Der aus dem Iran stammende Autor dieses Buchs über Gott beziehungsweise über die Vorstellung von ihm ist selber so etwas wie ein religiöser Grenzgänger zwischen dem Islam und dem (evangelikalen) Christentum der USA, und lässt sein Publikum an einem spirituellen Suchprozess teilhaben, der für ihn zu dem Ergebnis führt: „Ich bin, in der Tiefe meines Wesens, Gott in manifestierter Form. Wir alle sind es.“ Sein Buch versteht er als Appell, dem Göttlichen nicht länger menschliche Wünsche und Motive unterzuschieben, sondern eine pantheistischere Sicht Gottes zu entwickeln.
Reza Aslans Reise durch die Religionsgeschichte hat einen Schwerpunkt auf deren frühen Epochen, bei den steinzeitlichen Höhlenmalereien und bei ältesten archäologischen Zeugnissen für Tempel im Alten Orient. Er behandelt dann die Religionen im Zweistromland und Ägypten. Es folgen Kapitel über die Gottesvorstellung im alten Israel und über die Entstehung des Monotheismus im babylonischen Exil, über die christliche Konzeption des Gottmenschen Jesus Christus und die Ausbildung der Trinitätslehre in der Alten Kirche sowie als Gegenpol den Islam mit seiner Bekräftigung des monotheistischen Konzepts. Diese münden in Überlegungen zum islamischen Sufismus.
Er unternimmt gleichzeitig auch den Versuch, das Bewegungsgesetz der Religionsgeschichte zu rekonstruieren: Der Glaube an Gott ist ihm zufolge aus dem Glauben an die Seele entstanden, aus der „auf Erfahrung beruhenden Überzeugung, dass wir (...) verkörperte Seelen sind“. Daraus sei das Konzept einer aktiv eingreifenden göttlichen Gegenwart entstanden; diese habe allmählich individuelle Züge erhalten, und nach vielen Jahren und unter großen Schwierigkeiten sei an die Stelle von tausend individualisierten Gottheiten schließlich die eine göttliche Persönlichkeit getreten.
Fazit: Es lohnt sich durchaus, über Aslans Plädoyer für den Pantheismus als Quintessenz nachzudenken und auch zu streiten. Sein Buch ist durchweg gut und in verständlicher Diktion geschrieben (woran die flüssige und kompetente Übersetzung ihren erheblichen Anteil hat); Spezialfragen sind in den umfangreichen Anmerkungsteil verbannt. Auch wer sein spirituelles Bekenntnis nicht nachvollziehen kann oder will, wird es mit Gewinn in der Sache lesen. Ulrich Ruh