Nichtinvasive Pränataldiagnostik als Kassenleistung?Ein neues ökumenisches Bewährungsfeld

Soll die nichtinvasive Pränataldiagnostik durch Bluttests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden? Die katholische und die evangelische Kirche sehen dies unterschiedlich.

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In der Debatte um die Aufnahme nichtinvasiver genetischer Bluttests als Kassenleistung hat sich die katholische Kirche dagegen entschieden, die EKD begrüßt diese, aber mit dem Zusatz einer verpflichtenden Beratung. Wie verlaufen die Argumentationslinien?

Unter dem Begriff Pränataldiagnostik (PND) werden verschiedene Methoden vorgeburtlicher und geburtsmedizinischer Diagnostik subsumiert, die teils als Kassen-, teils als individuelle Gesundheitsleistung angeboten werden. Unterschieden werden können invasive und damit risikoreichere Eingriffe, wie beispielsweise Chorionzottenbiopsie, Fruchtwasseruntersuchung oder Nabelschnurpunktion, von nichtinvasiven, risikoärmeren Maßnahmen, wie zum Beispiel der dreimaligen Ultraschalluntersuchung, der Nackenfaltentransparenzmessung oder von Bluttests wie dem sogenannten Praena-Test.

Keineswegs aber können dadurch alle Fehlbildungen entdeckt werden. Zudem lassen die Verfahren keine zu 100 Prozent sicheren Prognosen zu. Während das Dilemma der Unsicherheit damit zumeist bleibt, sieht sich die Inanspruchnahme von PND dadurch gerechtfertigt, dass die werdenden Eltern im Optimalfall beruhigt werden oder bei einem auffälligen Befund möglichst früh Therapien eruieren und Risiken abschätzen können. Es geht um Sicherheit und Planbarkeit um des Kindes und des eigenen Wohles willen, denn Therapien sind teilweise möglich. Dies gilt aber nicht für alle diagnostizierbaren Krankheitsbilder, weshalb die PND noch immer primär als diagnose- und nicht als therapiebezogen zu bestimmen ist.

Intendiertes Ziel des Einzelnen ist bei Bewertung von PND entscheidend

Die PND birgt Gefahren: Denn ein positives, pathologisches Testergebnis kann, oft ohne jede Vorbereitung, zu einem schweren Entscheidungskonflikt für die Eltern führen. Die einfache technische Handhabung, vor allem von nichtinvasiven Tests, verstellt den Blick für die Tragweite der Maßnahme und des durch sie gewonnenen Wissens sowie für die Komplexität der PND insgesamt. Für eine grundsätzliche ethische Bewertung der PND ist insbesondere das intendierte Ziel des Einzelnen bedeutsam. Demzufolge ist dort an einer positiven Bewertung der PND festzuhalten, wo diese eine therapeutische und schwangerschaftserhaltende Zielsetzung verfolgt.

Jedoch werden durch Verfahren der PND auch Krankheitsbilder wie Chromosenanomalie mit unterschiedlicher Sicherheit diagnostiziert, die keine therapeutische Möglichkeit eröffnen. Dies gilt allen voran für die nichtinvasive Pränataldiagnostik durch Bluttests (NIPD), die gegenwärtig zur Debatte steht. Während deren Markteinführung im Jahr 2012 nicht zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion führte, geht es nun um die weitergehende Frage, ob diese Tests für Risikoschwangere in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen werden sollen. Dabei ist zu beachten, dass nahezu jede Schwangerschaft aufgrund der Risikokriterien der Mutterschaftsrichtlinien als Risikoschwangerschaft ausgewiesen werden kann. Dass hier vor allem auch ökonomische Interessen der Hersteller im Hintergrund stehen, ist evident (vgl. Könninger, Sabine/Braun, Kathrin).

Durch die molekulargenetische Analyse fetaler DNA im mütterlichen Blut versprechen solche bislang nur für Selbstzahler verfügbaren Bluttests eine risikolose, da technisch leicht handzuhabende Durchführung sowie eine sichere Bestimmung der Trisomien 13, 18 und 21. Diese zeichnen sich durch eine nummerische Abweichung des doppelten Chromosomensatzes aus und beschränken die Lebenserwartung des Kindes in den beiden erstgenannten Fällen erheblich. Das Spektrum des individuellen Schweregrades der zu erwartenden Folgesyndrome ist jedoch sehr weit, insbesondere bei Trisomie 21, und kann durch NIPD nicht bestimmt werden.

Ergebnisse des im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses erstellten Abschlussberichts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen von 2018 zeigen zudem, dass Aussagen über die Sensitivität und Spezifität der Bluttests als negative Suchtests auf seltene Trisomien (13/18) aufgrund der unsicheren Datenlage nicht möglich sind sowie dass falsch-positive Befunde nicht auszuschließen und die Erkennungsraten wohl deutlich niedriger sind. Die Sicherheit der Bestimmung, die Detektionsrate von Trisomie 21, liegt bei 99 Prozent, womit aber immer noch nicht abschließend von einer tatsächlichen Erkrankung gesprochen werden kann. Der geäußerte Verdacht wird daher im Regelfall nochmals durch invasive Methoden bestätigt, wie eine vergleichsweise risikobehaftete Fruchtwasseruntersuchung, deren Vermeidung ursprünglich als Argument für NIPD benannt wird. Deshalb und aufgrund der begrenzten Untersuchungsbreite kann NIPD nur als additive und vorausgehende, nicht aber als eine weitere Untersuchungen gänzlich ersetzende Leistung bestimmt werden. Ob ihr zusätzlicher Nutzen tatsächlich derart umfassend ist, wie vielfach angenommen wird, wäre demnach zu hinterfragen.

Katholische Kirche befürchtet Diskriminierung Behinderter

Die katholische Kirche gelangt zu ihrem ablehnenden Urteil, indem sie die Spannung zwischen der zunehmenden Verbreitung von NIPD und der sich dadurch wandelnden gesellschaftlichen Einstellung gegenüber behindertem Leben problematisiert. Hier wird die Sorge artikuliert, dass NIPD zum Werkzeug der Selektion wird und zu einer der UN-Behindertenrechtskonvention zuwiderlaufenden Diskriminierung behinderten Lebens führt. Dass diese Sorge nicht unberechtigt ist, lässt sich zum einen am Beispiel Dänemark verdeutlichen: „Nachdem das Nationale Gesundheitsministerium im Jahr 2004 ein gebührenfreies Screening eingeführt hatte, verringerte sich die Anzahl von geborenen Kindern mit dem Down-Syndrom rapide: Vor Einführung des Programms wurden etwa 60 Kinder pro Jahr in Dänemark geboren. Zwei Jahre später waren es noch 32 […]. Zurzeit liegt die Anzahl bei sechs Kindern in ganz Dänemark“ (Baldus, Marion).

Zum anderen werden hierzulande, wiederholt genannter Schätzungen und Stichproben zufolge, 90 Prozent der Schwangerschaften mit diagnostizierter Trisomie 21 abgebrochen. Eine „Eugenetik-Mentalität“ (Evangelium vitae 63) scheint sich einzustellen oder bereits eingestellt zu haben. Ein solcher Entschluss jedoch ist theologisch-ethisch keinesfalls zu billigen, wie die deutschen Bischöfe in ihrem Schreiben „Der Mensch: sein eigener Schöpfer?“ (2001) betonen. Die Würde und das Lebensrecht jedes Kindes als Abbild Gottes sind nicht und dürfen nicht an genetische und/oder gesundheitliche Merkmale gebunden werden.

Neben der geschilderten Tatsache wird auf weitere problematische Aspekte hingewiesen. So werden vorgenommene Abbrüche bei einer Diagnose auf Trisomie mit einer medizinischen Indikation (nach Paragraph 218a (2) Strafgesetzbuch) begründet, das heißt, die diagnostizierte Behinderung des Kindes wird als schwere Gefährdung für die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren bestimmt. Dabei stellt Trisomie 21 keine lebensbedrohliche Gefährdung für Mutter oder Kind dar. Eine beträchtliche Zahl an dauerhaft lebensfähigen Kindern mit Behinderung wird dennoch nicht geboren. Die Entscheidungsautonomie der Eltern geht zu Lasten des kindlichen Lebensrechts. Ein Kind mit Behinderung scheint heute „nicht mehr nötig zu sein“, so dass aus Sicht der katholischen Kirche für die NIPD erhebliche Bedenken mit Blick auf den unbedingten Schutz ungeborenen Lebens bleiben.

Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass die jetzigen Bluttests bereits ab der neunten Schwangerschaftswoche möglich sind und ein Schwangerschaftsabbruch damit noch innerhalb der durch Paragraph 218a (1) Strafgesetzbuch festgelegten Fristenregelung erfolgen kann. Dies birgt die Gefahr, dass sich Betroffene voreilig, ohne Bewusstsein für die Tragweite und ohne ausreichende Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Ein schleichender Abtreibungsautomatismus vom auffälligen Befund zum Abbruch, befördert durch Zeitnot und Überforderung, stellt sich ein.

Neben diesem Konnex eines ethisch hochproblematischen Umgangs mit behindertem Leben und der für die katholische Kirche unzulässigen Tötung unschuldigen menschlichen Lebens wird auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen. So wird auf den durch die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen entstehenden inneren und äußeren Druck auf werdende Eltern, der bis hin zum Zwang gehen kann, aufmerksam gemacht: entsprechende NIPD sei in Anspruch zu nehmen, um im Sinne des Kindeswohls einem erweiterten, für viele Paare neuen (vermeintlichen) Verantwortungsbereich vollends gerecht zu werden. Aber heißt verantwortete Elternschaft, alle zur Verfügung stehenden Tests in Anspruch zu nehmen?

EKD betont Freiheit und Selbstbestimmung der schwangeren Frau

Zwar artikulieren beide Kirchen mitunter dieselben Anfragen (Schwangerschaftsabbruch, Umgang mit Behinderung), die EKD gewichtet aber stärker das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau sowie die existentielle Situation. In ihrem Positionspapier „Nichtinvasive Pränataldiagnostik“ spricht sich die EKD für die Einführung aus, aber unter Bedingungen (Pflichtberatung, dem Lebensschutz verpflichtet): „Ein entsprechendes Angebot sollte daher in den Katalog der bei Schwangerschaft und Mutterschaft vorgesehenen Leistungen aufgenommen werden. Paragraph 24c Sozialgesetzbuch V wäre insoweit um eine Beratung im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik zu ergänzen, die ethische und psychosoziale Beratung umfasst – und zwar ausdrücklich unabhängig von ihrer konkreten Inanspruchnahme und der schon jetzt in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Beratung gemäß Paragraph 2a Absatz 1 Schwangerschaftskonfliktgesetz“ (11). Die Hoffnungen werden in die Beratung gesetzt.

Diskursiv werden verschiedene Argumente herangezogen. Besonders stark wird gemacht, dass mit diesem empfohlenen Weg der Test der Marktlogik entzogen sei und nicht ins Private abgedrängt werde. Denn auf dem freien Markt seien diese Bluttests ohne Kontrolle und Beratung einsetzbar. Dementgegen soll NIPD nur in einem verlässlichen Rahmen psychosozialer und ethischer Beratung, ähnlich der Schwangerschaftskonfliktberatung, angeboten und durchgeführt werden. Gesundheitliche Gründe wie der erheblich schonendere Charakter des Tests für Mutter wie Kind sprechen nach Einschätzung der EKD ebenso für diese Entscheidung wie die Tatsache, dass risikoreichere Tests bereits als Regelleistung übernommen wurden. Finanzielle Schranken und der daraus resultierende Zwang, Risiken invasiver Tests wie der Fruchtwasseruntersuchung in Kauf nehmen zu müssen, sollen für die Eltern nicht bestehen. Risiken auf der individualethischen Ebene werden benannt und sprechen laut EKD für diesen Weg der konditionierten Zulassung. Dagegen werden soziale und sozialethische Risiken zwar – im Vorwort – angesprochen, etwa die Diskriminierung behinderten Lebens, aber in der Abwägung erfahren sie weniger Gewicht und führen zu anderen Schlüssen. Das Positionspapier weist zur Begründung auf die anthropologische Ebene hin: die Freiheit des Einzelnen und die individuelle Verantwortung. Auffällig ist, dass im Text nicht näher dargelegt wird, dass die Schwere der Behinderung durch NIPD nicht feststellbar ist und dass es hierbei auch um die Diagnose nicht therapierbarer Pathologien geht. Die Frage des Umgangs mit der Charakterisierung einer Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft, was Voraussetzung für Test wie Beratung ist, wird nur knapp gestreift.

Eine Debatte ist nötig

Die Position der EKD kulminiert in der Feststellung: „Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung begründen aber auch eine Verpflichtung zur Entscheidung. Diese Verpflichtung mag als Belastung empfunden werden, sie begründet jedoch gerade die besondere Stellung und die besondere Verantwortung der werdenden Eltern gegenüber dem ungeborenen Kind. (…) Seitens der Gesellschaft ist dieser nicht an andere übertragbare Charakter der Entscheidung nicht nur zu respektieren und rechtlich zu garantieren, sondern es ist darüber hinaus den werdenden Eltern zu vermitteln, dass sie allein über die Inanspruchnahme oder die Ablehnung pränataler genetischer Diagnostik entscheiden können“ (27). Bemerkenswert ist, dass die Freiheit zum Nicht-Wissen begründet wird. Es sollen keine negativen Konsequenzen aus der Inanspruchnahme dieser Freiheit erwachsen. Der stark individualethische Zuschnitt zeigt sich deutlich.

Weder die PND allgemein noch die NIPD durch Bluttests sind per se unethisch. Auch hebt möglicher Missbrauch den rechten Gebrauch nicht auf. Insgesamt müssen jedoch weiter begründete Bedenken gegen die nicht genauer spezifizierte Aufnahme von NIPD als Kassenleistung bestehen. Ein Moratorium zur Vergewisserung über das gesamtgesellschaftliche Verständnis von Elternschaft, Abtreibung, Selbstbestimmung, Behinderung und Kindeswohl ist nötig, aber die politische Debatte ist schon sehr weit fortgeschritten. Abschließend deshalb einige Forderungen:

Gegen jede Form inneren und äußeren Drucks bis hin zum Zwang zur Inanspruchnahme von NIPD durch Schwangere bedarf es der Ermutigung zum Verzicht auf pränataldiagnostische Maßnahmen im Sinne eines Rechts auf Nicht-Wissen. Dies gilt insbesondere dann, wenn solches Wissen die Beziehung zum und das Leben des heranwachsenden Kindes gefährdet. Negative Konsequenzen und der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit sind in diesen Fällen unbegründet und unbedingt auszuschließen.

Die Debatte um die PND und die NIPD rückt mit neuem Nachdruck die Frage nach dem sozialen Stellenwert von Menschen mit Behinderung und das gesellschaftliche Verständnis von Behinderung in den Fokus. Behinderung gilt nach wie vor häufig als „Minusvariante des normalen, vollfunktionsfähigen Lebens“ (Lob-Hüdepohl, Andreas) und wird vorrangig mit Leid, Unglück und Mangel assoziiert. Dem Selbstbild Betroffener entspricht dies nicht. Insbesondere sie, etwa Behindertenverbände, sollten in dieser Debatte als aktive Diskursteilnehmer noch stärker gehört werden.

Es muss vor einem zweifachen Automatismus gewarnt werden: zum einen vor einem Automatismus der Inanspruchnahme von NIPD ohne Vorbereitung durch ärztliche und psychosoziale Beratungsgespräche; zum anderen vor einem Automatismus der Abtreibung kranken und behinderten Lebens. Daher sollte NIPD frühestens nach der zwölften Schwangerschaftswoche angeboten und dieser Zeitpunkt im Falle einer Etablierung in der Regelversorgung der GKV festgelegt werden.

Die vorhandenen Beratungsstrukturen, die es überdies zu verknüpfen gilt, müssen ausgebaut und bekannter gemacht werden, um die werdenden Eltern im Vorfeld zu NIPD – aber unbedingt auch danach – in ihrer Entscheidungsautonomie zu stärken. Dies sollte unabhängig vom Ausgang der gegenwärtigen Debatte erfolgen, hängt jedoch auch von den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen ab.

Der Hinweis auf Kostenerstattung nur bei Risikoschwangerschaften reicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus, da ein Großteil der Schwangerschaften als Risikoschwangerschaft ausgewiesen werden kann. Bei einer Aufnahme von NIPD in den Leistungskatalog sollten diese Indikationskriterien daher klarer und mit dem Ziel der Einschränkung der Inanspruchnahme formuliert werden. Ein allzu engmaschiges und generelles nichtinvasives Screening zur Detektion von Behinderung ist zu verhindern.

Zudem sollte auch der Gegenstand nichtinvasiver Bluttests, das heißt, welche genetischen Auffälligkeiten und Eigenschaften des Kindes untersucht werden sollen, genau bestimmt werden, wohl wissend, dass weitere Bluttests auf ihre Markteinführung warten. Es wäre zu überlegen, nur jene Pathologien zu testen, die etwa die Lebensfähigkeit des Kindes einschränken oder therapierbar sind.

Jede Schwangerschaft ist anders und sollte nicht vornehmlich oder gar nur als risikoträchtiger Zustand empfunden oder angesehen werden. Somit steht die NIPD stets auch im Kontext des konkreten Einzelfalls, der sich weder rechtlich noch ethisch immer gänzlich einholen lässt, sowie eines weit umfassenderen Prozesses begonnener Schwanger- und Elternschaft.

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