Angesichts der gegenwärtigen Diskussionen über die Gewaltpotenziale des Islam wird immer wieder auf das Hochmittelalter hingewiesen, als diese Weltreligion mit Judentum und Christentum nicht nur auf Augenhöhe über die Rationalität des Glaubens an den einen Gott gestritten hat, sondern selbst auch beachtliche Beiträge zur Ideengeschichte geleistet hat.
Aber schon am Beginn dieser Religion steht nicht einfach nur ein kriegslüsterner Prophet Mohammed, der mit dem Schwert den arabischen Raum eroberte. Darauf weist Glen W. Bowersock, Professor in Princeton, hin. Seine These: Zwar sei der „Schmelztiegel“, in dem der Islam geformt wurde, weiterhin schwer zu fassen, sehr wohl aber verdanke sich der Islam der spätantiken Welt und knüpfe in vielerlei Hinsicht an deren Kulturleistungen an. So widmet sich Bowersock etwa eingehend dem kulturellen Austausch zwischen Mekka und Äthiopien, das ja zu den ältesten christlichen Kulturräumen gehört. Ein eigenes Kapitel widmet er Palästina mit seinem vergleichsweise harmonischen Miteinander von Juden und Christen, als zu Beginn des siebten Jahrhunderts erst die Perser und dann die Muslime vor den Toren Jerusalems standen – bevor dann der Felsendom zu einem machtvollen und dauerhaften Symbol des Islam wurde. Immerhin werden hier ja in den Inschriften ausdrücklich der „gemeinsame Monotheismus“ der neuen und der älteren Religion des Christentums gewürdigt – gleichzeitig freilich wiederum auch die Idee einer göttlichen Trinität zurückgewiesen.
Der Autor weist mehrfach darauf hin, wie schwierig die Quellenlage ist und manches Spekulation bleiben muss. Das gilt allerdings in jeder Richtung im Streit der Deutungen. Immerhin: „Auch wenn das Trennende und die Meinungsverschiedenheiten nicht verschwinden werden, müssen wir uns glücklich schätzen, dass wir jene flüchtigen Komponenten, aus denen der Islam hervorgegangen ist, wenigstens betrachten und beschreiben können.“ Gerade deshalb ist das Buch angesichts der aktuellen Debatten hochinteressant. Stefan Orth