Kulturkampf – das klingt nach 19. Jahrhundert, nach längst überholten Konflikten zwischen Staat und Kirche. Im Amerikanischen steht culture wars aber für ein zeitgenössisches Phänomen. Es geht darum, wie bestimmte Teile der christlichen Denominationen der USA auf soziale Umbrüche reagieren: Vor allem gewisse traditionelle Moralvorstellungen geraten unter Druck. Man denke an die Debatten um christliche Konditoren in Amerika, die sich weigern, für Eheschließungen Homosexueller Hochzeitstorten anzufertigen. Angesichts dessen lautet die These des konservativen Essayisten Rod Dreher: Der Kulturkampf ist verloren. Selbst die Großindustrie, die in den USA bislang noch immer sozial konservative Anliegen gefördert habe, habe ihre Unterstützung aufgegeben. Darum sei es nun Zeit für den Rückzug. Wie die ersten Benediktiner seien die Christen aller Konfessionen nun aufgerufen zu einem gemeinschaftliche Leben des Gebets, der Arbeit, der Askese, der Beständigkeit, um so das christliche Erbe in einer „nachchristlichen Gesellschaft“ zu bewahren. In dem von reportageartigen Elementen und Interviews durchsetzten Buch gibt Dreher Beispiele: Christen, die in das gleiche Stadtviertel ziehen, um alle in der Nähe ihrer Kirche zu wohnen, die ihre Kinder zuhause unterrichten und eigene Schulen und Hochschulen gründen, oder die vorwiegend bei Gleichgesinnten einkaufen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Das Buch liest sich in weiten Teilen wie eine praktische Anleitung für die amerikanische religiöse Rechte. Ein hiesiger Verlag hat es nun übersetzen lassen. Was sollen Leser in Europa damit anfangen? Die Verbindungen zwischen Staat und Kirche sind in den deutschsprachigen europäischen Ländern viel enger als in Amerika. Beim Katholikentag beschäftigte sich ein Hearing der Bischofskonferenz mit dem „Beitrag des Glaubens für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Die Gruppen, die sich hierzulande bereits in unüberwindlichem Gegensatz zur Mehrheitsgesellschaft sehen, dürften wesentlich kleiner sein als in den USA. Wahr ist aber auch, dass in einigen Bereichen die Spannungen zunehmen. In Fragen der Bioethik etwa hat die Stimme der Kirchen immer weniger Gewicht. Debatten um religiöse Identität und gesellschaftliche Mitwirkung werden darum auch in Europa an Bedeutung gewinnen.