An jedem Mittwochabend kommen am vatikanischen Sankt-Anna-Tor etwa zwanzig Personen zusammen: Mitglieder der Schweizergarde, vatikanische Gendarmen, Ordensleute, Kurienmitarbeiter, Studenten. Einige weiße Kleinbusse stehen schon bereit, bepackt mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, von Milchpackungen über Thunfischdosen bis hin zu Regenschirmen. Unter den Leuten, die sich hier treffen, ist Kurienerzbischof Konrad Krajewski. Er hat das Amt des Päpstlichen Almosenverwalters inne.
Gemeinsam spricht man ein Gebet, dann geht es mit den Bussen zum Bahnhof Termini. Dort wartet schon eine Gruppe von Helfern des Malteserordens auf die Freiwilligen aus dem Vatikan. Nun wird eine Reihe von Tischen aufgebaut, darauf liegen die abgepackten Lebensmittel zum Mitnehmen bereit, es gibt aber auch warmes Essen: Suppe, Pizza, Süßspeisen. Es ist so etwas wie eine „mobile Tafel“. 150 bis 300 Menschen kommen an einem solchen Abend und decken sich mit Waren ein, essen eine Suppe und verschwinden meist sehr schnell wieder. Die Hälfte von ihnen dürfte Migranten sein, viele Männer zwischen 50 und 60 sind dabei, aber auch so manche Rentnerin. Die Freiwilligen sorgen dafür, dass alles geordnet abläuft. Hinter jedem Tisch steht ein Helfer und gibt die Waren aus, gegenüber den Tischen stellen sie sich in einer Kette auf, sodass sich eine Gasse bildet: man steht in der Schlage, niemand kann sich vordrängeln.
Helfer, die regelmäßig dabei sind, beschreiben Krajewski als väterlichen „Einsatzleiter“, der auch mal einen Streit schlichtet und sich ansonsten nicht zu schade ist, auch Suppe auszugeben, Müll aufzusammeln, Kartons zu schleppen. Nach etwa anderthalb Stunden ist die Aktion beendet, normalerweise geht niemand dabei leer aus. Zuletzt ruft Krajewski die Helfer zusammen: ein Vaterunser, ein Ave Maria, ein Ehre sei dem Vater wird gebetet, am Schluss gibt es ein „Dankeschön“.
An jedem Abend in der Woche gibt es so eine Aktion der Almosenverwaltung, jeweils an einem anderen Ort in der Stadt und mit unterschiedlichen Helfergruppen. Zweimal in der Woche ist Krajewski selbst dabei. Der Pole lebt seit 1998 in Rom. Unter Papst Johannes Paul II. hatte er damals beim Amt für die liturgischen Feiern des Papstes als Zeremoniar begonnen. Auch während des Benedikt-Pontifikats wirkte er in dieser Funktion. Franziskus machte den Liturgiker dann zum Almosenverwalter. Bei der sogenannten Elemoseneria Apostolica kann man für Anlässe wie Taufen, Erstkommunionen, Hochzeiten oder Priesterweihen Urkunden mit dem Apostolischen Segen erwerben. Die kalligrafierten und persönlich formulieren Dokumente, geziert von einem hübschen Foto des Papstes und einer Abbildung des Petersdoms, kosten zwischen 13 und 25 Euro. Damit finanziert die Elemoseneria ihre karitativen Aktivitäten in der Ewigen Stadt. Hinzu kommen Sach- und Geldspenden, etwa von Firmen, die bestimmte Waren zur Verfügung stellen.
Im Auftrag des Papstes hat Krajewski in den letzten Jahren Duschen, einen Friseur und eine Ambulanz nahe den Kolonaden des Petersplatzes eingerichtet, er hat im Sommer Ausflüge für Obdachlose ans Meer organisiert, er ist mit ihnen zum Turiner Grabtuch gereist, und wenn es im Winter besonders kalt wurde, dann hat er Bergsteiger-Schlafsäcke verteilt und die Kleinbusse mit Vatikankennzeichen als improvisierte Schlafplätze rund um den Petersplatz parken lassen. Etwa 8000 Wohnungslose soll es in Rom geben, für sie stehen in der Stadt nur rund 500 Plätze in Unterkünften zur Verfügung.
Nun hat Papst Franziskus Krajewksi, zusammen mit 14 anderen Klerikern aus der Kurie und aller Welt, zum Kardinal ernannt. „Dieser Kardinalstitel ist für die Armen und die freiwilligen Helfer, ich selbst habe gar keinen Verdienst“, sagt er über seine Ernennung. Unter drei Päpsten hat er in Rom gewirkt. Den nächsten Papst wird er, so Gott will, selbst mitwählen.