Anlässlich seines 90. Geburtstages, der jetzt im September in seiner Wahlheimat Münster gefeiert wird, steht Johann Baptist Metz wieder einmal im Mittelpunkt der theologischen Öffentlichkeit. Er gehört, keine Frage, zu den großen Theologen des 20. Jahrhunderts, von denen nur noch wenige leben. Dabei gründet sein Ruf weniger auf großen Monographien oder Handbüchern. Es ist vor allem die kleine Form, die Metz wie kaum ein anderer beherrscht: Essays oder Reden und Vorträge, an denen er dann – durchaus mit Akribie – für die Veröffentlichung feilt. Selbst sein Hauptwerk „Glaube in Geschichte und Gesellschaft“, das 1977 erschien, ist eine Sammlung aufeinander abgestimmter und entsprechend durchgearbeiteter Aufsätze. Metz gehörte lange auch zu den wenigen Theologen, die ihre Texte in den großen Zeitungen veröffentlichen konnten.
Seine theologische Leistung bestand dabei vor allem darin, dass er wie kaum ein anderer mit seiner sogenannten neuen politischen Theologie (im Gegensatz zu der von Carl Schmitt) auf die Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftlichen Fragen verpflichtet hat und deshalb auch zu einem Brückenbauer zwischen akademischer Welt und den Medien, von Kirche und sonstiger Welt geworden ist. Er war es, der Theologie und Kirche daran erinnerte, dass man es sich nach der Katastrophe von Auschwitz mit der Gottesrede nicht zu leicht machen darf, dass heute keine Theologie mehr möglich ist, die sich nicht von der Theodizee-Frage beunruhigen ließe.
Weil er selbst, obwohl Priester, so wenig kirchlich – und schon gar nicht klerikal – wirkte und sich weit auf die geisteswissenschaftlichen Debatten und Diskurse eingelassen hat, ist er zu etwas wie dem ersten Religionsintellektuellen im deutschen Sprachraum geworden. Als politischer Theologe, der sich intensiv mit dem Marxismus auseinandergesetzt hat, wurde Metz nicht zuletzt aufgrund seiner Themen als „zu links“ verdächtigt, und bis nach Lateinamerika als Vordenker der „Theologie der Befreiung“ gefeiert. Auch kirchlich gehörte er zu den Vordenkern, war der maßgebliche Verfasser des Haupttextes der von 1971 bis 1975 tagenden Würzburger Synode „Unsere Hoffnung“.
Andererseits hat er kirchenpolitisch manche seiner Anhänger irritiert, weil er auch – ganz im Sinne der Apologetik, aus der die Fundamentaltheologie entstanden ist – die Haltung der katholischen Kirche angesichts mancher Reizthemen zu verteidigen wusste. So war es kein Zufall, dass zu seinem 70. Geburtstag der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, ins westfälische Ahaus gekommen ist, um zu seinen Ehren mit ihm zu diskutieren (vgl. HK, Dezember 1998, 600-601). Metz hat im Übrigen auch immer gerne mit seiner bayerischen Herkunft kokettiert. Legendär allein der Satz, den er sich gerne zu eigen gemacht hat: Der Bayer habe ein „irdisches Verhältnis zur Religion“ und ein „mystisches zum Bier“.
30 Jahre lang war Metz der Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster, wo er einerseits die Theologie Karl Rahners mit ihrer Forderung nach einer „anthropologischen Wende“ weiterführte, gleichzeitig auch einer der scharfen Kritiker seines Lehrers war: gerade mit Blick auf eine eng geführte, zu sehr am Individuum und Subjekt interessierte Theologie des Glaubens heute. Seine eigentliche Durchschlagskraft hat Metz sicherlich auch dadurch erreicht, dass er wie kaum ein anderer den Hörsaal als Bühne zu nutzen wusste, wo er seine Gedanken geradezu aufführte und intellektuelle Überraschungsmomente inszenierte. Anlässlich seines Geburtstags ist wieder einmal zu spüren, wie selten eine kraftvolle Stimme wie die seine geworden ist.