Mit der jüngsten Ankündigung neuer parlamentarischer Initiativen durch die Bundestagsfraktionen der FDP und der AfD hat die Debatte um eine Abschaffung der Staatsleistungen an die Kirchen in Deutschland wieder an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Bereits seit langem fordern kirchenkritische Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen und die Linke sowie strikt laizistische bis antiklerikale Organisationen wie die Humanistische Union und der Bund für Geistesfreiheit eine Beendigung der finanziellen Transfers, die seit über einhundert Jahren von der öffentlichen Hand an die Kirchen fließen. So scheiterte beispielsweise die Linke im Bundestag 2015 mit einem Antrag auf Einrichtung einer „Kommission beim Bundesfinanzministerium zur Evaluierung der Staatsleistungen seit 1803“ an der Stimmenmehrheit der großen Koalition. Aus Sicht ihrer Kritiker stellen die Staatsleistungen an die katholische und die evangelische Kirche (sowie analog an die Altkatholiken und die jüdischen Gemeinschaften) eine Diskriminierung anderer (etwa muslimischer) Religionsgemeinschaften dar und widersprechen dem Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat, welcher aus dieser Perspektive Religion zu einer reinen Privatsache macht. Zudem wird auf die damit verbundene Zusatzbelastung für die staatlichen Haushalte verwiesen, welche aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden muss, das heißt auch durch Nichtkirchenmitglieder, also rund 45 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik.
Dabei geraten in der Diskussion oftmals verschiedene Aspekte und Ebenen der Kirchenkritik durcheinander. So sind Staatsleistungen im eigentlichen Sinn vermögensrechtliche Verpflichtungen der Bundesländer gegenüber den Kirchen in Form von Pachtersatzleistungen, Gehalts- und Pensionszahlungen, die damit formal keine Subventionen darstellen. Echte Subventionen und andere Förderungen sind entsprechend keine echten Staatsleistungen, auch wenn sie im Kontext der Finanzbeziehungen zwischen Staat und Kirche durchaus sehr interessant sind. Vor allem sind sie nur zu einem geringen Teil kirchenspezifisch, sondern meist ebenso für andere soziale und zivilgesellschaftliche Organisationen relevant, die in ihrem praktischen Engagement auf den gleichen Feldern tätig sind wie die Kirchen.
Die Länder zahlen sehr unterschiedlich
Die in diesem Sinne genuinen Staatsleistungen in Form von Dotationen und direkten Zuwendungen machen mit zwei bis drei Prozent nur einen geringen Teil der jährlichen Gesamteinnahmen der Kirchen aus und entsprechen im Umfang weniger als fünf Prozent des Kirchensteueraufkommens. Sie werden von den Ländern üblicherweise als Pauschalleistungen an die Kirchen überwiesen und beliefen sich 2018 je nach Quelle auf 520 bis 538 Millionen Euro (gegenüber einem Kirchensteueraufkommen von rund 12 Milliarden Euro), von denen etwa 57 Prozent an die evangelische und 43 Prozent an die katholische Kirche flossen. Seit Gründung der Bundesrepublik belaufen sich die kumulierten Staatsleistungen auf rund 17,9 Milliarden Euro, wobei im Zeitverlauf eine deutliche Steigerung zu verzeichnen ist. Waren es 1949 und 1960 noch 23 beziehungsweise 68 Millionen Euro, erhöhten sich die Zahlungen an die Kirchen in Folge von Wirtschaftswachstums-, Inflations- und Tariferhöhungseffekten bis 2010 auf 461 Millionen Euro (1970: 122 Millionen, 1980: 220 Millionen, 1990: 269 Millionen, 2000: 416 Millionen Euro). Dabei sind die Summen je nach Bundesland sehr unterschiedlich: 2017 waren die größten Geberländer Baden-Württemberg mit 118 Millionen Euro, Bayern (95 Millionen Euro), Rheinland-Pfalz (56 Millionen Euro) und Hessen (49 Millionen Euro). Auf die süddeutschen Länder entfielen so rund 50 Prozent der Staatsleistungen, während etwa Nordrhein-Westfalen als Bundesland mit der größten Bevölkerung (über 17 Millionen Einwohner) lediglich 22 Millionen Euro bezahlte. Auf der anderen Seite entrichtete Thüringen mit nur gut zwei Millionen Einwohnern 24 Millionen Euro. Betrachtet man die Staatsleistungen pro Einwohner, lagen entsprechend Sachsen-Anhalt mit 15 Euro pro Kopf, Rheinland-Pfalz (knapp 14 Euro), Thüringen (gut 11 Euro) und Baden-Württemberg (knapp 11 Euro) an der Spitze; auf Bayern entfielen 7,50 Euro, auf NRW knapp 1,30 Euro pro Einwohner. Die Stadtstaaten Hamburg und Bremen vergeben keine Staatsleistungen an die Kirchen.
Betrachtet man das Beispiel des Freistaats Bayern etwas näher, so finden sich im Haushalt des Kultusministeriums für die Staatsleistungen für den Personalaufwand der Diözesen pauschal 12,2 Millionen Euro für 2017 und 12,3 Millionen Euro für 2018. Insgesamt weist der Kultushaushalt für die Leistungen an die katholische Kirche inklusive Personal- und Sachzuschüssen 71,7 Millionen Euro (2017) beziehungsweise 73,5 Millionen Euro (2018) aus. Für die evangelisch-lutherische Landeskirche wurden 24,0 Millionen Euro (2017) beziehungsweise 24,6 Millionen Euro (2018) zur Verfügung gestellt, davon rund zwei Millionen Euro für das Gehalt des Landeskirchenrates. Das Land Nordrhein-Westfalen weist in seinem Transferhaushalt für die Religionsgemeinschaften, der zum Haushalt des Ministerpräsidenten gehört, für 2018 gut neun Millionen Euro an Zuschüssen an die evangelischen Kirchen und 13,5 Millionen Euro an die katholische Kirche aus, welche in Form von Katasterzuschüssen (an die Kirchengemeinden), Beihilfen zur Pfarrerbesoldung und -altersversorgung sowie Dotationen, das heißt für die Besoldung der Bischöfe und höheren Würdenträger, ausgezahlt werden.
Was verdient eigentlich Kardinal Marx?
Gerade die staatliche Vollfinanzierung der Bezüge von Bischöfen, Generalvikaren und anderen Spitzenklerikern, die mittlerweile bundesweit (seit 2013 auch in Bayern) über Pauschalzahlungen an die Kirchen abgewickelt wird, trifft immer wieder auf Kritik. Die quasi-staatliche Bezahlung der höchsten kirchlichen Würdenträger erfolgt in Anlehnung an die Besoldung von Beamten und Soldaten. Dabei werden Domdekane, Generalvikare und Weihbischöfe in der Regel in die Besoldungsgruppen B 2 oder B 3 eingeordnet, was im Kontext der Staatsverwaltung oder der Bundeswehr etwa dem Rang eines Ministerialrats oder Obersts entspricht. Weihbischöfe in größeren Diözesen werden nach B 4 besoldet (analog zu beispielsweise einem Polizeipräsidenten auf Regierungsbezirksebene), Bischöfe in kleineren Diözesen ab B 2, solche in größeren ab B 6, was mit dem Dienstgrad eines Brigadegenerals gleichzusetzen ist. Nach den Angaben in der Literatur ist die Besoldungsgruppe des Erzbischofs von München und Freising sowie des evangelischen Landesbischofs von Bayern wohl B 10; dies entspricht der Besoldungsgruppe eines Viersterne-Generals der Bundeswehr, eines Staatsrats (das heißt Ministerialdirektors als Amtschef der Staatskanzlei) oder des Oberbürgermeisters von Nürnberg.
Wie die öffentliche Hand die Kirchen finanziert
Von diesen Staatsleistungen im eigentlichen Sinn sind andere Regelungen zu unterscheiden, durch welche die öffentliche Hand ebenfalls zur Finanzierung der Kirchen beiträgt und die der Vollständigkeit halber kurz erwähnt werden sollen. So gibt es verschiedene Vorteile im Steuerrecht: Erstens zieht die staatliche Finanzverwaltung die Kirchen- beziehungsweise Kultussteuer ein, wovon neben der katholischen und der evangelischen Kirche gegenwärtig auch die Altkatholiken, die jüdische Gemeinde und verschiedene protestantische Gruppen Gebrauch machen. Auch wenn von den Bundesländern ein Anteil des Kirchensteueraufkommens als pauschales Entgelt für diesen Dienst einbehalten wird – in der Regel sind dies drei bis dreieinhalb Prozent (in Bayern zwei, im Saarland vier Prozent) – und dieser Betrag laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages wohl kostendeckend sein dürfte, sparen sich die Kirchen durch diesen Service der Finanzämter doch einen erheblichen Verwaltungsaufwand, was ihnen etwa gestattet, den Personalumfang für die Kirchensteuerämter in Grenzen zu halten. Zweitens ist die Kirchensteuer als Sonderabgabe in der Einkommenssteuererklärung absetzbar. Gemäß Schätzungen des Bundesfinanzministeriums im Subventionsbericht der Bundesregierung führte dies 2018 zu Mindereinnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer von ca. 3,9 Milliarden Euro. Drittens gibt es (im Subventionsbericht nicht quantifizierte) umfangreiche Steuerprivilegien der Kirchen, wie etwa die persönliche Befreiung von der Körperschafts- und Einkommenssteuer, wie sie ganz allgemein für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Körperschaften, Sozialkassen und berufsständische Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gilt, Umsatz- und Gewerbesteuerbefreiungen beziehungsweise -minderungen (für Körperschaften öffentlichen Rechts sowie Einrichtungen für soziale, kulturelle und kirchliche Zwecke) oder die Befreiung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer.
Außerdem erhalten die Kirchen auch Leistungsentgelte, Zuschüsse und Subventionen für die kirchliche Sozial- und Bildungstätigkeit, die Instandhaltung von Kirchengebäuden und anderes. So bezuschusst die öffentliche Hand soziale Einrichtungen wie beispielsweise Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen. Basis hierfür ist grundsätzlich das Subsidiaritätsprinzip, wonach der Staat die Organisation und Durchführung seiner Aufgaben an nichtstaatliche oder kommunale Einrichtungen überträgt und für die Erfüllung Finanzmittel zur Verfügung stellt. So wendet beispielsweise die EKD jährlich ca. 1,9 Milliarden für ihre Kindergärten auf, davon stammen rund 1,3 Milliarden Euro aus kommunalen und staatlichen Zuschüssen. Etwa 50 Prozent der Kindertagesstätten in Deutschland befinden sich laut EKD in kirchlicher Trägerschaft, davon circa drei Fünftel in katholischer und zwei Fünftel in evangelischer. Je nach Bundesland tragen die Kirchen einen Anteil zwischen fünf und 30 Prozent der Betriebs- und Unterhaltskosten. Auch die Aktivitäten von Caritas und Diakonie im Gesundheits- und Sozialbereich werden zum allergrößten Teil durch Leistungsentgelte der Sozialversicherungen sowie staatliche Zuschüsse finanziert. Laut Angaben des Caritas-Dachverbands beträgt der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand je nach Tätigkeitsbereich beispielsweise gut 40 Prozent in der Altenpflege, etwa 75 bis 85 Prozent bei Kindertagesstätten, Suchtberatung oder Flüchtlingshilfe, sowie 95 bis 100 Prozent in den Bereichen Familienhilfe, Behindertenhilfe oder Psychiatrie.
Und wer finanziert den Religionsunterricht?
Die Kirchen sind zudem zentrale Akteure in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, denn oft sind laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) „die Kirchen mit ihren weltweiten Verbindungen und Fachkräften direkt vor Ort die einzige Möglichkeit, auf die Basis bezogene, den Grundbedürfnissen der Menschen dienende Entwicklungsansätze zu fördern. Die kirchlichen Hilfswerke besitzen oft noch Handlungsmöglichkeiten, wenn die staatliche Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr agieren kann oder darf – insbesondere bei ungünstigen politischen Rahmenbedingungen.“ Ein bedeutender Teil der bilateralen Entwicklungshilfe der Bundesrepublik wird daher über die Kirchen, vor allem die katholische und die evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe und mit ihnen über Brot für die Welt und Misereor abgewickelt. So erhielt Brot für die Welt 2017 147 Millionen Euro an staatlichen Geldern vom BMZ, Misereor im gleichen Jahr 143 Millionen Euro. Bei einem Gesamtetat der beiden Organisationen für Projekte von 282 beziehungsweise 215 Millionen Euro (wovon 62 beziehungsweise 63 Millionen aus Spenden und 55 beziehungsweise 7,3 Millionen Euro aus kirchlichen Mitteln stammen) kann man davon ausgehen, dass die Hälfte bis zwei Drittel ihrer Finanzmittel durch den Bundesetat bestritten werden. Bei alledem muss jedoch betont werden, dass die genannten staatlichen Zuschüsse keine Besonderheit der Kirchen sind, sondern prinzipiell allen Sozialverbänden im weiteren Sinne zustehen, beispielsweise auch Organisationen wie dem Roten Kreuz, der Arbeiterwohlfahrt oder der Welthungerhilfe.
Schließlich sind als besondere Staatsleistungen die Bildungsausgaben für den Religionsunterricht und die theologische Ausbildung zu nennen: Den Bundesländern obliegt die Finanzierung des durch Art. 7 (3) GG abgesicherten Religionsunterrichts an den Schulen einschließlich der Ausbildung von Religionslehrern sowie von Theologen an theologischen Fakultäten der Universitäten. Außerdem leisten sie in höchst unterschiedlichem Umfang Zuschüsse zu Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft. Die Gesamthöhe der Aufwendungen dafür ist wegen der mangelnden Aufschlüsselung in den Haushaltsplänen der Bundesländer schwierig zu ermitteln. Festzuhalten ist jedoch beispielsweise, dass etwa die Grundfinanzierung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der mit circa 5.300 Studierenden mit Abstand größten kirchlichen Hochschule mit Promotionsrecht, zu 85 Prozent vom bayerischen Staat und zu 15 Prozent von den sieben Diözesen der Freisinger Bischofskonferenz getragen wird. Im Jahr 2016 leistete der Freistaat knapp 41 Millionen Euro bei einem Gesamtetat der Universität (ohne Dritt- und Sondermittel) von gut 53 Millionen Euro. Artikel 116 des Bayerischen Hochschulgesetzes verpflichtet das Land außerdem, 80 Prozent der laufenden Mittel für staatlich anerkannte kirchliche Fachhochschulen und Fachhochschulstudiengänge bereitzustellen, was die Katholische Stiftungshochschule München/Benediktbeuern und die Evangelische Hochschule Nürnberg betrifft. Auch die Augustana-Hochschule Neudettelsau, die den evangelischen theologischen Fakultäten im Freistaat gleichgestellt ist, erhält einen jährlichen Staatszuschuss von 945.000 Euro. In Nordrhein-Westfalen refinanziert das Land gemäß einem im Paragraph 81 Hochschulgesetz NRW vorgesehenen Vertrag mit den Hochschulen von 2009 die Katholische Fachhochschule NRW mit ihren vier Standorten und einem Jahresetat von gut 22 Millionen Euro zu 87 Prozent; die übrigen 13 Prozent werden von den Trägerdiözesen Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn getragen. Analoges gilt auch für die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (ebenso wie die private Rheinische FH Köln und die Technische FH Georg Agricola). Die Philosophisch-Theologischen Hochschulen Sankt Georgen, Münster und Vallendar oder die Hochschule für Philosophie München erhalten demgegenüber kaum staatliche Zuschüsse.
Die rechtliche Basis für diese Vielzahl von Finanzleistungen des Staates an die Kirchen ist eindeutig, wenngleich wie eingangs erwähnt nicht unumstritten. Während die Zuschüsse und Leistungsentgelte im Sozial-, Gesundheits- und Entwicklungsbereich ebenso wie die Steuervorteile gesetzlich für praktisch alle Sozialverbände gelten und die Kirchen – abgesehen von heiß diskutierten Zusatzaspekten wie dem kirchlichen Arbeitsrecht – in dieser Hinsicht letztlich keine besondere Stellung genießen, sieht dies bei den eigentlichen Staatsleistungen anders aus. In der Debatte spielt dabei Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung (der damit ins Grundgesetz übernommen wurde) eine zentrale Rolle. Absatz 1 des Artikels fordert eine Ablösung der auf Gesetz, Vertrag oder auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften durch die Landesgesetzgebung; die Grundsätze dafür sollen durch Reichs- beziehungsweise Bundesgesetz festgelegt werden. Absatz 2 gewährleistet demgegenüber das Eigentum der Religionsgesellschaften. Damit bindet Art. 140 GG das Ablösungsgebot für die Staatsleistungen an eine gesetzliche Entschädigung. Wegen der vermögensschützenden Wirkung von Absatz 2 ist auch keine einseitige Leistungseinstellung und letztlich nur die Vorgabe einer Ablösesumme möglich, die dann die Aufrechterhaltung der bisherigen jährlichen Staatsleistungen in Form von Erträgen aus einem dann geschaffenen unmittelbaren Kirchenvermögen ermöglicht. Dabei geht die juristische Literatur davon aus, dass unabhängig von einer bundesgesetzlichen Vorgabe gemäß Absatz 1 vertraglich vereinbarte Ablösungen zwischen den Ländern und den Kirchen durchaus möglich sind, wie sie in verschiedenen Bundesländern etwa bezüglich der Baulasten für Kirchengebäude bereits erfolgt sind.
Es begann 1803
Der rechtshistorische und sachliche Anknüpfungspunkt für die Staatsleistungen sind bekanntlich die Enteignungen, welche die Kirchen in der Neuzeit erfahren haben, die evangelische Kirche seit der (Gegen-) Reformation, die katholische Kirche vor allem durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Letzterer verfügte nach dem Abtreten des linken Rheinufers an Frankreich im Frieden von Lunéville 1801 einen finanziellen und territorialen Ausgleich für die deutschen Fürsten durch die Einziehung kirchlicher Güter und die Aufhebung von Reichsständen, Abteien, Klöstern und so weiter. Insgesamt betraf dies etwa 10.000 Quadratkilometer an Ländereien mit 3,2 Millionen Einwohnern und einem jährlichen Einkommen von 21 Millionen Gulden. Der durchaus erhebliche Umfang dieser Enteignungen wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im Gebiet des späteren Deutschen Reichs um 1800 nur ca. 22 Millionen Menschen lebten und nach zeitgenössischen Quellen die Staatseinnahmen Bayerns im Jahr 1819 (also nach der massiven Staatsverschuldung und Inflation der Napoleonischen Kriege) lediglich 30 Millionen Gulden betrugen, diejenigen Preußens im gleichen Jahr 46 Millionen Reichstaler, das heißt etwa 70 bis 80 Millionen Gulden. Entsprechend war es die offensichtliche Rechtsüberzeugung (ebenso wie das innenpolitische Kalkül) der deutschen Fürsten, dass es eine gewisse – unbefristete – Entschädigung der Kirchen für die erlittenen Einbußen geben müsse. Paragraph 35 des Reichsdeputationshauptschlusses verpflichtete sie entsprechend zu „dem bestimmten Vorbehalte der festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche werden beibehalten werden, und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit, nach den unter theils wirklich bemerkten, theils noch unverzüglich zu treffenden näheren Bestimmungen“, woraus in der Folge verschiedene Abkommen und Regelungen über die finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Kirche entstanden.
Auch die DDR zahlte
Art und Umfang dieser Staatsleistungen sind mittlerweile ebenso politisch umstritten wie die Aktualität ihrer Legitimation durch einen der letzten Gesetzesakte des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation vor seiner Auflösung 1806. Aus juristischer Sicht ist die Diskussion um den Reichsdeputationshauptschluss jedoch nurmehr eher akademischer Natur, da die Leistungsverpflichtungen heute bis auf gewohnheitsrechtliche Ausnahmen umfassend durch Verträge, vor allem Konkordate mit dem Heiligen Stuhl und Staatskirchenverträge mit den evangelischen Kirchen, festgeschrieben worden sind. So beruhen die Staatsleistungen des Landes Nordhein-Westfalen an die katholische Kirche auf den Konkordaten des Heiligen Stuhls mit Preußen von 1929 und mit dem Land Nordrhein-Westfalen von 1956 und 1984, diejenigen an die evangelischen Landeskirchen auf deren Verträgen mit Preußen von 1931 und mit Nordrhein-Westfalen von 1957 und 1958. Für Bayern beispielsweise sind das Konkordat von 1924 (zuletzt geändert 2007) und der Vertrag mit der evangelisch-lutherischen Landeskirche relevant. Einen zusätzlichen Hinweis auf die herrschende Rechtsüberzeugung beziehungsweise gewohnheitsrechtliche Etablierung der Staatsleistungen ergibt sich auch dadurch, dass selbst die DDR – obwohl sie grundsätzlich jede Übernahme von Verpflichtungen des Deutschen Reichs ablehnte – die Entschädigungsleistungen an die Kirchen (wenn auch unregelmäßig) weiterführte.
Eine in der politischen Diskussion immer wieder geforderte Beendigung der Staatsleistungen durch eine Ablösung der Kirchenansprüche wirft vor diesem Hintergrund praktische und rechtliche Probleme und Fragen auf:
Erstens ist es illusorisch, von einer einmaligen finanziellen Abgeltung der Dotationsansprüche der Kirchen, eventuell ergänzt um eine Regelung im Hinblick auf die Hochschulfinanzierung, eine weitgehende Entflechtung der finanziellen Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu erwarten. Offenbar umfasst die Kooperation beider Seiten mit den Entgelten und Zuschüssen für im weiteren Sinne soziale Aktivitäten wesentlich höhere Summen als die Staatsleistungen im eigentlichen Sinn. Höchstens dem Aspekt einer generellen Reduzierung der Privilegierung der Kirchen gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und Sozialverbänden würde dadurch Rechnung getragen.
Zweitens sollte nicht vergessen werden, dass die engen Verbindungen zwischen Kirche und Staat durchaus auch für letzteren von Vorteil sein können. So kann man aus der Sicht eines demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens die finanzielle Alimentation gerade des kirchlichen Spitzenpersonals als Garantie dafür sehen, dass sich die Kirchen bei aller Kritik an einzelnen Gesetzesnormen dauerhaft staatstragend und pluralismuskonform verhalten. Denn Glaubensgemeinschaften, die materiell ausschließlich von den Beiträgen ihrer Mitglieder oder Spenden abhängen, sind möglicherweise viel anfälliger für fundamentalistische oder sektiererische Strömungen, wie dies etwa bei den protestantischen Kirchen in den USA zu beobachten ist.
Von zentraler Bedeutung wäre drittens die Höhe einer etwaigen Ablösung: Der Jahresbetrag der Staatsleistungen im eigentlichen Sinne von rund 500 Millionen Euro entspräche bei einer angenommenen Verzinsung von drei Prozent pro Jahr einem Barwert von 7,5 Milliarden in 20 Jahren, 12,9 Milliarden in 50 Jahren oder 15,8 Milliarden in 100 Jahren. Alternativ wäre bei Anwendung der Regeln des Bundesbewertungsgesetzes (für alle bundesgesetzlich geregelten öffentlich-rechtlichen Abgaben) laut §13 (2) BBewG für den Kapitalwert „immerwährender Nutzungen und Leistungen“ der 18,6-fache Jahresbetrag anzusetzen, das wären 9,3 Milliarden (bei „unbestimmter Dauer“ die Hälfte). In der Literatur findet sich eine Bandbreite vom 12- bis zum 40-fachen des Jahresbetrags, also sechs bis 20 Milliarden als Ablösesumme. Für den Freistaat Bayern würden damit bei Staatsleistungen von knapp 100 Millionen pro Jahr laut BBewG möglicherweise über 1,8 Milliarden als Einmalleistung anfallen, bei einem Haushaltsvolumen von circa 60 Milliarden Euro eine durchaus erkleckliche Summe in Höhe von immerhin drei Prozent eines Jahresbudgets. Im Fall Baden-Württembergs wären es rund 2,2 Milliarden Euro bei einem Gesamtbudget von rund 51 Milliarden Euro (ca. 4,5 Prozent), für Thüringen etwa 450 Millionen Euro (ca. 4 Prozent von 11 Milliarden Euro).
Viertens ist eine rechtlich haltbare Ablösung der Staatsleistungen nur durch einen Konsens mit den Kirchen möglich, nachdem sie kein staatlicher Gnadenakt sind, sondern eine klare vertragliche Grundlage besitzen. Im Fall der katholischen Kirche hat diese durch die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl sogar völkerrechtlichen Charakter. So schreibt etwa das bayerische Konkordat in Art. 10 § 1 (3) explizit vor, dass im „Falle einer Ablösung oder Neuregelung der auf Gesetz, Vertrag oder besonderem Rechtstitel beruhenden staatlichen Leistungen an die Kirche (...) der Bayerische Staat die Wahrung der kirchlichen Belange durch Ausgleichsleistungen zu[sichert], die entsprechend dem Inhalt und Umfange des Rechtsverhältnisses unter Berücksichtigung der Geldwertverhältnisse vollen Ersatz für das weggefallene Recht gewähren.“ In Nordrhein-Westfalen legt auch die Landesverfassung in Art. 21 explizit fest, dass die „den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände (...) nur durch Vereinbarungen abgelöst werden [können]; soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.“ Obwohl die Kirchen immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert haben, bleibt angesichts der Notwendigkeit ihrer Zustimmung die Frage bestehen, wie ein finanzieller Konsens aussehen könnte, der sie auch für die neue Unsicherheit ihrer Erträge nach einem Wegfall der faktischen Steuerdeckung der Staatsleistungen kompensieren würde. Trotz des relativ geringen Anteils der Staatsleistungen am Einkommen der Kirchen kann man durchaus Zweifel daran haben, dass diese große Begeisterung für eine nicht entsprechend vergütete Übernahme etwa hoher Baulasten, vor allem für die Instandhaltung großer Kirchen und Dome entwickeln würden.
In der Folge nimmt es nicht Wunder, dass sich – ungeachtet der durchaus bestehenden Nähe der Volksparteien CDU/CSU und SPD zu den Kirchen – bislang keine ernstzunehmende Initiative von Seiten der Landesregierungen für eine Ablösung der Staatsleistungen gebildet hat. Die Bundesregierung sieht trotz des Ablösungsgebots des Art. 140 GG schon gar keinen diesbezüglichen Handlungsbedarf, denn – wie sie in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken im April 2014 lapidar formulierte – der „Bund selbst ist nicht Schuldner der Staatsleistungen. Den Ländern als Träger der Staatsleistungen steht es dagegen frei, einvernehmlich mit den Kirchen die Staatsleistungen zu verändern und neue Rechtsgrundlagen zu schaffen. Das Verfassungsrecht steht dieser Lösung nicht entgegen.“