Auf dem Titel des Buches ist eine Kirchenszene abgebildet. Karikaturist Thomas Plaßmann lässt da einen Priester am Ambo predigen, in den Kirchenbänken aber sitzen die Gläubigen mit Kopfhörern und empfangen die Übersetzung aus der Dolmetscherbox, die neben dem Altarraum steht. Das ist eine lustige Zeichnung, doch beschreibt sie leider nicht, was in diesem so wichtigen und anregenden Buch geschieht. Autor Klaus Mertes ist keineswegs nur der Dolmetscher einer unverständlich gewordenen Kirchensprache. Der bekannte Jesuit, der die Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche bereits 2010 ans Laufen brachte und auch für strukturelle Veränderungen in der Kirche wirbt, hat hier ein ganz anderes Buch vorgelegt. „Glauben neu buchstabieren“ lautet der Untertitel, und dabei geht es eben nicht nur um die korrekte Übertragung eines festgelegten Inhalts in einen irgendwie aktuell verständlichen Jargon, sondern es geht um eine Neuaneignung des Christlichen. Die alten, traditionellen Wörter will Mertes dabei eben gerade nicht aufgeben. Für ihn ist dann Keuschheit nicht einfach „Achtsamkeit“, Geduld nicht einfach „Resilienz“, Demut nicht nur „Bescheidenheit“. Ganz im Gegenteil. Mertes will die überkommenen „Hülsen“ erhalten und ihre „ursprüngliche Bedeutung mit neuen Worten erschließen“. Es ist vielleicht das wichtigste Unterfangen der Kirche heute.
Das Ergebnis ist ein so faszinierendes wie kompaktes Glaubensbuch mit 38 kleinen Kapiteln zu ganz unterschiedlichen, unsystematisch gegriffenen Stichworten wie Erbsünde und Ewigkeit, wie Hoffnung und Jungfrauengeburt, bis hin zu Trinität und Zorn. Der Leser nimmt Teil an einem zeitgenössischen Suchprozess des Glaubens, einer persönlichen Tour durch die Tradition und die Erfahrungswelt eines nachdenklichen Theologen und Pädagogen. Mertes ringt auch um das Wort „Gott“, auf das er aber nicht verzichten könne, ohne das er nicht beten könne. Er hat ein im besten Sinne frommes und ein sprachsensibles Buch vorgelegt, welches ganz wunderbare Überraschungen erzeugt, etwa wenn er C.S. Lewis zitiert, erklärt, warum „ohne Glauben nichts geht“ oder warum „Jesus ans Kreuz genagelt werden musste“. Wenn es solche Prediger gibt, braucht es keine Dolmetscher.