Einige Jahre vor seiner Wahl zum Papst veröffentlichte Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, eine knappe Autobiografie, die die ersten fünfzig Jahre seines Lebens behandelte. Fünf Jahre nach seinem Verzicht auf das Papstamt liegt jetzt die deutsche Übersetzung einer umfangreichen Biografie von Joseph Ratzinger vor, die der italienische Theologe und Publizist Elio Guerriero verfasst hat. Das Buch schildert verlässlich die verschiedenen Stationen, angefangen mit der bayerischen Kindheit und Jugend, auf dem Weg des deutschen Theologen und Erzbischofs zuerst in die römische Kurie und schließlich ins höchste Amt der katholischen Kirche, das er acht Jahre lang innehatte. Wichtige theologische Veröffentlichungen Ratzingers von der Dissertation über Augustinus bis hin zum dreibändigen Werk über Jesus von Nazareth werden referierend vorgestellt, ebenso Verlautbarungen der Glaubenskongregation aus seiner Amtszeit sowie offizielle Schreiben von Benedikt XVI. So entsteht ein facettenreiches und kompetentes, gut geschriebenes Gesamtbild, in das auch der jeweilige kirchliche und gesellschaftliche Kontext mit einbezogen wird (über einzelne Gewichtungen lässt sich immer streiten, wobei der Autor mit den bayerischen wie mit den deutschen Verhältnissen insgesamt offenbar nicht besonders gut vertraut ist).
Die Biografie ist durchgängig von einem klaren Impetus getragen: Guerriero nimmt entschieden Partei für Joseph Ratzinger als wegweisendem Theologen sowie in seinen orts- und gesamtkirchlichen amtlichen Aufgaben, verteidigt seinen „Helden“ als Person und in seinen theologisch-kirchlichen Akzentsetzungen, im Verständnis der Liturgie ebenso wie in der Eschatologie, in der Auseinandersetzung mit der „Theologie der Befreiung“ ebenso wie in ökumenischen Streitfragen. Das ist durchaus auch sein gutes Recht: Mit dem bekannten französischen Sinnspruch formuliert: „Honni soit qui mal y pense“! Leider erliegt der Autor aber teilweise der Versuchung, die jeweiligen Gegenpositionen holzschnittartig vergröbernd darzustellen und sie damit unter Wert zu verkaufen, um die prophetische Gestalt Ratzingers umso deutlicher ins Licht rücken zu können. So spricht er beispielsweise in seinen Schlussbemerkungen über das Erbe von Papst Benedikt davon, dieser habe gegen einen laizistischen Irrweg einen neuen Humanismus für das dritte Jahrtausend vorgeschlagen, und lässt den für ihn typischen Satz folgen: „Erneut zeigten jedoch Europa und insbesondere Deutschland kaum Interesse daran“ (581).
Man ist bei Übersetzungen fremdsprachlicher Sachbücher leider Kummer gewohnt. Aber es ist gerade in diesem Fall schade, dass die Übersetzung dieser Biografie des mit Recht für seine schöne und elegante Sprache gerühmten deutschen Theologen-Papstes in Teilen so unbeholfen und nicht selten auch fehlerhaft daherkommt.