Zu den ältesten und prestigeträchtigsten Ämtern der römischen Kurie gehört das des Camerlengo. Ihm obliegen in Zeiten der Sedisvakanz äußerst ehrenhafte Aufgaben: Er ist es zum Beispiel, der offiziell den Tod des alten Papstes beurkundet, der dessen Arbeitszimmer und Wohnung versiegelt und von den päpstlichen Palästen Besitz ergreift, dem Apostolischen Palast, dem Lateranpalast, Castel Gandolfo. Vor allem aber verwaltet der Camerlengo bis zur Wahl eines neuen Papstes provisorisch die gesamten Besitztümer des Apostolischen Stuhles. Der Posten eines solchen Interimspapstes faszinierte in der Vergangenheit nicht nur Thrillerautoren wie Dan Brown und Robert Harris. Er dürfte auch dem einen oder anderen echten Prälaten durchaus reizvoll erscheinen.
Und so ist es wenig verwunderlich, dass das exklusive K6-Gremium der Kardinäle, das Papst Franziskus in den vergangenen Jahren beim Entwurf der Kurienreform beriet, auch über die künftige Vergabe des Camerlengo-Amtes nachgedacht hat. Bisher ist es so, dass der Papst einen Kardinal seiner Wahl zum Camerlengo ernennt – derzeit ist es der Amerikaner Kevin Joseph Farrell. In dem Entwurf der Kurienreform, der derzeit hinter verschlossenen Türen von kirchlichen Fachleuten in aller Welt geprüft wird, heißt es dagegen im einschlägigen Artikel 216, § 1: „Das Amt des Camerlengo wird übernommen von dem Kardinal, der zum Zeitpunkt des Todes des Römischen Bischofs der Koordinator des Wirtschaftsrates gewesen ist.“ Eine Vorgabe, die praktischerweise einem der Kardinäle des K6-Gremiums unmittelbar zugutekäme, denn der ist gerade Koordinator des Wirtschaftsrates. Würde die Kurienreform morgen in dieser Form in Kraft treten und würde Papst Franziskus übermorgen sterben, wäre der neue Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche ein Deutscher: Kardinal Reinhard Marx.
Es war zur Zeit der bisher letzten Sedisvakanz, genauer gesagt im Vorkonklave des Jahres 2013, als die in Rom versammelten Kardinäle über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der römischen Kurie sprachen. Sich darum zu kümmern, dass die Regierung der Weltkirche effizienter und moderner wird, war gewissermaßen das Wahlversprechen von Papst Franziskus. In nächster Zeit, möglichst noch im Jahr 2019, soll es nun endlich eingelöst werden: Dann soll eine neue Apostolische Konstitution die bisher gültige Kurienverfassung ablösen. Das neue Papier wird „Praedicate Evangelium“ heißen, benannt nach seinem ersten Satz: „Praedicate Evangelium (Verkündet das Evangelium): Das ist die Aufgabe, die der auferstandene Christus seinen Jüngern anvertraut hat.“
Zwei größere Leaks, dann Stille
Nach jahrelangen Beratungen haben Franziskus und die anfangs neun, mittlerweile sechs Mitglieder seines Kardinalsrates (vulgo: K6) im April dieses Jahres ihren Textentwurf fertig gestellt. Der Vatikan schickte ihn an alle nationalen Bischofskonferenzen, die Chefs der Kurienbehörden, die Ordensoberen sowie ausgesuchte weitere kirchliche Einrichtungen mit der Bitte um Stellungnahme. Derzeit ist der K6-Rat mit der Beratung der Änderungswünsche befasst. Die nächste Sitzung dafür soll Anfang Dezember in Rom stattfinden. Sobald dieser Prozess geschafft ist, kann der Papst über die Promulgation von „Praedicate Evangelium“ entscheiden.
Seit zwei größeren Leaks gleich zu Beginn des laufenden Feedback-Prozesses ist allerdings nichts mehr über den bisherigen Inhalt des Konstitutionsentwurfs bekannt geworden. Selbst vielen Bischöfen wurde bis heute kein Einblick gewährt. Die spanische Zeitschrift „Vida Nueva“ hatte im April lediglich Grundzüge der geplanten Reform veröffentlicht. Seitdem weiß man, dass die bisher bestehenden Kurienbehörden umbenannt und teilweise neu zugeschnitten oder mit neuen Kompetenzen ausgestattet werden sollen. Die bisherigen Bezeichnungen „Kongregation“ und „Päpstlicher Rat“ und die damit verbundene Hierarchisierung der Behörden sollen wegfallen, stattdessen sollen alle großen Einrichtungen künftig „Dikasterium“ heißen. Ausgenommen hiervon sind das Staatssekretariat, die Apostolischen Gerichte sowie einzelne Sonderabteilungen wie etwa die Präfektur des Päpstlichen Hauses, die im Entwurf weiterhin so bezeichnet wird, sowie zum Beispiel der bereits erwähnte Wirtschaftsrat von Kardinal Marx, der ebenfalls weiterhin „Rat“ (Consiglio) heißen soll.
Als Leitbehörde ist ein „Dikasterium für die Evangelisierung“ vorgesehen, das als erstes Dikasterium im Konstitutionsentwurf genannt wird. Demgegenüber verliert die einst als „Suprema“, als höchstrangige Kongregation geltende Glaubenskongregation (künftig: „Dikasterium für die Glaubenslehre“) an Bedeutung; sie wird im Entwurf nur noch an zweiter Stelle der Dikasterien genannt. Wie die US-amerikanische Website „National Catholic Register“ in einem zweiten Schritt Ende Mai berichtete, sollen außerdem Laien in der künftigen Vatikanbürokratie mehr Macht bekommen und auch Dikasterien leiten können, wie es im 2018 gegründeten „Dikasterium für Kommunikation“ schon der Fall ist.
Doch wie erst jetzt bekannt wird, soll „Praedicate Evangelium“ in seiner derzeitigen Gestalt neben Änderungen des Organigramms auch eine neue Arbeitsweise und eine neue Personalpolitik im Vatikan sicherstellen. So sollen die Kurienbeamten, die von den verschiedenen Bistümern der Weltkirche in den Vatikan entsandt werden, künftig „mindestens vier Jahre Erfahrung im pastoralen Dienst“ vorzuweisen haben, heißt es im Artikel 14 (von insgesamt 243) des italienischen Konstitutionsentwurfs, der dieser Zeitschrift vorliegt. Außerdem sei es „wünschenswert“, dass die Priester unter den Beamten neben ihrer Kurienarbeit seelsorgerisch tätig werden, „soweit das möglich ist“ (Artikel 6). Den Dikasterien soll es außerdem obliegen, für „eine ständige persönliche Bildung des eigenen Personals“ Sorge zu tragen (Artikel 7).
Vor allem aber wollen die Architekten der Reform dem berüchtigten Informationschaos innerhalb des Vatikans beikommen. Da es kaum standardisierte Instrumente der bereichsübergreifenden Kommunikation in der Kurie gibt, weiß das eine Büro oft nicht, was das andere tut. Das hat teilweise desaströse Folgen wie etwa in der Williamson-Affäre von 2009. Damals kamen entscheidende Informationen über die Holocaustleugnungen des Piusbruder-Bischofs Richard Williamson nie bei Benedikt XVI. an, obwohl sie am päpstlichen Hof durchaus bekannt waren. Um solche Streuverluste künftig zu vermeiden, sieht der derzeitige Reformentwurf regelmäßige Konsultationen der Dikasterien mit dem Papst sowie einen verpflichtenden Austausch untereinander vor; beides gibt es bisher nur sporadisch.
So heißt es in Artikel 25: „Die Leiter der Dikasterien, Büros und Organe oder vertretungsweise die Sekretäre werden in regelmäßigen Abständen persönlich vom Papst empfangen, um häufig und in programmatischer Weise die aktuellen Aktivitäten und Angelegenheiten des Dikasteriums vorzutragen.“ Artikel 29 schreibt eine interdikasterielle Abstimmung vor für „Angelegenheiten, die mehrere Zuständigkeiten beziehungsweise mehrere Dikasterien berühren“. Sollte die Angelegenheit einen häufigeren Austausch notwendig machen, „wird eine geeignete Interdikasterielle Kommission eingerichtet“ (Artikel 29, §5).
Kabinettssitzungen ohne Monarch
Darüber hinaus sieht der Entwurf von „Praedicate Evangelium“ anlassunabhängige, turnusgemäße Besprechungen der Dikasterien vor: „Um eine größere Kohärenz und Transparenz in der Arbeit der Kurie zu fördern, werden auf Anordnung des Papstes die Leiter der Dikasterien, Büros und Organe regelmäßig zusammengerufen, um die Arbeitsvorhaben der einzelnen Dikasterien und ihre Umsetzung zu diskutieren; um die Arbeit aller abzustimmen; um Informationen auszutauschen und Fragen von besonderer Bedeutung zu erörtern, Vorschläge einzubringen und Entscheidungen zu treffen, die man dem Papst vorlegen kann“ (Artikel 34, §1). Dieser Artikel kommt der Idee von regelmäßigen Kabinettssitzungen der Kurie am nächsten, die in der Vergangenheit ein häufig geäußertes Reformanliegen war. Dabei ist bemerkenswert, dass in der derzeitigen Formulierung offensichtlich an Kabinettssitzungen in Abwesenheit des Monarchen gedacht ist. Vielleicht wollten die Reformer lediglich den Terminkalender des Papstes schonen. Vielleicht versprechen sie sich von diesem Format aber auch einen offeneren Meinungsaustausch unter den Behördenchefs, die übrigens auch künftig Präfekten heißen sollen.
Die Einberufung und Organisation dieser Kabinettsitzung soll nach derzeitigem Stand einer neu geschaffenen Abteilung anvertraut werden, die auf diese Weise auf Anhieb zu einer höchst einflussreichen Schaltstelle innerhalb des Vatikans werden dürfte: Schon in den einleitenden „Kriterien und Prinzipien für die Römische Kurie“ wird die Einrichtung eines „Ufficio“ (Büro) im Range einer „Segreteria Papale“ (Päpstliches Sekretariat) festgehalten „zu dem Zweck, die verschiedenen Organe zu koordinieren“. Pikanterweise wird dieses Päpstliche Sekretariat den Planungen zufolge ausgerechnet derjenigen Behörde zugeschlagen, die Kritikern zufolge schon jetzt eher zu viel als zu wenig Einfluss besitzt: dem Staatssekretariat.
Tatsächlich war es in den vergangenen Jahren eine weitere häufig vorgebrachte Reformidee gewesen, das Staatssekretariat, die mächtigste aller Kurienbehörden, eine Mischung aus päpstlicher Staatskanzlei und Außenministerium, drastisch zu verschlanken beziehungsweise seine Aufgaben auf mehrere Behörden zu verteilen. Einst, in Renaissancezeiten, gegründet als Schreibwerkstatt für diplomatische Korrespondenz und Höflichkeitsadressen, hatte Paul VI. das Staatssekretariat in den 1960er-Jahren zum zentralen Verwaltungsinstrument seiner Regierungszeit erhoben. Johannes Paul II. schrieb diese Funktion in seiner Kurienverfassung „Pastor Bonus“ 1988 fest. Seitdem ist die Behörde nochmals von zwei auf drei Sektionen gewachsen und managt unter der Führung des Kardinalstaatssekretärs letztlich alles, was der Papst tut, sagt und entscheidet, nicht selten in Kompetenzkonflikten mit anderen Dikasterien. Kritiker warnen deshalb immer wieder vor einer sich verselbständigenden Kurie in der Kurie, ein Verdacht, der durch die robuste Amtsführung des Kardinalsstaatsekretärs Tarcisio Bertone unter Benedikt XVI. nicht unbedingt entkräftet wurde.
Der Entwurf von „Praedicate Evangelium“ tastet die überragende Stellung des Staatssekretariats allerdings nicht an. Es wird, wie schon in „Pastor Bonus“, noch vor dem Dikasterium für die Evangelisierung und allen übrigen Dikasterien, als Behörde sui generis beschrieben. Seine mittlerweile drei Sektionen (Allgemeine Angelegenheiten; Beziehungen mit den Staaten und Internationalen Organisationen; Personalabteilung für den Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls) werden ausdrücklich bestätigt, Beschneidungen seiner Kompetenzen sind nicht zu erkennen, eher im Gegenteil, wie das Beispiel der Segreteria Papale zeigt. Der einführende Artikel, der die Bedeutung des Staatssekretariats kurz zusammenfast, konnte denn auch unverändert aus „Pastor Bonus“ übernommen werden, er trägt mittlerweile nur die Nummer 44 statt 39: „Das Staatssekretariat hilft dem Papst unmittelbar bei der Ausübung seines höchsten Amtes.“
Es ist nicht der einzige Passus, der wörtlich oder sehr ähnlich aus früheren päpstlichen Gesetzen übernommen wurde. Jüngere Rechtsfragen wie die Möglichkeit eines Papstrücktrittes oder die Figur eines Papa emeritus bleiben unerwähnt. Auch das K6-Gremium selbst kommt im Text nicht vor. Der ganze Aufbau von „Praedicate Evangelium“ folgt dem Vorbild von „Pastor Bonus“: Einem Kapitel zu „Allgemeinen Normen“ folgen die Kapitel „Staatssekretariat“, „Dikasterien“ (früher eben: „Kongregationen“) sowie die Kapitel über die Gerichtsbarkeit und schließlich über weitere Einrichtungen und Büros des Heiligen Stuhls. Dieser Aufbau wird lediglich erweitert durch zwei vorgeschaltete Einleitungskapitel, „Prolog“ (Kapitel I) und „Kriterien und Prinzipien für die Römische Kurie“ (II) genannt, in denen gewissermaßen die Moral von der Geschichte der Kurienreform erklärt wird: Dezentralisierung, mehr Einfluss für die Laien, Dienstcharakter der Behörden, bessere Binnenkommunikation.
Wie so oft im Franziskus-Pontifikat stehen große Änderungen des Stils dabei sparsamen bis verrätselten Detailänderungen in der Sache gegenüber. So soll etwa die Glaubenskongregation zumindest auf dem Papier eine folgenschwere Akzentverschiebung erleben. Sie findet sich in dem Artikel, der in „Pastor Bonus“ die Nummer 49 trug und nun als Artikel 68 geführt wird. Der Text spricht wie bisher von der Förderung der Glaubenslehre und der theologischen Forschung, die dem Dikasterium aufgetragen sei. Allerdings hat er nun einen zweiten Paragraphen erhalten: „Es (das Dikasterium für die Glaubenslehre) verbindet die Treue zur Lehre der Tradition auch mit dem Mut, neue Antworten auf neue Fragen zu finden“ (Artikel 68, §2) Es klingt wie eine Modernisierungsklausel. Bei Lichte betrachtet ist der Satz aber letztlich eine Selbstverständlichkeit, aus der sich noch keinerlei rechtlich bindenden Konsequenzen ziehen lassen. Das bliebe einem Folgedokument, einer konkreten Geschäftsordnung der Kurie („Regolamento“) vorbehalten, die ohnehin nach der Promulgation von „Praedicate Evangelium“ zu entwerfen sein wird.
Die Kurie soll im Dienst des Papstes und der Bischöfe stehen
Ähnliches gilt für die gesamte ideelle Grundausrichtung von „Praedicate Evangelium“. Als Ausgangspunkt der Reform will das Papier die Existenz der Römischen Kurie gänzlich neu begründen: Die Kurie soll nicht mehr als Behörde des Papstes verstanden werden (was sie historisch betrachtet zweifellos ist), sondern als Helferin für den Papst und für das globale Bischofskollegium gleichzeitig.
Einmal ist von „einer Art Plattform und Kommunikationsforum“ die Rede, von der die Partikularkirchen und der Heilige Stuhl gleichermaßen profitieren sollen. „Die Kurie ist nicht zwischen dem Papst und dem Bischofskollegium angesiedelt, sondern steht im Dienst beider“, fasst der Prolog zusammen. Das schulde die Kurie „den Nachfolgern der Apostel“, heißt es ein Kapitel weiter, im Sinne der „heilsamen Dezentralisierung“, des vielzitierten Leitmotivs von Papst Franziskus aus seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ von 2013. Mehr noch: Die Autorität, aus der heraus eine Kurienbehörde handelt, wird von Papst und Bischöfen gleichzeitig abgeleitet: „Jedes Dikasterium versieht seinen Dienst kraft der Amtsgewalt (potestà), die es vom Papst und vom Kollegium der Bischöfe erhalten hat, die gemäß der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils die Kirche gemeinsam mit dem Nachfolger Petri leiten (cfr LG 22,2).“
Nur: Wie genau sich dieser neue Charakter der Kurie in der Praxis äußern oder was er für ihre Kompetenzen bedeuten wird, lässt sich in kaum einer konkreten Bestimmung erkennen. Am ehesten für die Ad-limina-Besuche, also die regelmäßigen Aufenthalte der nationalen Bischofskonferenzen in Rom, wird der Ansatz näher ausgeführt (Artikel 38 bis 42). Die Ad-limina-Besuche werden als Gelegenheiten des Austauschs beschrieben, bei denen die Zentrale erfährt, was in der Peripherie geschieht, und die Peripherie bei Problemen vom Know-How der Zentrale profitiert. Diesen Gedanken gab es zwar auch schon in „Pastor Bonus“, er wurde nun aber erweitert: Die Dikasterien „können“ künftig – „auf dem Weg des offenen und herzlichen Dialogs“ – die Teilkirchen und Bischofskonferenzen „beraten“, „ermutigen“, ihnen „Vorschläge und angemessene Hinweise geben“ sowie umgekehrt von ihnen „Vorschläge und Hinweise entgegennehmen darüber, wie sie einen immer nützlicheren Dienst anbieten können“ (Artikel 42).
Auch in der Beschreibung des geplanten neuen Dikasteriums für die Evangelisierung, in dem der bisherige Rat für die Neuevangelisierung und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker aufgehen sollen, wird die Vision von der Kurie als „Informationsplattform“ nachvollziehbar. Dort heißt es, sie solle „die bedeutsamsten Erfahrungen auf dem Feld der bereits stattfindenden Evangelisierung“ bekannt machen und unterstützen, also Best-practice-Beispiele aus aller Welt sammeln und verbreiten.
Ambitionierte Präambelprosa
Ansonsten aber ist selten zu erkennen, wie die Kurie, neben ihrer grundsätzlichen zentralen Bedeutung für die Abläufe der Weltkirche, künftig zu einer Dienstleisterin nicht nur des Papstes, sondern auch der Bischöfe und Bischofskonferenzen werden soll. Entsprechend erscheint zu Beginn der „Kriterien und Prinzipien für die Römische Kurie“ die Kurie doch auch wieder als reines Papstinstrument, wenn das Dekret „Christus Dominus“ des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1965 zitiert wird: „Bei der Ausübung der höchsten, vollen und unmittelbaren Gewalt über die Gesamtkirche bedient sich der Papst der Behörden der römischen Kurie. Diese versehen folglich ihr Amt in seinem Namen und mit seiner Vollmacht zum Wohle der Kirchen und als Dienst, den sie den geweihten Hirten leisten.“
Dass zwischen ambitionierter Präambelprosa und nüchterner Realität bisweilen eine Lücke klafft, wird bezeichnenderweise schon jetzt deutlich, auf der Zielgerade von „Praedicate Evangelium“. Die Überarbeitung des derzeit vorliegenden Entwurfes sollte ja selbst schon eine erste Kostprobe jenes synodalen Geistes sein, den die Autoren des Entwurfs mehrfach beschwören. Deshalb konnten alle diejenigen Institutionen, denen der Papst den Entwurf im April 2019 hat schicken lassen, allen voran die nationalen Bischofskonferenzen, ihre Änderungswünsche einreichen. Über den Rücklauf berät derzeit der K6-Kardinalsrat.
Dieses Element der Teilhabe kam freilich ausgerechnet in der sonst so synodal aufgelegten deutschen Bischofskonferenz offenbar nicht zur vollen Entfaltung. Zwar hat die Bischofskonferenz ihre Anmerkungen zum Reformpapier fristgerecht in Rom eingereicht, sogar als erste von allen nationalen Bischofskonferenzen, was der Vatikan im Sommer eigens hervorhob. Zuvor sei das Dokument außerdem „im Ständigen Rat Ende Juni diskutiert“ worden, wie der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, mitteilt. Dagegen ist allerdings aus mehreren deutschen Ordinariaten zu hören, dass den deutschen Bischöfen der Entwurf von „Praedicate Evangelium“ gar nicht zur Kenntnis gebracht worden sei und ihnen bis heute nicht vorliege – synodale Kirche hin oder her.
Vielleicht sollte die Sache mit dem Camerlengo ja eine Überraschung werden.