Eine der drei Frauen, die kürzlich zu Konsultorinnen der Glaubenskongregation ernannt wurden, ist Laetitia Calmeyn, Professorin am Pariser Collège des Bernardins. Dort unterrichtet sie unter anderem die angehenden Priester und pastoralen Mitarbeiter des Erzbistums in Moraltheologie.
Die Tätigkeit der Konsultoren lässt noch am ehesten an das denken, was man sich gemeinhin unter „Inquisition“ vorstellt. Die Glaubenskongregation beobachtet, was überall in der Welt in der katholischen Theologie vor sich geht, und prüft, ob theologische Veröffentlichungen mit den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre übereinstimmen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Gutachten der Konsultoren. Hat die Kongregation an der Arbeit eines Theologen etwas zu beanstanden, versucht sie zunächst, diese Fragen im Kontakt mit dem Autor zu klären. Wenn es wirklich ernst wird, kann am Ende eines solchen Verfahrens eine öffentliche Erklärung erfolgen. Darin werden gewisse Thesen des jeweiligen Autors zurückgewiesen, oder es wird erklärt, dass ein bestimmtes Buch nicht für die theologische Ausbildung geeignet ist. Allerdings ist unter Papst Franziskus bislang kein Dokument dieser Art veröffentlicht worden. Die Konsultoren, bis dato meist Professoren römischer Universitäten, treffen sich regelmäßig zu Sitzungen in Rom. Laetitia Calmeyn, so heißt es, wird jedoch in Paris bleiben, aber regelmäßig um Gutachten gebeten werden und gelegentlich auch nach Rom kommen, wenn Treffen anstehen. Internet und Billigflieger machen es möglich.
Konsultorin der Glaubenskongregation – das klingt nach Strenge, Formalismus, Zensur. Doch das ist nicht der Stil von Calmeyn. In ihren Texten werden keine Satzwahrheiten abgehandelt, sie sind eher rhapsodisch, fast kontemplativ, dabei stark geprägt von einer geistlichen Lektüre der Heiligen Schrift, freilich auch durchsetzt von Verweisen auf lehramtliche Dokumente. Gerne zitiert sie aus der hierzulande bei vielen Moraltheologen verhassten Enzyklika „Veritatis Splendor“ von Johannes Paul II.
In einem Artikel über die Rolle von Frauen in der Priesterausbildung (und damit über ihre eigene Rolle) holt sie weit aus: Seitdem Eva die Folgen des Sündenfalls als Geburtsschmerz tragen muss, sei das Sein der Frau in besonderer Weise vom Schmerz geprägt, wie Maria werde sie aber auch in der Tiefe ihres Seins zur Zustimmung zur Erlösung geleitet. So hätten die Frauen im Neuen Testament die Aufgabe, die Jünger an das Geheimnis Christi heranzuführen: die Frau mit dem Salböl oder Maria Magdalena, die den Jüngern von ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen berichtet.
Das klingt natürlich sehr „fromm“ (und dieses Wort hat unter vielen Theologen eher eine abschätzige Bedeutung). Aber fromm ist Calmeyn tatsächlich. 2013 empfing sie in Paris die Jungfrauenweihe. Damit hat sie versprochen, ein Leben in Jungfräulichkeit zu führen, das Stundengebet zu beten und sich dem Dienst der Kirche zu widmen. Sie ist, wie es im Kirchenrecht heißt, Christus „mystisch anverlobt“. In einem Interview mit der französischen Wochenzeitung „La Vie“ erzählte sie 2016, mit vier oder fünf Jahren zum ersten Mal den Wunsch nach einer Weihe an Christus empfunden zu haben. Aufgewachsen in einer Familie mit sechs Geschwistern, in der das tägliche Gebet und der Messbesuch auf der Tagesordnung standen, folgte sie als junge Frau „dem Herzenswunsch, den Menschen und ihrer Verletzlichkeit so nahe wie möglich zu sein“ und wurde Palliativpflegerin. Konfrontiert mit den ethischen Fragestellungen ihres Berufs, entschied sie sich zum Theologiestudium und wurde schließlich Dozentin. Bei dieser Tätigkeit sei ihre „Liebe zur Kirche immer spürbarer“ geworden. So reifte der Entschluss zur Jungfrauenweihe. Nun gehört sie zu den Frauen, die unter Franziskus in der Kirche „Karriere machen“. Undenkbar allerdings, dass sie selbst das so profan ausdrücken würde. Sie würde wohl von Dienst und Hingabe sprechen.