Vergangenes Jahr verwies die britische „Human Fertilisation & Embryology Authority“ (HEFA), die im Auftrag der englischen Regierung die Tätigkeit der Kinderwunsch-Kliniken Großbritanniens begleitet und dokumentiert, auf eine Warnung des „Royal College of Obstetricians & Gynaecologists“: Im Kontext von Social Egg Freezing – dem Einfrieren der eigenen Eizellen zur Verlängerung der Phase der Familiengründung – stellt sich offensichtlich heraus, dass viele Frauen und Paare wenig über die realistischen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin wissen und infolgedessen überzogene Erwartungen hegen, insbesondere was die Schwangerschafts- und Geburtenrate spätestens ab dem 37. Lebensjahr betrifft. Ausgewogene und genaue Informationen über die tatsächlichen Chancen der medizinisch assistierten Fortpflanzung seien daher extrem wichtig, fordern führende Reproduktionsmediziner und -medizinerinnen Großbritanniens.
Nun wird in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ vom Juni 2019 die Einführung der Eizellspende für Deutschland empfohlen („Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“). Dabei handelt es sich um die „Spende“ einer Eizelle von einer Frau für eine andere, die mit den Samenzellen des eigenen Partners (autolog) oder mit einem Spendersamen (heterolog) bei einer In-vitro-Fertilisation (IVF) befruchtet wird. Über das Internet ist es mittlerweile problemlos möglich, sich die Eizellspende im Ausland zu organisieren, auch wenn sie nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland bislang verboten ist.
In der Stellungnahme der Leopoldina gehen ihre Verfasserinnen und Verfasser davon aus, dass bei etwa 1000 bis 3000 Patientinnen pro Jahr ein Interesse an einer Eizellspende aufgrund medizinischer Indikation vor Erreichen der Wechseljahre bestehen könnte, verweisen aber indirekt sofort auf ein weiteres Anwendungsfeld, das nicht ausschließlich medizinischer Natur ist: Die Geburtenrate lässt sich durch eine Eizellspende mithilfe der Eizelle einer anderen und möglichst jungen Frau erheblich steigern, laut dem Dokument der Leopoldina von 32 auf 57 Prozent pro Behandlung.
Die medizinischen Risiken für die „Eizellempfängerin“ sowie das Risiko für Frühgeburtlichkeit und Mehrlingsschwangerschaften sind im Vergleich zu einer „normalen“ künstlichen Befruchtung laut Darstellung der Leopoldina um den Faktor 2 erhöht. Für die „Eizellspenderin“ wird als Risiko vor allem das „ovarielle Überstimulationssyndrom“ genannt, wobei zu bedenken ist, dass valide Langzeitstudien über Spätfolgen noch rar sind.
Am gewichtigsten ist wohl die Frage nach den Folgen einer Eizellspende für das Kind selbst. Hier hat sich in etlichen empirischen Studien herausgestellt, dass Kinder – unter Voraussetzung einer offenen Kommunikation und kindgerechten frühzeitigen Aufklärung – offensichtlich mit den Umständen ihrer Herkunft lernen können umzugehen und in ihrer psychischen Entwicklung durch die Eizellspende dem bisherigen Kenntnisstand zufolge wohl weniger beeinträchtigt sind, als man angesichts einer sogenannten „gespaltenen Mutterschaft“ befürchtet hatte. Die Leopoldina kommt nach Abwägung der Risiken für alle Beteiligten daher zur Empfehlung, die Eizellspende in Deutschland analog zur Samenspende gesetzlich zu legalisieren und zu regulieren: Angemessene Aufklärung über die Risiken des Eingriffs sowie Begrenzungen bezüglich Alter, Anzahl der pro Spenderin gezeugten Eizellen samt der limitierten Dauer ihrer Kryokonservierung, ein Kommerzialisierungsverbot sowie die Forderung nach einer unabhängigen psychosozialen Beratung und der Verweis auf das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sollen ebenso Bestandteil eines erneuerten Fortpflanzungsmedizingesetzes für Deutschland werden wie die Einrichtung eines Eizellspenderegisters.
In Österreich erlaubt
Eines der stärksten Argumente für die Erlaubnis der Eizellspende liegt in den Augen der Befürworter und Befürworterinnen der Legalisierung der Eizellspende im Verbot der Geschlechterdiskriminierung: Nachdem die Samenspende erlaubt sei, müsse bei der Eizellspende nachgezogen werden. Dieses Argument war auch bei der Einführung der Eizellspende im Nachbarland Österreich ausschlaggebend, als man dort – unter anderem unter Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter Verweis auf Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) – bereits 2015 eine Novellierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen unternahm. Eizellspende ist seitdem in Österreich legal und darf auch von lesbischen Paaren praktiziert werden.
Insgesamt (ohne Nennung der sexuellen Orientierung) dokumentiert der österreichische IVF-Jahresbericht von 2018 bei Eizellspenden 33 Vollversuche und 29 Kryoversuche mit eingefrorenen Eizellen in privaten Zentren, wobei sich die Nachfrage seit 2015 nicht erhöht hat, sondern im Gegenteil sogar zurückgegangen ist.
Reproduktionsmediziner und -medizinerinnen klagen über das in Österreich herrschende Kommerzialisierungsverbot, das nur eine Aufwandsentschädigung vorsieht und Frauen in Nachbarländern offenbar nicht genügend Anreiz bietet, sich als Eizellspenderin zur Verfügung zu stellen. Eine psychosoziale Pflichtberatung existiert in Österreich nicht, wohl aber haben die Ärzte laut Fortpflanzungsmedizingesetz eine unabhängige Beratung vorzuschlagen.
Die Beratungspraxis zeugt von erheblichen Unsicherheiten sowohl bei hetero- als auch homosexuellen Paaren, mit einem Kind umzugehen, das aufgrund der Eizellspende schon rein optisch nicht den Phantasien und Vorstellungen entspricht, die sich Paare von ihrem Wunschkind normalerweise machen. Angst vor ambivalenten bis ablehnenden Gefühlen gegenüber dem Kind und Phantasien über das „Eindringen“ einer dritten Person in die Partnerschaft belasten nicht nur die Schwangerschaft, sondern oft auch die erste Zeit nach der Geburt (vgl. K. Tordy und J. Riegler, Psychologische Aspekte der Eizellspende, in: Der Gynäkologe 47 [2014], 251–257).
Die Aussicht, unter Umständen eines Tages mit der genetischen Mutter des eigenen Kindes konfrontiert zu sein, erweist sich im herkömmlichen westlichen Familienkonzept einer klar abgegrenzten Kernfamilie als deutliche Barriere sozialer Akzeptanz. Allerdings spricht diese Erfahrung aus Österreich nicht unbedingt gegen die Eizellspende per se, sondern vor allem für einen deutlich erhöhten Aufklärungs- und Beratungsbedarf, so dass die Empfehlung der Leopoldina nach einer Pflichtberatung in Deutschland uneingeschränkt zu unterstützen ist.
Fortpflanzungsfreiheit: Vom Abwehrrecht zum Anspruchsrecht
Wie Andreas Bernard in seinem Buch „Kinder machen“ (2014) es treffend beschreibt, ist die Eizellspende das jüngste Kind der Reproduktionsmedizin und im Hinblick auf gesteigerte Schwangerschafts- und Baby-Take-Home-Raten ein medizinisch und ökonomisch erfolgversprechendes. Auch wenn die Stellungnahme der Leopoldina eine nüchterne Güterabwägung vorzunehmen bemüht ist, was angesichts der im Kontext von Eizellspende und Social Egg Freezing häufig anzutreffenden „Jubelpresse“ ausdrücklich gewürdigt werden muss, so stellt sich bei der Lektüre doch der Gesamteindruck ein, dass alle bislang erhobenen Argumente gegen Eizellspende erfolgreich entkräftet und Reproduktion in erster Linie eine Frage der Wunscherfüllung und der Fortpflanzungsfreiheit sei.
Beide Begriffe sind deutlich die leitenden Prinzipien der gesamten Stellungnahme und sollen nun offensichtlich die bislang in Deutschland geltende normative Rahmung des Embryonenschutzes ersetzen – ein Gedanke, der das Dokument auch sprachlich prägt. Von Embryonenschutz ist in der Stellungnahme der Leopoldina nur noch wenig die Rede. Es wird explizit und auch zu Recht darauf hingewiesen, dass über den Status des Embryos in einer wertepluralistischen Gesellschaft keine Einigkeit mehr zu erzielen sei. Praxis- und Folgengesichtspunkte, die mit einer gradualistischen Lebensschutzkonzeption vereinbar sind, haben ein deontologisches Argumentationsmodell, wie es die katholische Amtskirche in ihren Stellungnahmen vertritt, abgelöst. Alternativmodelle wie das „Zwei-in-Einer-Modell“, das Frau und Embryo nicht als zwei konkurrierende Entitäten begreift, sondern die Relation zwischen beiden betont und daher offener für gradualistische und prozessorientierte Überlegungen wären, werden aktuell in der theologischen Ethik leider nicht einmal mehr diskutiert. Hier stünde nämlich unweigerlich die heikle Frage der (reproduktiven) Entscheidungsautonomie von Frauen auf der Agenda und damit ein weiterer Marker katholischer Identität: der Schutz des ungeborenen Lebens und seine verantwortliche Weitergabe.
Doch zurück zur Eizellspende und zur Stellungnahme der Leopoldina mit ihrer dominanten Zielperspektive gesteigerter „Fortpflanzungsfreiheit für alle“, welche ethische Grenzziehungen schwierig macht: Mit welchem Recht wird hier beispielsweise nach wie vor die Leihmutterschaft abgelehnt, wenn sich herausstellen sollte, dass empirische Studien keine Nachteile für die physische und psychische Entwicklung dieser Kinder belegen und die medizinischen Risiken und juridischen Unklarheiten für alle Beteiligten geregelt werden können, wie es in manchen Ländern dieser Welt, beispielsweise im Iran, der Fall ist, wo nicht nur Eizellspende, sondern auch Leihmutterschaft durchaus sozial akzeptiert sind? Mit welchem Recht werden alleinstehende Menschen an der praktischen Umsetzung ihrer Fortpflanzungsfreiheit gehindert, wenn sie ein entsprechendes soziales Umfeld vorweisen können?
Fortpflanzungsfreiheit ist an und für sich ein klassisches Abwehrrecht des Individuums gegenüber dem Staat. Angesichts der sozialen Wirkung derartiger Stellungnahmen beziehungsweise einer Liberalisierung der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland kann man sich allerdings bereits jetzt darauf einstellen, dass dieses Abwehrrecht zumindest in den Augen der Öffentlichkeit und unter der Hand zu einem positiven Anspruchsrecht werden wird (oder bereits längst geworden ist?), auch wenn weder die Leopoldina noch der Gesetzgeber das so beabsichtigen. Wenn Infertilität bzw. Subfertilität (eingeschränkte Zeugungs- beziehungsweise Empfängnisfähigkeit) wirklich als Krankheit oder Behinderung der Fortpflanzungsfreiheit gelten sollen, muss der Staat allen gleichermaßen eine Therapie und Barrierefreiheit ermöglichen, sofern das Kindeswohl gewährleistet ist. Die Liberalisierung wird also voranschreiten und eine Entscheidung bezüglich der Methode zunehmend den Einzelnen überlassen.
Ist angesichts dieser Entwicklung der Untergang des christlichen Abendlandes zu befürchten, wie man seitens konservativer Vertreter, auch der Amtskirche, immer wieder hört? Mit einiger Gelassenheit kann hier mit „Nein“ geantwortet werden. Es ist dringend zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Befürchtungen bezüglich der „gespaltenen Elternschaft“ zumindest bei Samen- und Eizellspende nicht empirisch zu bestätigen scheinen. Einschlägige Studien sprechen hier eine deutliche Sprache (vgl. Petra Thorn, Psychosoziale Kinderwunschberatung im Rahmen der Samen- und Eizellspende, in: Peter Barth und Martina Erlebach (Hg.), Handbuch des neuen Fortpflanzungsmedizinrechts, Wien 2015; Susan Golombok, Modern Families, Cambridge 2015).
Auch die Kirche hat die Verpflichtung, Kinder aus solchen Partnerschaften ebenso wenig zu diskriminieren wie ihre homosexuellen Eltern. Doch muss seitens der theologischen Ethik darauf hingewiesen werden, dass Fortpflanzungsfreiheit bei der Familiengründung nicht die einzige und auch nicht die einzig dominante Perspektive sein kann und sollte: Niemand hat ein Recht auf ein Kind und schon gar kein Recht auf ein gesundes Kind. Die hinter dieser Forderung stehende Anspruchslogik ist dringend mit Blick auf die Realität zu korrigieren: Kinder sind immer noch und nach wie vor ein Geschenk, das weder optimierbares Produkt noch Ware ist. Mit dieser Feststellung muss nicht notwendigerweise die Forderung nach einem Totalverzicht auf Reproduktionstechnologien einhergehen, aber doch eine Relativierung des Mantras der Fortpflanzungsfreiheit. Gerade vor einem christlichen Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht seitens der theologischen Ethik noch ganz andere Gesichtspunkte als Fortpflanzungsfreiheit in die Debatte einzubringen wären.
Reproduktionsarbeit bezahlen?
Wie bei vielen anderen brisanten ethischen Themen ist ausschlaggebend, von welcher Grundposition heraus man sich aufmacht, eine Entscheidung zu treffen. Vergleicht man die Eizellspende mit der Leihmutterschaft bezüglich der Gewichtigkeit des medizinischen Eingriffs (vgl. Martin Bujard und Petra Thorn, Leihmutterschaft und Eizellspende. Schwierige Abwägung zwischen Fortpflanzungsfreiheit und Ausbeutungsgefahr, in: Der Gynäkologe 51 [2018], 639–646), erscheint sie als relativ harmlose Methode. Betrachtet man sie im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit, kommt man unter Umständen zu einer völlig anderen Beurteilung: Sigrid Graumann, Mitglied des Deutschen Ethikrats, spricht sich im Hinblick auf die längst stattfindende Ausbeutung junger Frauen als „Lieferantinnen“ von Eizellen vor allem in Süd- und Osteuropa für ein Verbot der Eizellspende aus (vgl. Eizellspende – Beitrag zur Selbstbestimmung oder Ausbeutung von Frauen? in: Christiane Woopen (Hg.), Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Entwicklungen, Fragen, Kontroversen, Bonn 2016, 62–73).
Die europarechtlichen Vorgaben bezüglich eines Kommerzialisierungsverbots sind dort längst schon unterlaufen worden, denn Eizellen sind ein begehrtes Gut und die wirtschaftliche Lage gerade von jungen Frauen angesichts der hohen Arbeitslosigkeit besonders schlecht. Wieso sollte man, der Logik von Angebot und Nachfrage folgend, junge Frauen nicht mittels ihres Körpers an der Eizellspende angemessen verdienen lassen, auch wenn man sich dann von der Vorstellung von der uneigennützigen Spenderin verabschieden muss und besser von der „gerechten Bezahlung für eine Transferleistung im Rahmen monatlicher Reproduktionsarbeit“ sprechen sollte? Erst dann wäre die Fortpflanzungsfreiheit der einen – wenn auch in immer noch eingeschränktem Maße – die Fortpflanzungsfreiheit der anderen und wir wären angelangt beim freien Markt von Angebot und Nachfrage, wo Fortpflanzungsfreiheit von den einen „gekauft“ und von anderen „verkauft“ wird. Wollen wir das wirklich?
Auch in England und Österreich war einmal nur von „Aufwandsentschädigung“ die Rede, doch mittlerweile werden höhere Summen für Eizellen angeboten beziehungsweise Eizellspenderinnen zu wissenschaftlichen Studien herangezogen. Ob man einen längst entstandenen Markt gesetzlich bis ins Kleinste regeln und diese Regelungen dann wirklich durchsetzen kann? Auch wenn Reproduktionsmedizinerinnen und -medizinern nicht in Bausch und Bogen rein kommerzielle Interessen unterstellt werden sollen, so ergeben sich im Hinblick auf die bereits bestehende Praxis und unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und der Gefahr der Ausbeutung von Frauen massive Bedenken angesichts einer derartig marktorientierten Reproduktionstechnologie und -medizin.
In die Logik des Marktes fügt sich außerdem nahtlos eine Tatsache ein, die im sehenswerten Film „Future Baby“ der Regisseurin Maria Arlamovsky (Österreich 2016) eindrucksvoll dokumentiert wird: Die Ansprüche an die Eizellspenderin für das Wunschkind werden immer größer: Gesundheit, Intelligenz und – relativ neu – zunehmend auch sportliche Fähigkeiten und athletischer Körperbau sind Qualitätsmerkmale, die bei der Auswahl der Eizellspenderin zählen (vgl. Homero Flores u.a., Beauty, Brains or Health: Trends in Ovum recipient Preferences, in: Journal of Women’s Health 23 [2014], 830–833).
Die Entwicklung verläuft hier ähnlich wie bei der Samenspende: In jedem Fall findet ein Auswahlverfahren statt. Nun kann man argumentieren, dass solche Szenarien vielleicht in den USA stattfinden mögen, aber hoffentlich nicht in Deutschland, wo die Zahl der pro Spenderin aus Eizellspenden gezeugten Kinder begrenzt werden und sie darüber hinaus auf Wunsch über die Anzahl der Schwangerschaften und Geburten informiert werden soll. Dem Eindruck einer Eizellbank, bei der Wunscheltern per Mausklick die hübscheste, intelligenteste und freundlichste junge Frau auswählen, wofür dann eine erhebliche Summe Geld bezahlt wird, soll hier eindeutig entgegengewirkt werden.
Eugenische Tendenzen
Doch funktioniert die Reproduktionsmedizin nicht einfach völlig losgelöst in einem luftleeren Raum, der noch dazu vom deutschen Gesetz streng geregelt wird, sondern inmitten einer Gesellschaft, die sicherlich daran Interesse hat, das bestmögliche Kind von der bestmöglichen Frau zu erwerben. Immerhin sei daran erinnert, dass die Pioniere der Reproduktionsmedizin, Robert Edwards und Patrick Steptoe, die IVF keineswegs nur als Therapie für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch verstanden wissen wollten, sondern als einen Beitrag zur Qualitätsverbesserung der Menschheit. Man muss nicht gleich Margaret Atwoods schauerliche Dystopie „Der Report der Magd“ strapazieren, um angesichts solch unverhohlen eugenischer Tendenzen skeptisch und wachsam zu sein – nicht nur im Hinblick auf Frauen und ihren Nachwuchs, sondern vornehmlich im Blick auf eine Gesellschaft insgesamt, die unter wachsendem Leistungsdruck leidet und zunehmend Probleme damit hat, mit suboptimaler Realität und Unzulänglichkeiten aller Art bei Kindern wie Erwachsenen umzugehen.
Was folgt daraus? Die Eizellspende per se ist vielleicht gar nicht das eigentliche Problem, auch wenn ein Blick in die Praxis zeigt, dass abgesehen von medizinischen Problematiken die psychosoziale Dynamik solcherart gegründeter Familien in der Realität durchaus belastet sein kann und dringend gesellschaftliche Solidarität und finanzielle Ressourcen zur Beratung und Begleitung benötigt werden.
Bedenken fundamentaler Art ergeben sich vielmehr aus der Anwendung eines individualistisch verengten Autonomiebegriffs, der den sozialen Kontext und damit die soziale Wirkung solcher Technologien vernachlässigt: Unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen eines neoliberalen Systems ist die Inanspruchnahme der Eizellspende nur folgerichtig. Unter den Vorzeichen Fortpflanzungsfreiheit und Autonomie werden Frauen Eizellspende nicht nur in einer medizinischen Notlage nutzen, sondern um ihre Fruchtbarkeit so lange als möglich nach hinten zu verlängern. Dies tun sie deshalb, weil es derzeit nicht einmal eine Diskussion, geschweige denn sozialpolitische Lösungsansätze gibt, wie Familiengründung und Beruf miteinander vereinbart werden und welchen Beitrag hier auch Männer zu leisten haben.
Frauen, welche die Antwort auf solch ungeklärte Fragen mittels Eizellspende lösen wollen, planen ihr Kind im Hinblick auf die Erfordernisse der Arbeitswelt möglichst spät und mit möglichst optimaler Ausstattung. Mit den Forderungen der Frauenbewegung hat das wenig bis gar nichts zu tun, dafür sehr viel mit den neoliberalen Rahmenbedingungen von Fortpflanzungsentscheidungen. Ein relationales Verständnis von Autonomie, das den Menschen in seinen sozialen Bezügen berücksichtigt, wird davor warnen, die Eizellspende als individuell planbare Glücksgarantie zu betrachten und dem illusionären Versprechen einer absoluten Planbarkeit des eigenen Lebens mittels Fortpflanzungsfreiheit unter anderem das Prinzip der Gerechtigkeit entgegenhalten.
Die hier geäußerten gewichtigen sozialethischen Einwände gegen die Einführung der Eizellspende werden ihre Legalisierung nicht aufhalten, und theologische Ethikerinnen sind angesichts der eigenen patriarchalen Tradition gut beraten, gerade beim Thema „Autonomie von Frauen“ nicht mit dem moralischen Zeigefinger aufzutreten. Wir halten aber angesichts der soeben aufgeführten Einwände – insbesondere der Gerechtigkeits- und der Eugenikproblematik – die Eizellspende jenseits medizinischer Indikation grundsätzlich nicht für eine moralisch legitime Option einer partnerschaftlichen Familienplanung. Vielmehr weisen wir darauf hin, dass Frauen unter den neoliberalen Rahmenbedingungen offensichtlich zunehmend wollen, was sie sollen: zur passenden Zeit den erwünschten Nachwuchs liefern und etwaige Folgeprobleme ganz individuell buchstäblich am eigenen Leib austragen.