Die Evangelisch-methodistische Kirche regelt ihren Umgang mit Homosexualität neuDie Zerreißprobe

Seit Jahren streiten die Methodisten weltweit über den richtigen Umgang mit Homosexuellen. Nun hat eine außerordentliche Generalkonferenz in Saint Louis die traditionalistische Position festgeschrieben. Damit droht die Kirchenspaltung.

Die Generalkonferenz ist das höchste gesetzgebende Gremium der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Sie allein kann für die EmK sprechen und die weltweite Ordnung und Lehre festlegen und ändern. Die Generalkonferenz trifft sich alle vier Jahre zu ihrer Tagung und ist paritätisch besetzt mit derselben Anzahl von Ordinierten und Laien. Die Bischöfinnen und Bischöfe haben in der Generalkonferenz kein Stimm- und Rederecht. Sie begleiten die Generalkonferenz lediglich in Gottesdiensten, Andachten und als Sitzungsleitung. Die Zentralkonferenz Deutschland der EmK kann die weltweit geltende Ordnung in bestimmten Grenzen für den deutschen Teil der EmK anpassen.

Weltweit sind es mehr als 51 Millionen Menschen, die zu den Kirchen methodistischer Tradition oder den mit ihnen verbundenen unierten und vereinigten Kirchen gehören. Zur EmK (Englisch: United Methodist Church) gehören circa 12 Millionen Menschen weltweit. In Deutschland sind es rund 51.000 Kirchenglieder. Zum Kirchenglied wird man in der EmK durch Taufe und das Bekenntnis zu Jesus Christus. Dies geschieht bei Erwachsenen zeitgleich im Taufgottesdienst, bei Säuglingen folgt der Taufe ein öffentliches Bekenntnis zu einem späteren und freiwillig gewählten Zeitpunkt.

Bei der letzten Generalkonferenz 2016 in Portland, Oregon beauftragten die Delegierten den Bischofsrat, die Kirche in der zuletzt heftig umstrittenen Frage der menschlichen Sexualität aus einer Sackgasse zu führen. Der Bischofsrat setzte eine Kommission ein, die aus 32 Menschen (Frauen und Männer; Bischöfe, Ordinierte Pastoren und Laien) unterschiedlicher sexueller und theologischer Orientierung bestand. Mehr als 18 Monate lang arbeitete diese Kommission gemeinsam an Empfehlungen für den Bischofsrat. In seiner Sitzung im Mai 2018 empfahl der Bischofsrat mit überwältigender Mehrheit (etwa 80 Prozent) den sogenannten „One Church Plan“ den Delegierten der außerordentlichen Generalkonferenz. In diesem Plan wurde versucht, die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der EmK über die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und die Ordination von Geistlichen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, als nicht trennend festzuhalten. Es sollte die Freiheit zugelassen werden, dass die verschiedenen Gemeinden und Konferenzen weltweit diese Streitfragen jeweils unterschiedlich entscheiden können.

Außer diesem favorisierten Ansatz wurde noch ein weiterer Plan als Möglichkeit vorgelegt, demzufolge sich die Gemeinden und Konferenzen in jeweils inhaltlich einheitlichen Strukturen hätten zusammenschließen können, um dann nur unter einem „Dach Generalkonferenz“ zusammenzubleiben.

War eigentlich schon zur Seite gelegt: der „Traditional Plan“

Zusätzlich zu diesen beiden Anträgen, die der Bischofsrat aus den Vorschlägen der Kommission präsentierte, wurde der Generalkonferenz noch ein dritter Plan vorgelegt, der wohl in grober Skizze schon dem Bischofsrat vorlag, aber dort als nicht der Einheit förderlich zur Seite gelegt wurde: der „Traditional Plan“. Dieser wurde von wenigen Kirchenmitgliedern in Zusammenarbeit mit an einer Hand abzuzählenden Bischöfen erstellt. In diesem Plan wurde einerseits die schon bisher in der EmK gültige Ablehnung der Segnung und Ordination homosexueller Menschen festgehalten und andererseits in 16 Ausführungsbestimmungen näher bekräftigt: So forderte der Plan unter anderem eine entsprechende Überwachung und Kontrolle seitens der Bischöfinnen und Bischöfe, damit in ihrem Verantwortungsgebiet diese Haltung aufrecht erhalten bleibt. Außerdem waren Kontrollen für neu einzustellende Geistliche vorgesehen, etwa durch dezidiertes Nachfragen im Vorstellungsgespräch oder durch Recherchen in den sozialen Netzwerken. Schließlich wurden im äußersten Fall Suspendierungs- und Entlassungsabläufe für Ordinierte, Bischöfinnen und Bischöfe beschrieben.

Ende Februar nun trafen sich in Saint Louis, Missouri 864 Delegierte zur außerordentlichen Generalkonferenz, um für die Praxis der weltweit verfassten Kirche eine Lösung in den strittigen Fragen zur menschlichen Sexualität zu finden. Am Ende stand der Beschluss des „Traditional Plans“.

Obwohl die Generalkonferenz am ersten Tag mit einem Gebetstag eröffnet wurde, war von Beginn an spürbar und auch sichtbar, dass es nicht um ein geistliches Ringen, um ein Hören aufeinander und auf Gott gehen würde. Die Delegierten kamen mit klaren Positionen. Gespräche untereinander fanden meist nur noch in den geteilten Lagern statt. Als am zweiten Tag die Anträge priorisiert wurden (Reihenfolge der Abstimmung), war die Teilung nicht nur spürbar, sondern sie war beziffert. Beinahe durchgängig bis zum Ende der Generalkonferenz blieb es bei einer Mehrheit von 53 zu 47 Prozent für die traditionelle Ausrichtung in dieser Frage.

Obwohl die Bischöfinnen und Bischöfe in den Pausen versuchten, Gespräche zu führen, Brücken zu bauen und für die Einheit zu werben, wurden sie doch nicht gehört oder ihre Positionen als parteiisch und somit geistlos gewertet.

Mit dem Brückenvorschlag des „One Church Plans“ hätte keine Gemeinde oder Konferenz weltweit etwas ändern müssen, wenn sie es nicht gewollt hätte. Er hätte einzig und allein die Möglichkeit einer Öffnung vorgesehen. Dass dieser Vorschlag dennoch durchweg als „liberal“ und „dem Zeitgeist huldigend“ gesehen wurde und somit als Kontrast zum „Traditional Plan“ galt, war gerade für die Befürworter dieser Lösung schwer zu ertragen. Denn hier fanden sich Menschen ganz unterschiedlicher theologischer und sexueller Prägung zusammen. Für sie war diese Möglichkeit der versöhnten Verschiedenheit in einer Kirche ein geistlicher Weg, den sie aus dem Glauben und im Vertrauen auf Gott gehen wollten.

Besonders die Menschen, die homosexuell begabt sind, litten unter der Unversöhnlichkeit und Ablehnung einiger der Redner im Plenum. Am Ende der Generalkonferenz standen Tränen und Fassungslosigkeit auf der einen Seite und Lachen und Tanzen auf der anderen. Eine Kirche, die sichtbar gespalten ist. Eine Kirche, die am Ende ist. Aber auch: Eine Kirche, die sich neu zusammenfindet. Eine Kirche am Anfang.

Seit St. Louis durchziehen Unruhe und Unsicherheit die Kirche. Der Rechtshof der Evangelisch-methodistischen Kirche prüft derzeit den „Traditional Plan“, da einige der Ausführungsbestimmungen im Vorfeld schon als „nicht verfassungsgemäß“ eingestuft worden waren. Auch Wahlbeeinflussung steht als Vorwurf im Raum. Weltweit befassen sich die Leitungsgremien in den Ländern und Konferenzen mit dem Beschluss der Generalkonferenz. Einige sind froh und dankbar, sie sehen sich bestätigt und ihr Gebet erhört. Andere sind traurig, wütend und resigniert. Fühlen sich allein gelassen von Kirche und Gott. Menschen treten aus, weil sie sich nicht wahrgenommen und ausgegrenzt vorkommen. Andere treten aus, weil sie hören, dass sich ihre Kirchenleitungen gegen den „Traditional Plan“ stellen. Eine Zerreißprobe.

In den letzten Wochen haben bereits einige Jährliche Konferenzen in den USA ihr Bleiben in der Evangelisch-methodistischen Kirche bestätigt und gleichzeitig die Ablehnung des Beschlusses der Generalkonferenz beschlossen. Der Kirchenvorstand der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland (Kirchenleitung für Deutschland zwischen den Tagungen der Zentralkonferenz) beriet am 8. und 9. März in Fulda über die Lage und teilte anschließend mit: „Unabhängig von unseren inhaltlichen Überzeugungen sind wir einstimmig der Meinung, dass diese Bestimmungen des Traditional Plan für unsere Kirche in Deutschland nicht akzeptabel sind.“ Deshalb gehe die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland „den damit eingeschlagenen Weg von Gesinnungskontrolle und verschärften Strafen nicht mit“. Die Mitglieder des Kirchenvorstands betonen, dass „demokratisch getroffene Entscheidungen“ zu achten seien. Allerdings würden die weitreichenden Folgen dieses Beschlusses in diesem Fall eine Ausführung durch die evangelisch-methodistischen Gremien in Deutschland nicht ermöglichen.

Der Kirchenvorstand hat zugleich alle Gruppierungen der EmK in Deutschland eingeladen, an einem Weg zur Bewahrung der Einheit mitzuwirken. Auf diesem Weg könne die Kirche nur zusammenbleiben, wenn es gelinge, „auch ohne Einigkeit in wichtigen Fragen in Nähe und Anerkennung zu leben. Deshalb wollen wir eine Kirche werden, in der sowohl homosexuell empfindende Menschen ordiniert und bei einer Eheschließung gesegnet werden können als auch traditionell eingestellte Menschen ihre Vorstellungen und Lebensweisen bewahren können. In diesem Ziel sind wir uns als Kirchenvorstand einig.“ Die Bitte wird ausgesprochen, „in unserer Kirche zu bleiben und zusammen mit uns diesen Weg zu suchen“.

In meinem eigenen kurzen Redebeitrag bei der Generalkonferenz in St. Louis formulierte ich meinen Traum von Kirche in Anlehnung an das große und großartige Gedicht Martin Luther Kings: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages, startend am Mittwoch, den 27. Februar 2019, innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche: das Geschlecht; die Hautfarbe; das Geburts- wie Heimatland; die soziale Stellung; die sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielen. Sondern nur die Liebe zu Gott, die Liebe zu den Menschen und die Liebe zu Gottes Schöpfung. Dass Menschen sich verändern, weil die Liebe Gottes sie berührt und sie an Gottes Reich mitarbeiten. Ich habe einen Traum, dass die Evangelisch-methodistische Kirche eine Kirche ist, die bunt, vielfältig und voller Liebe ist. Ich habe einen Traum, dass Gott uns als Methodisten befähigt, die Welt mit Liebe zu fluten.“

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