BuchbesprechungMichael Seewald: Dogma im Wandel

Es liegt auf der Hand, dass ein Buch, das sich der Frage nach der Wandelbarkeit des christlichen Glaubens widmet, heute hohe Aufmerksamkeit erfährt. Einerseits hat sich seit dem Amtsantritt von Franziskus manches getan, was man im Pontifikat von Benedikt XVI. als kühne Kirchenträume abgetan hätte. Andererseits zeigt sich gleichermaßen, wie schwer sich auch der gegenwärtige Papst tut, die Dinge in jene Richtung zu treiben, die er offensichtlich anstrebt, dabei aber mit Verweis auf die angeblich feststehende katholische Lehre von seinen Kritikern gebremst wird.

Der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald hat jetzt eine umfangreiche Untersuchung vorgelegt, in der er kenntnisreich und detailliert aufzuzeigen vermag, wie sich im Verlauf der Kirchen- und Theologiegeschichte der Glaube und seine Artikulation entwickelt haben – und wie auch selbst von Theologen über die Entwicklungsfähigkeit der christlichen Lehre gedacht wurde. Er spannt den Bogen von den Kirchenvätern (etwa Vinzenz von Lérin) über Thomas Aquin und dann vor allem das 19. Jahrhundert mit der Tübinger Schule oder Kardinal John Henry Newman bis hin zur Theologie der Gegenwart. Dabei weist der Autor jeweils nach, dass Dogmenentwicklung nicht, wie Verfechter mancher eng ausgelegter Dogmen vielleicht noch bereit wären einzuräumen, der „Ablauf eines vorprogrammierten Prozesses“ ist, sondern ein geschichtliches Geschehen mit mancherlei Unwägbarkeiten – in jeder Hinsicht. So schreibt Seewald etwa zur sogenannten Modernismuskrise: „Das Lehramt sieht sich in der Verpflichtung, Irrlehren abzuwehren. Manchmal ist es dabei so kreativ, dass es selbst irre Lehren konstruiert.“ Zu den behandelten Theologen der Gegenwart gehören neben Karl Rahner und Walter Kasper auch Joseph Ratzinger, der bekanntermaßen zu Beginn seines Wirkens aufgrund seiner Distanz zur Neuscholastik selbst eines „gefährlichen Modernismus“ verdächtigt wurde.

Ausdrücklich schreibt Seewald: Es gehe ihm in dem Band nicht um eine „Wunschliste an Dingen, die sich ändern sollten“. Aber die Dogmengeschichte zeige, „dass der Spielraum für Veränderungen größer ist, als manche meinen“. Es handele sich um einen „Schatz dogmatischer Entwicklungstheorien, der in der Gegenwart meist ungenutzt vor sich hinschlummert“.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen
Michael Seewald

Dogma im WandelWie Glaubenslehren sich entwickeln

Verlag Herder, Freiburg 2018. 334 S. 25,00 € (D)