Die Integration von Muslimen in Deutschland werde zu sehr an sozialen und öknomischen Faktoren gemessen, kritisiert der Journalist und Buchautor Joachim Wagner. Entscheidend für eine gelungene Integration seien kulturelle Faktoren wie die Identifikation. Diese kulturelle Integration sieht Wagner bei vielen Türkisch- und Arabischstämmigen als gescheitert an.
Indem er den Fokus auf kulturelle Bedingungen legt, folgt Wagner einem Trend in der Integrationsdebatte – nach der Nationalisierung in den Achtziger- und Neunzigerjahren und dem religious turn nach dem 11. September 2001, der aus „den“ Türken „die“ Muslime machte. Bei Wagner werden aus den Muslimen nun die kulturell Rückständigen, denen er Nachholbedarf bei Bildung und Ausbildung, bei der Gleichstellung von Mann und Frau und beim Demokratieverständnis attestiert. Offen bleibt, was alles unter „Kultur“ zu verstehen ist. Und so geht die Kulturalisierung der Debatte mit der Gefahr einher, dass Phänomene vermengt werden und die Präzisierung in der Analyse verloren geht. Wagners Buch ist ein Beispiel dafür.
Jede Religion ist eingebettet in kulturelle Traditionen, die sich von Land zu Land unterscheiden können. Will man Missstände aufdecken und vielleicht sogar Lösungen finden, ist es hilfreich, zu differenzieren, welche Phänomene in den Gesetzen und Praxis einer Religion verankert sind und welche auf kulturelle Traditionen zurückgehen. Wagner aber schreibt: „Für die kulturelle Eingliederung (...) ist allein entscheidend, ob die mitgebrachten und hier gelebten Werte, Einstellungen, Sitten und Gebräuche mit unserer Wert- und Rechtsordnung vereinbar sind“.
Integriert ist für Wagner nur, wer sich „vom Herkunftsland abwendet“ und sich vollständig assimiliert. Da wundert es einen nicht, dass der Autor wissenschaftliche Studien wie etwa die des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster „widesprüchlich“ findet, weil sie herausgefunden haben, dass Vierfünftel der türkeistämmigen Deutschen bikulturell leben und sich damit wohlfühlen. Ambivalenz ist ein Luxus, den Wagner nur der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft zugestehen möchte.