Pfarrermangel – oder doch nicht?Nachwuchs gesucht

Bei den Protestanten gehen die geburtenstarken Jahrgänge der Pfarrer in den Ruhestand. Die Landeskirchen werben deswegen verstärkt um Nachwuchs.

Nachwuchs gesucht - Pfarrermangel
© KNA / Harald Oppitz

Als vor einigen Jahren die ersten Zahlen kursierten, war das Entsetzen in der Evangelischen Kirche groß. „Deutschlands Protestanten bereiten sich auf einen Pfarrermangel vor“, lauteten die Schlagzeilen der Zeitungen. Denn weil im nächsten Jahrzehnt die sogenannten „geburtenstarken Jahrgänge“ in den Ruhestand treten werden, wird es in manchen Landeskirchen eng. So rechnet die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Norddeutschland (Nordkirche) damit, dass von ihren derzeit 1.600 Pastorinnen und Pastoren bis zum Jahr 2030 rund 900 in den Ruhestand treten werden. In derselben Zeit werden nur etwa 300 junge Nachwuchstheologen ihr Studium beenden, sagt Pressesprecher Stefan Döbler.

Solche Zahlen gibt es im Prinzip aus allen Landeskirchen – auch wenn sie nicht überall so drastisch klingen wie im hohen Norden. „Bis zum Jahr 2034 gehen rund 930 Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand“, sagt etwa der für Ausbildung zuständige Vizepräsident der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius. Gleichzeitig wolle die Kirche von 1.647 Pfarrstellen rund 1.000 Stellen abbauen – aus Kostengründen. Denn sinkende Mitgliederzahlen bedeuten auch, dass sich die Kirche nicht mehr alle Pfarrstellen leisten kann, die sie heute noch unterhält. Um diese 1.000 Stellen zu besetzen, würden pro Jahr rund 50 neue Pfarrer benötigt. Neu eingestellt allerdings werden pro Jahr seit 2013 im Schnitt nur 43 – Studienabsolventen ebenso wie Geistliche, die die Landeskirche wechseln oder die aus einem anderen Beruf zurück ins Pfarramt kommen. Und in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) rechnet die für die Personalangelegenheiten der Pfarrerinnen und Pfarrer zuständige Oberkonsistorialrätin Katharina Furian bis zum Jahr 2030 mit insgesamt 375 Geistlichen, die in den Ruhestand treten werden. Dagegen kommen pro Jahr rund 18 junge Pfarrerinnen und Pfarrer neu in den Dienst. Zusätzlich übernimmt die EKBO im Durchschnitt zehn Theologen pro Jahr aus anderen Landeskirchen – ginge das so weiter, könnte man bis 2030 rund 300 Stellen neu besetzen.

Quereinsteiger willkommen

Vom „Pfarrermangel“ will Furian allerdings dann doch nicht sprechen. „Es fehlen natürlich einige Pfarrer, was sich gerade in ländlichen Regionen bemerkbar macht, aber das sind kaum mehr als 10 Personen.“ Zumal die Landeskirchen in die Offensive gegangen sind: Mit den unterschiedlichsten Modellen werben die Gliedkirchen der EKD um Nachwuchs für den Pfarrberuf. So hat die Nordkirche die Kapazitäten für das Vikariat erhöht: Jeder, der ein Theologiestudium erfolgreich abgeschlossen hat und in das Pfarramt möchte, soll dazu auch eine Chance haben. Jährlich haben nach Angaben von Döbler bis zu 40 Theologinnen und Theologen die Möglichkeit, die Ausbildung am Prediger- und Studienseminar der Nordkirche in Ratzeburg und in der kirchengemeindlichen Praxis zu beginnen. „Konkret rechnen wir im Moment damit, dass etwa 30 Vikarinnen und Vikare pro Jahr die Ausbildung erfolgreich abschließen, das Predigerseminar verlassen und in den Dienst genommen werden können“, sagt Döbler. Seit 2016 gebe es in der Nordkirche zudem ein „Vikariat im Ehrenamt“, um Theologen, die schon in einer anderen Tätigkeit berufstätig sind, die Ausbildung zu ermöglichen.

Und auch klassische Quereinsteiger nehmen die Landeskirchen in den Blick. „Die Kirchenkonferenz der EKD hat im Dezember 2018 beschlossen, einen Masterstudiengang einzuführen“, sagt der rheinische Vizepräsident Pistorius. Mit dem „Master of Theological Studies“ sollen Menschen erreicht werden, „die vorher etwas anderes studiert haben, einige Jahre Berufserfahrung haben und sich nun aufs Pfarramt vorbereiten möchten.“ An der kirchlichen Hochschule in Wuppertal/Bethel beispielsweise soll der Studiengang im Wintersemester 2020/2021 starten.

Auch andere Berufsbilder spielten in der Rheinischen Kirche eine Rolle: „Um das Risiko der Überlastung in den Griff zu bekommen, ist es wichtig, dass man auch einmal hinschaut, was ist für den Pfarrer eigentlich machbar“, sagt Pistorius. „Das führt auch zur Schaffung neuer Berufsbilder: Wir haben mehrere Gemeinden, in denen man sogenannte Gemeindemanager erprobt und die damit gute Erfahrungen machen.“

Steigendes Interesse

Daneben werben aber alle Landeskirchen gezielt um Schülerinnen und Schüler, die ein Theologiestudium aufnehmen sollen. „Seit wir und andere Landeskirchen planbar und belastbar Pfarrstellenpläne entwickeln, wächst auch die Bereitschaft junger Menschen, mit dem Ziel des Pfarrdienstes Theologie zu studieren“, sagt Pistorius. „Wir merken schon ein deutlich steigendes Interesse am Theologiestudium mit dem Ziel Pfarramt.“ Dazu wirbt die Landeskirche gezielt in ihren Schulen um Studieninteressierte. Darüberhinaus gebe es Oberstufentagungen, bei denen Schüler aller Schulen eingeladen werden, sich zwei Tage lang mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Studium der Theologie etwas für sie wäre. In allen Kirchenkreisen gebe es besonders benannte Multiplikatoren, die interessierte junge Menschen gezielt ansprechen können.

Ähnlich ist es in der EKBO. „Wir werben in Schulen, Berufsmessen, in den Abi-Berufsinformationsmappen, in Jungen Gemeinden“, sagt Furian. Und es gebe diverse Initiativen, um den Pfarrberuf attraktiver zu machen. „Für angehende Pfarrerinnen und Pfarrer mit Kindern ist ein familienfreundlicher, flexibler Predigerseminarskurs eingerichtet worden, der es ermöglicht, Beruf und Familie besser zu vereinbaren“, sagt Furian. Eine besondere Frauenförderung für das mittlere Leitungsamt sei angelaufen. „Die Möglichkeiten der Teilung von Stellen für nicht miteinander verheiratete Personen wird erleichtert, dadurch werden Team-Pfarrämter gerade für Berufseinsteiger ermöglicht, wonach es immer wieder Anfragen gibt“, sagt die Personaldezernentin. „Aber auch die Möglichkeit, stärker in einem multiprofessionellen Team aus Kirchenmusikern, Gemeindepädagogik, Verwaltung und Pfarrerin zu arbeiten, ist in unterschiedlichen Arbeitsgruppen Thema.“

Das vermehrte Werben um Studienanfänger scheint bei jungen Leuten jedenfalls anzukommen. In der Nordkirche wurden 2018 ganze 60 Studierende neu auf die Liste der Theologiestudierenden der Landeskirche genommen – so viele, wie seit 2012 nicht mehr. Und auch der rheinische Vizepräsident Pistorius kommt am Ende zu einem positiven Fazit:„Mit dem Bündel an Maßnahmen, das wir ergriffen haben, ist mir persönlich nicht bange um die Zukunft.“

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