Es ist ausgerechnet der Jesuit Klaus Mertes, der am Anfang des Films den „Verteidiger des Glaubens“ gibt. „Das ganze Leben ist durchtränkt von einer großen Freude daran, dazugehören zu dürfen und in dieser Kultur mitleben zu dürfen.“ Ähnlich hymnisch äußert sich auch die Theologin und Buchautorin Doris Wagner, die mit ihren Büchern auf den Schrecken des geistlichen Missbrauchs aufmerksam gemacht hat und die hier am Anfang des Films ihre Liebe zur Kirche offenbart.
Und schließlich tritt auch Georg Gänswein auf, der vom lebenslangen Geschenk des Glaubens spricht.
Drei Glaubenszeugen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vielleicht ist dieser weite Bogen, den der Filmemacher Christoph Röhl in seinem Kinofilm über Joseph Ratzinger zieht, die große Leistung, die nur ein kirchenferner Regisseur in dieser fast unbefangenen Kraft hat vollbringen können. Wunderbare Landschaften mit Dorfkirchen in der Mitte. Aufnahmen aus großen Kathedralen und kleinen Kapellen, die, beiläufig zwischen die Interviews eingestreut, die Schönheit und Kraft des Christlichen illustrieren sollen – und denen dies auch durchaus gelingt. Röhl inszeniert den großen Fall, für den er zunächst die Höhen von Ideal und Glanz erklimmen muss, um eine Tiefe zu gewinnen, die er für den tragischen Absturz braucht.
Röhls Film „Verteidiger des Glaubens. Das Scheitern eines Papstes“ zeichnet das Leben des deutschen Papstes nach, verschiedene Zeitzeugen treten auf. Vor allem ein langjähriger Vertraute Ratzingers, Wolfgang Beinert, liefert dabei wichtige Mosaiksteine für ein in Ansätzen schlüssiges Bild von Benedikt XVI. Doch vor allem mündet der Film in die Auseinandersetzung mit der Missbrauchskrise der Kirche. Hier zeigt die Dokumentation erschütterndes wie erschreckendes Material über die wohl tiefsten Abgründe der jüngeren Kirchengeschichte. Zeugen kommen – unter Tränen – zu Wort, zeichnen den Verlauf der Krise nach. Die absurdeste wie entlarvendste Szene ist dabei das Bild einer jungen Frau am kalten Büfett. Es ist die Tochter des Gründers der Legionäre Christi, Marcial Maciel, die im Vatikan bei der Feier zum 60. Jahrestag der Priesterweihe ihres Vaters (!) zum Imbiss geladen ist. Das Jubiläum wurde dort im Beisein von Papst Johannes Paul II. gefeiert. Die Abgründe der Bigotterie im Vatikan des 20. Jahrhunderts können es durchaus mit den Verhältnissen der Renaissance aufnehmen, so zeigt es Röhl in filmisch wie dramatisch herausragender Weise.
Doch unklar bleibt, ob Röhl wirklich vor allem einen Film über Benedikt XVI. gedreht hat. Ist die unzweifelhafte Tragik dieses Pontifikats so recht simpel zu reduzieren, dass Benedikt an der „Wahrheit der Kirche“ festhielt und auf Autorität statt auf Transparenz und Demokratie setzte? Die Schlussfolgerungen scheinen dann doch bisweilen zu eingängig. Der Jesuit Godehard Brüntrup wirft dem Filmemacher in den „Stimmen der Zeit“ gar vor, das Schicksal Ratzingers auf dem „Altar seiner Wahrheit“, nämlich der atheistischen Weltsicht Röhls selbst, zu opfern. „Verteidiger des Glaubens“ ist ein wichtiger und durchaus sorgfältiger Film über die Kirche in der Missbrauchskrise. Zur notwendigen Auseinandersetzung mit der Person und Geschichte Joseph Ratzingers liefert er aber wohl erst einen Anfang. Volker Resing