibt es nur im Plural von Kirchen, Konfessionsfamilien und Gemeinschaften. Deshalb braucht es Bücher wie das des Wiener evangelischen Systematikers Ulrich H.J. Körtner, die Schneisen durch dieses nicht leicht zu überblickende Gelände schlagen. Körtner behandelt nacheinander orthodoxe und altorientalische Kirchen, katholische Kirchen (unterteilt in die römisch-katholische und die Altkatholische Kirche), den in sich pluralen protestantisch-reformatorischen Flügel der Christenheit und in einem weiteren Kapitel das pfingstlich-charismatische Christentum sowie „christliche Sondergemeinschaften“ wie Adventisten, Mormonen oder Unitarier. Der letzte Teil des Bandes gilt den organisatorischen wie inhaltlichen Aspekten des Themas Ökumene.
Die Darstellung ist durchweg so kompetent wie fair, was nicht zuletzt für das Kapitel über die katholische Kirche gilt. Körtner informiert als evangelischer Theologe zuverlässig über das durch das Zweite Vatikanum erneuerte Selbstverständnis der katholischen Kirche und über ihr Recht, über Gottesdienst und Sakramente, Ordensgemeinschaften, Soziallehre, Caritas und katholischen Ökumenismus sowie über regionale Ausprägungen des Katholischen. Kleinere Ungenauigkeiten (so taucht an einer Stelle der Begriff „Oberbischöfe“ auf und ist an anderer von einem „Vincent a Paulo“ die Rede) trüben den positiven Gesamteindruck nicht. Im Teil über die protestantischen Kirchen (sozusagen ein „Heimspiel“ für den Autor) geht die Darstellung gelegentlich sehr ins Detail, bis hin zur Nennung der anglikanischen Gemeinde in Klagenfurt oder der regionalen Verteilung der Gemeinden der „Evangelisch-altreformierten Kirche in Niedersachsen“.
Für eine „ökumenische Kirchenkunde“ eher ungewöhnlich ist die programmatische Erweiterung auf das Verhältnis von Kirche und Judentum, die Körtner vornimmt und auch verteidigt. Es handle sich dabei um eine „zentrale, wenn nicht überhaupt die entscheidende Frage ökumenischer Theologie“. Der Umstand, dass neben der Kirche das Judentum bestehe, das die Messianität Jesu bestreite, stelle herkömmliche ökumenische Einheitsvisionen infrage. Körtners Ökumenekonzeption ist insgesamt mehr an den Problemen der real existierenden Kirchen orientiert als an großen Visionen – diese Grundhaltung hat einiges für sich.