Die Solidargemeinschaft des Staates ermutigt und ermuntert, dass Stärkere für Schwächere eintreten, nicht unbedingt und zwingend aus Wohlwollen oder gar Nächstenliebe, sondern schlicht aus gut verstandenem Eigeninteresse. Am Anfang der Sozialen Marktwirtschaft steht nicht, wie beim adjektivlosen Kapitalismus angelsächsischer Prägung und in der kalten Spur des Adam Smith, der pure Wettbewerb und die Leistung, sondern die schlichte Erkenntnis: Der Mensch ist ein soziales Lebewesen, angewiesen auf mitmenschliche Solidarität, und jede politische und wirtschaftliche Ordnung hat auf diese soziale Personalität des Menschen Rücksicht zu nehmen.
Die angemessene, nicht überbordende Flankierung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs durch Sozialpolitik ist daher die logische Konsequenz aus dieser christlichen Überzeugung. Martin Pätzold und Volker Tolkmitt, beide Professoren an der Hochschule Mittweida, gehen mit Blick auf die Soziale Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts und auf Basis der christlichen Sozialethik der Frage nach, wie es um das Zusammenspiel von Leistung und individuellem Streben nach Wohlstand auf der einen und Umverteilung und sozialem Ausgleich auf der anderen Seite steht. Die Autoren plädieren für eine neue Ausbalancierung zwischen Freiheit und Eigenleistung auf der einen und staatlicher Unterstützung und Umverteilung auf der anderen Seite. Diese ist umso notwendiger angesichts der gewachsenen gefühlten wie tatsächlichen Ungerechtigkeiten in Deutschland, aber auch angesichts eines wachsenden Sozialetats und der bereits hohen Abgabenlast auf Erwerbseinkommen. Das Werk sticht hervor durch das Gesamtpanorama von Entwicklungslinien und Lösungsansätzen, inwieweit persönliche Freiheit, Eigenleistung sowie Wohlstandsmehrung und -wahrung mit der Notwendigkeit sozialpolitischer Maßnahmen zur Minderung von zu hoher Ungleichheit sowie zur Ermöglichung von Chancengerechtigkeit in der Sozialen Marktwirtschaft neu austariert werden können. Dies alles geschieht auf der Grundlage der Prinzipien der katholischen Soziallehre und christlichen Sozialethik, die kundig auf die erörterten gesellschaftlichen Problemfelder angewandt wurden. Peter Schallenberg