Neuausrichtung der Religionspolitik unter Emmanuel MacronFranzösischer Islam oder Islam in Frankreich?

Politiker in Frankreich sind seit Jahren bemüht, das Gesetz der Trennung von Kirche und Staat den neuen religiösen Gegebenheiten anzupassen. Das gilt jetzt auch für Emmanuel Macron. Erst jüngst hat der französische Präsident mit seiner Rede an die Katholiken des Landes für Furore gesorgt. Gerade mit Blick auf den Islam sind eine Reihe von Problemen weiterhin ungelöst.

Emmanuel Macron
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Anfang Februar veröffentlichte „Le Journal du Dimanche“ ein Interview mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Zentrale Themen waren die Muslime in Frankreich sowie ihre Integration. Eine neue Strukturierung sei notwendig, um die Spaltungen innerhalb der islamischen Gemeinschaften aufzulösen, so Macron. Ebenfalls dürfe der französische Staat sich nicht gefangen nehmen lassen von der kulturellen, politischen und sozialen Krise der Muslime auf internationaler Ebene. Der Präsident möchte, dass der französische Staat mit den Muslimen einen Dialog führt, wie er ihn auch mit Vertretern anderer Religionen oder Weltanschauungen führt.

Frankreich ist, wie auch die anderen westeuropäischen Staaten, seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Diese Entwicklung ist die Folge der Kolonialgeschichte, der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sowie der nicht gelösten Krisen in Afrika und in den arabischen Staaten. Sowohl das Gros der Arbeitsmigranten als auch der Flüchtlinge in Frankreich kommen aus unterschiedlichen islamischen Kulturen, aus Nordafrika, dem Vorderen Orient, aus der Türkei sowie aus Westafrika. Ins Auge fallen dabei die Unterschiede der islamischen Kulturen. Der sunnitische Islam aus dem Maghreb, der türkische Staatsislam sowie der Marabut-Islam aus dem Senegal finden nicht unbedingt in der Diasporasituation zusammen. Der französische Staat und seine Gesellschaft erleben unterschiedliche Interessen der verschiedenen muslimischen Gemeinschaften und machen widersprüchliche Erfahrungen mit „dem Islam“. Hinzu kommt der islamische Terrorismus, der in den letzten Jahren auch in Frankreich seine zerstörerische Kraft gezeigt hat.

Die Muslime werden nicht mehr, wie in der Vergangenheit, als eine Brücke oder Barriere gen Asien und Afrika, sondern als Repräsentanten eines Islam erlebt, der eine andere Gesellschaftsordnung entwirft. Diese kann aber nicht eins zu eins in das bestehende französische gesellschaftliche Modell der Beziehungen von Kirche und Staat eingeordnet werden.

Es gibt inzwischen viele säkularisierte Muslime

Andererseits stellen die Franzosen fest, dass unter den geschätzten über fünf Millionen Muslimen die Gruppe derer immer stärker wird, die sich vom Islam verabschiedet oder zumindest von islamischen Traditionen entfernt haben. Sie erleben sie als säkulare französische Mitbürger in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Auch haben sie keine familiären Verbindungen mehr zur Heimat ihrer Vorfahren. Sie bezeichnen sich selbst auch nicht mehr als Muslime. Soziologen und Politikwissenschaftler schätzen, dass diese bereits in der Mehrheit sind, von den französischen Mitbürgern aber immer noch als Muslime angesehen werden.

In Frankreich herrscht traditionell eine Politik der Assimilation

Im Gegensatz zum angelsächsischen „Multikulturalismus“ fördert Frankreich eine Politik der Assimilation. Der Assimilationsdruck ist allerdings keine Erfindung der Gegenwart, sondern gehört zur Französischen Republik und wird seit der Französischen Revolution kultiviert. Alle Menschen, die in Frankreich geboren werden, sind in ihren Bürgerrechten gleich, privat können sie nach ihren eigenen religiösen oder philosophischen Überzeugungen leben. Frankreich will eine Nationalkultur in einer laizistischen Republik. Im ersten Artikel der Verfassung wird „die Gewissensfreiheit (…) und die Kultfreiheit garantiert“. Der zweite Artikel sagt, dass „die Republik keinen Kult anerkennt, ihn weder finanziert noch subventioniert“.

Das Verhältnis zwischen den Kirchen und dem Staat hat sich vor diesem Hintergrund zuletzt positiv entwickelt. So erklärte Macron in dem erwähnten Interview: „Mein Ziel ist es, wieder zu entdecken, was das Herz des Säkularismus ausmacht, die Möglichkeit zu glauben wie nicht zu glauben, um den nationalen Zusammenhalt zu bewahren“. Ferner: „Ich werde nie von irgendeinem französischen Bürger verlangen, in seiner Religionsausübung moderat zu sein oder nur gemäßigt an Gott zu glauben. Das hätte nicht viel Sinn. Doch ich werde jeden ständig auffordern, alle Regeln der Republik absolut zu respektieren“.

Einen Schritt weiter ging der französische Präsident am 19. April 2018. Er hielt im Collège des Bernardins einen Vortrag vor den Mitgliedern der Bischofskonferenz, Vertretern anderer Religionsgemeinschaften sowie der Welt der Kultur und der Wissenschaft (vgl. HK, Mai 2018, 39). In seiner Rede verwendete er die Termini „Transzendenz“ und „Heil“. Er betonte, dass der katholische Glaube nicht einfach eine „Meinung“ sei, und dass die Kirche mehr sei als eine „famille de pensée“. Für ihn ist jede Religion – im Sinne von Max Weber – „eine handelnde Gemeinschaft“. Die Reaktion der Linken und der Republikaner blieb nicht aus. Jean-Luc Mélenchon erlebt „den Präsidenten im metaphysischen Delirium. Untragbar! Man erwartet einen Präsidenten, man hört einen sous-curé“.

Eine Ausnahme mit Blick auf das franzöische Modell bildet übrigens immer schon die Armee, sie vertritt eine „militärische Laizität“, denn seit 1874 finanziert sie evangelische und katholische Militärgeistliche, jüdische Rabbiner und seit 2005 auch Imame. Diese Ausnahme wurde im März 2018 bestätigt in einer Broschüre mit dem Titel „Die französische Laizität erklären. Eine Pädagogik am Beispiel der militärischen Laizität“.

Diese geschichtlichen Vorgaben beeinflussen die Integration des Islam in Frankreich. Das Gesetz der Trennung von Religion und Politik schafft das Paradox, dass der laizistische säkulare Staat nicht in die Struktur einer Religion oder Religionsgemeinschaft eingreifen soll, wie immer diese auch beschaffen sein mag. Andererseits soll eine Kirche oder Religionsgemeinschaft aber so strukturiert sein, dass sie dem Staat einen privilegierten Ansprechpartner anbieten kann.

Die eingewanderten Muslime verfügen weder in Frankreich noch in anderen europäischen Staaten über eine solche Autorität. Seit den Anfängen haben die Muslime nie klar zwischen den kulturellen, politischen, religiösen und sozialen Lebensbereichen unterschieden. Die Organisation der islamischen Gemeinde, die umma, hat einen ganzheitlichen Charakter. Die eingewanderten Muslime kommen vor allem aus Gebieten, die über Jahrhunderte zum Kalifat von Damaskus und Bagdad, dann zuletzt zum Sultanat in Istanbul gehörten. Imame, Richter und Juristen (Mufti) waren notwendige Berufe und Teil der politischen Organisation, so wie es heute noch in Saudi Arabien der Fall ist.

Bereits Napoleon kannte eine vergleichbare Situation. Für die katholische Kirche war es kein Problem, der Bischof war der Repräsentant. Die verschiedenen protestantischen Kirchen schlossen sich zu einer Föderation zusammen. Die Juden, ähnlich wie die Muslime, waren in eine Vielzahl von Synagogen und Bewegungen aufgespalten. Da sich die unterschiedlichen jüdischen Bewegungen nicht einigen konnten, schuf Napoleon autoritär das jüdische Konsistorium mit einem Großrabbiner an der Spitze. Wollten jüdische Bewegungen in Kontakt mit staatlichen Institutionen treten, mussten sie Mitglieder des Konsistoriums sein.

Seit über dreißig Jahren arbeiten die Präsidenten und Innenminister der Französischen Republik vor diesem Hintergrund daran, dem Islam in Frankreich eine Struktur zu geben. Heute würde jedoch der Europäische Gerichtshof den Staat daran hindern, wie Napoleon zu intervenieren. Der Staat kann nur als Moderator auftreten.

Beim Integrationsprozess der Muslime und des Islam werden von der Politik vorrangig drei Problemfelder genannt: die repräsentative Vertretung, die Ausbildung der Imame sowie die Finanzierung des Islam beziehungsweise der islamischen Organisationen.

Seit 2003 ist die offizielle Vertretung des Islam der „Conseil Français du Culte Musulman“ (CFCM). Der CFCM wurde auf Initiative des damaligen Innenministers Nicolas Sarkozy gegründet. Innerhalb des Rates arbeiten 11 Kommissionen, er repräsentiert heute etwa 2500 Moscheen in Frankreich. Seit Jahren wird der Rat sowohl von den Muslimen selbst als auch von staatlichen Institutionen kritisiert, er sei ineffektiv und streitsüchtig. Die Rotation der Präsidenten fördere die Einmischung ausländischer Regierungen.

Dies ist in der Tat ein reales Problem. Die Regierungen ausländischer Staaten versuchen, ihren Einfluss auf die Muslime und auf den Islam in Frankreich auszudehnen. Algerien, Marokko und die Türkei wollen verhindern, dass sich die Muslime als französische Muslime definieren und als Teil der französischen Gesellschaft verstehen. Sie versuchen, ihren Einfluss auszuweiten, indem sie sowohl das muslimische Personal als auch den Bau von Moscheen mitfinanzieren.

Präsident Macron spricht deshalb vom „Konsularislam“. Die jetzige Regierung bemüht sich, den CFCM mehr für die französischen Muslime zu öffnen, die sich am stärksten integriert haben. Der franko-tunesische Muslim Hakim al-Karoui, Berater des Präsidenten, ist überzeugt, dass es „Zeit für eine neue Generation“ sei. Die „15-jährige Debatte über die Interessen der Muslime sowie der Einfluss ausländischer Staaten“ sei zu Ende.

Der französische Staat sowie die unabhängigen französischen Muslime favorisieren die Idee, das Amt eines „Großimams für Frankreich“ zu schaffen. Er wäre die „moralische Autorität“, die den Islam gegenüber dem Staat repräsentieren könnte. Es stellt sich hier allerdings die Frage der Ernennung. Die französischen Muslime berufen sich auf eine vergleichbare Situation: Im Osmanischen Reich gab es den Großmufti.

Allerdings sollte er nicht wie im Osmanischen Reich vom Sultan, hier vom französischen Präsidenten, sondern von den Muslimen gewählt werden. Jedoch: Soll er von allen Muslimen gewählt werden, von den rechtlichen Trägern der Moscheegemeinden oder nur vom CFCM? Zu klären wäre zudem, wer die Wahl organisiert. Die unabhängigen Muslime fordern jetzt, dass das Innenministerium Reformen einleiten soll, damit bei der Wahl der neuen Führung des CFCM 2019 die unterschiedlichen islamischen Bewegungen, Traditionen, Moscheegemeinden sowie muslimische Intellektuelle zusammengeführt werden und der CFCM als die pluralistische umma sichtbar wird.

Aufgabe und Ausbildung der Imame sind weiterhin strittig

Jede Religionsgemeinschaft hat Institutionen oder Personen, die sowohl für die Ausübung als auch für die Tradierung der Religion notwendig sind. Einmalig ist die Entwicklung der Rolle des Imams. Ursprünglich war er nur ein Vorbeter. Das konnte jeder Mann sein, der den Ablauf des rituellen Gebetes sowie die dazu notwendigen Koranverse kannte. In den alten Lehrbüchern der Scharia ist diese keine Funktion wie die des Predigers, Rechtsgelehrten oder Richters. Erst später wurde daraus ein Beruf.

Der Imam war Angestellter entweder einer privaten oder der offiziellen Moschee. In der europäischen Diaspora avancierte er zum Gemeindeleiter und wurde das Pendant zum evangelischen oder katholischen Pfarrer. Er wurde Ansprechpartner für den Bürgermeister und anderer städtischer Einrichtungen. So ist es verständlich, dass sich sowohl der Staat als auch die Zivilgesellschaft auf den Imam und seine Ausbildung fokussieren.

In Frankreich schätzt man die Imame, die im Ausland ausgebildet wurden und ihre Gehälter von den jeweiligen Botschaften beziehen, auf einige Hundert. Der jetzige Innenminister Gérard Collomb, wie auch seine Vorgänger, fordert daher, dass die Politik in die Ausbildung der Imame eingreifen soll, damit sie „Imame der Französischen Republik“ seien, keine „Imame ausländischer Staaten“.

In Frankreich müssen die Kirchen und die Religionsgemeinschaften die Infrastruktur für die Ausbildung ihres Personals selbst aufbauen und unterhalten. Die katholische Kirche hat dafür nach kirchlichem Recht Priesterseminare geschaffen, deren Diplome im Unterschied zu denen der vier „Instituts Catholiques“ staatlich nicht anerkannt werden. Die Föderation der Protestantischen Kirchen bildet ihr Personal an zwei Instituten in Paris und Montpellier aus, die Diplome werden vom Staat ebenfalls nicht anerkannt. Das gilt auch für die der Einrichtung der orthodoxen Kirche, die ihre Priester am „Institut Orthodoxe Saint-Serge“ in Paris ausbildet. Die Einrichtung gehört zum russischen Administrationsgebiet. Eine Ausnahme ist die Universität Marc Bloch in Straßburg mit ihren zwei Fakultäten der katholischen und evangelischen Theologie. Das Elsass gehörte 1905 zum Deutschen Reich, und nach der Wiedereingliederung des Elsass nach dem Ersten Weltkrieg stellte Frankreich den Konkordatstatus nicht infrage.

Auf islamischer Seite ergriff die „Große Moschee von Paris“ (GMP) 1994 die Initiative und schuf ein Institut mit Blick auf die Ausbildung der Imame. Auch die Große Moschee von Paris ist eine Erbschaft der Kolonialzeit. Sie wurde von der französischen Regierung nach dem Ersten Weltkrieg gebaut, als Dank an nordafrikanische Soldaten, die für Frankreich gekämpft haben. Nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 blieb die Verwaltung der Großen Moschee von Paris in der Verantwortung des algerischen Staates, der auch den Imam ernennt und abberuft.

Bereits 2000 wurde die Ausbildung wegen finanzieller Engpässe jedoch wieder eingestellt. Mehrere islamische Organisationen sowie das unabhängige „Institut d’Etudes Islamiques de Paris“ eröffneten in den Neunzigerjahren Institute für die Ausbildung der Imame. Auch hier blieb der Erfolg aus. Das „Institut Catholique de Paris“ bietet inzwischen immerhin einen Ausbildungsgang für Imame an, damit sie sich ein Grundwissen an französischer Kultur, inklusive des Laizismus, aneignen können.

Wer finanziert den Islam in Frankreich?

Die Dringlichkeit der Ausbildung der Imame ist real. Im Dezember 2017 erklärte ein muslimischer Führer aus dem Departement Bouches-du-Rhône, die Salafisten hätten inzwischen in Frankreich die Kontrolle der islamischen Infrastruktur übernommen. „Es gibt eine Lücke, die sich vor allem in dem Problem der Imame zeigt, die kein Französisch sprechen“.

Das dritte Problem sowohl für die Muslime selbst als auch für den Staat ist die Finanzierung des Islam. Der französische Staat möchte den finanziellen Einfluss arabischer Staaten reduzieren, wenn nicht gleich ganz verbieten. Die Erfahrung lehrt, dass die Geldgeber, sei es Algerien, Saudi-Arabien, die Türkei oder internationale islamische Organisationen wie die „Islamische Weltliga“ (Rabita) oder die „Organisation der Islamischen Kooperation“ (OIC) mit der Finanzierung auch ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen. Die unabhängigen Muslime sind überzeugt, dass dieser Einfluss die Entwicklung sowohl „eines französischen Islam“ als auch „eines Islam in Frankreich“ blockiert. Ferner würden diese Staaten und Organisationen auch die Anstrengungen untergraben, den Islam mit der Moderne zu versöhnen.

Für die Finanzierung des Islam in einer Diasporasituation fehlt es an einem Modell, das bei der Erarbeitung der Scharia berücksichtigt worden wäre. Vorgesehen ist zwar die islamische Steuer (zakāt), eine der fünf Säulen des Islam. Die muslimischen Gelehrten haben auch die Höhe der Abgabe auf Vermögen und Gewinne erstellt, die das Familienoberhaupt an zakāt entrichten soll. Da der zakāt aber auf freiwilliger Basis beruht, hat das Institut nie funktioniert und ist zu einem „Almosengeben“ verkümmert.

Das Gesetz von 1905 verbietet dem Staat, religiöse Gemeinschaften zu finanzieren. Präsident Macron betont in einem Interview, dass das Gesetz „Teil eines Schatzes“ sei. Es berücksichtige allerdings nicht „die religiöse Tatsache des Islam, weil es den damals noch nicht in unserer Gesellschaft gab, anders als heute“. Um zu verhindern, dass die französischen Steuerzahler in Zukunft womöglich für die Religionsausübung von Muslimen zahlen müssen, wird über die Einführung einer „Halāl-Steuer“ nachgedacht. Die islamischen Speisevorschriften schreiben dem Muslim vor, was er essen darf und was nicht. Beispielsweise darf er nur Fleisch von Tieren konsumieren, die nach bestimmten Regeln geschlachtet worden sind und damit erlaubte (halāl) Speisen werden. Das führte dazu, dass sich ein „Halāl-Handel“ im Lebensmittelbereich entwickelt hat, der sich durch die Globalisierung internationalisiert hat. Die Idee: Diese „Halāl-Produkte“ sollen mit Steuern belastet werden, und mit diesen Einnahmen soll der Islam in Frankreich finanziert werden. Das Problem des Einzugs dieser Steuer wurde allerdings bisher nicht gelöst. Soll das Finanzministerium diese Steuer einbeziehen, oder sollen die Muslime für die Pflichtabgabe ein Institut aufbauen? Das erste Modell ist von der Kirchensteuer in Deutschland inspiriert, das zweite vom österreichischen, wo die Kirchen selbst für den Einzug der Kirchensteuer zuständig sind. In beiden Fällen würde die Verwaltung des Halāl-Handels kompliziert.

Es ist deshalb verständlich, dass die Reaktionen darauf negativ sind. Nach einer Ifop-Umfrage lehnen 70 Prozent der Muslime in Frankreich diese Steuer ab. Der bekannte Reformmuslim, Rachid Benzine, fasste seine Kritik in der Zeitung „Le Monde“ folgendermaßen zusammen: Erstens gebe es auch ausländische Einflüsse (Algerien und Marokko), die man dulden könne, weil dort der Islam die Religion der Eintracht sei. Und zweitens ist die Halāl-Industrie alles andere als von Muslimen dominiert. Es seien eher die großen Supermarktketten, die sich dank der muslimischen Konsumenten bereichern würden. Über seine Feststellung, dass der Islam in Algerien und Marokko eine Religion der Eintracht sei, kann man mit Recht streiten. Seit Jahrzehnten ist er eher der Grund für soziale und politische Unruhen gewesen.

Politiker in Frankreich sind seit Jahren bemüht, das Gesetz der Trennung von Kirche und Staat den neuen religiösen Gegebenheiten anzupassen. Das ist das Recht und die Pflicht der Politiker sowie des Präsidenten. Allerdings müssen die Muslime auch ihren Beitrag liefern, damit dem Recht Genüge getan wird. Nur die Muslime in Frankreich selbst können mithilfe der koranischen Tradition sowie der Sunna klarstellen, wie der islamische Glaube als nicht unterdrückte islamische Minderheit in einer pluralistischen europäischen Gesellschaft gelebt werden kann.

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