Katholische Theologie in Berlin: Großer Andrang

Im Wintersemester startet der Lehrbetrieb im neu gegründeten Institut für Katholische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität. Das Angebot stößt offenbar auf großes Interesse. Was die zukünftigen Theologiestudenten erwartet, verrät ein Blick ins Vorlesungsverzeichnis.

Gebäude der ehemaligen Rechtsmedizin in der Hannoverschen Str. 6, Sitz des Exzellenzclusters
© Julia Steinbrecht/KNA

Für ein Studium der katholischen Theologie an der Berliner Humboldt-Universität (HU) interessieren sich deutlich mehr Bewerber als erwartet. Johannes Helmrath, Gründungsdirektor des neuen Instituts, sagte dem Kölner „Domradio“: „Wir hatten schüchterne Schätzungen gemacht, die bei 40 bis 50 Bewerbern gelegen hätten. Dass das aber so durch die Decke schießen würde, hätten wir nicht gedacht“. Mitte August lag die Zahl der Bewerber für das Wintersemester 2019/2020 schon bei rund 400, wie die Universität mitteilte. Anmeldungen waren noch bis Ende des Monats möglich. Etwa 50 Studentinnen und Studenten würden vom bisherigen Seminar für katholische Theologie der Freien Universität Berlin an die Humboldt-Universität wechseln, so Helmrath.

Ob das erhebliche Interesse an einem Theologiestudium in Berlin auf Kosten anderer theologischer Standorte geht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. An der Universität Erfurt, wo sich die nächstgelegene katholisch-theologische Fakultät befindet, will man derzeit keine Aussagen über Bewerberzahlen treffen. Die Bewerbungsfrist laufe dort noch bis Ende September, teilt Uni-Sprecherin Carmen Voigt mit. Jetzt über Zahlen zu sprechen, „wäre reine Spekulation und in keiner Weise belastbar“, so die Sprecherin.

Auch das parallel entstehende Berliner Institut für Islamische Theologie stößt offenkundig auf großes Interesse. Hier gingen circa 300 Bewerbungen ein. Bei der evangelischen Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität hatten sich zum gleichen Zeitpunkt 560 Personen beworben. Helmrath erwartet nicht, dass alle Bewerber auch tatsächlich mit dem Studium beginnen. „Viele schreiben sich ja mehrfach ein. Aber wenn die Hälfte kommt, ist es schon ein ungeheurer Erfolg“, so der Historiker, der seit 2018 im Auftrag von HU-Präsidentin Sabine Kunst den Aufbau des neuen Instituts organisiert hat.

Helmraths Aufgabe als Gründungsdirektor war es unter anderem, die Ausschreibung der fünf vorgesehenen Professuren vorzubereiten und in Absprache mit der Präsidentin eine Berufungskommission zusammenzustellen. „Wir hoffen auf einen großen Bewerberkreis und wollen die Besten für dieses neuartige Leuchtturmprojekt gewinnen“, sagte Helmrath im vergangenen Jahr der „Herder Korrespondenz“ (HK November 2018, 8).

Der Kommission gehörten sechs Professoren der Humboldt-Universität sowie sechs auswärtige katholische Theologen an, außerdem Vertreter der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, der sonstigen Mitarbeiter sowie der Studierenden. Im April 2019 fanden die Probevorlesung statt und heute – wenige Monate später – offenbart ein kurzer Blick ins Vorlesungsverzeichnis der HU, wer das Rennen gemacht hat. Endgültig berufen sind die Kandidaten zwar noch nicht, laut Helmrath werden die im Auswahlverfahren Erstplatzierten ihre Professuren aber zunächst selbst vertreten. An der evangelischen Fakultät existiert bereits seit 2004 die Guardini-Professur für Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung. Derzeitiger Guardini-Professor ist der italienische Philosoph Ugo Perone. Die Professur wird von der evangelischen Fakultät an das neue Institut verlagert.

Zwei „große“ und drei „kleine“ Professuren

Mit Professuren der Besoldungsgruppe W3 werden zukünftig die Bereiche „Systematische Theologie“ und „Historische Theologie“ in Berlin vertreten sein.

Die Professur für Systematik übernimmt Georg Essen. Dieser hatte seit 2011 den Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Ruhr-Universität Bochum inne. Essen, geboren 1961, setzte sich bei seiner Bewerbung in Berlin unter anderem gegen Michael Seewald (Münster) und Gregor Maria Hoff (Salzburg) durch. Als Forschungsschwerpunkte gibt Essen unter anderem die Bereiche „Religion und Recht“ sowie „Theologie der Moderne“ an. Bei seiner Probevorlesung sprach Essen über das Thema „Das Verhältnis von Natur und Gnade. Die Relecture eines klassischen katholischen Topos in modernitätstheoretischer Absicht“. 2017/2018 war Essen bereits wissenschaftlich in Berlin tätig gewesen: Als Fellow am dortigen Wissenschaftskolleg. Hier forschte er zum Thema „Religion in den Autonomiewelten moderner Rechtskulturen. Der Katholizismus als paradigmatische Fallstudie“.

Der nächste Theologe am Berliner Wissenschaftskolleg war Günther Wassilowsky, der dort das akademische Jahr 2018/2019 verbrachte und an einem Projekt mit dem Titel „Stadt der Gnade: Theologie und Kultur im frühneuzeitlichen Rom“ arbeitete. Offensichtlich ist das Kolleg ein gutes Sprungbrett, denn auch Wassilowsky schaffte es an das neue Berliner Institut. Er hat dort in Zukunft die Professur für „Historische Theologie“ inne. Wassilowsky konkurrierte bei seiner Bewerbung unter anderem mit dem Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti. Der 1968 geborene Wassilowsky war nach Professuren in Linz und Innsbruck seit 2016 Professor für Kirchengeschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In seiner Forschung befasst er sich mit Theologie-, Konzils- und Papstgeschichte.

Die Fächer „Biblische Theologie“, „Praktische Theologie“ und „Theologische Ethik“ sind in Berlin jeweils mit einer W1-Professur vertreten.

Bei der biblischen Theologie machte die 1984 geborene Katharina Pyschny das Rennen, die seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Altes Testament in Bochum war, wo sie 2015 promovierte.

Für die praktische Theologie ist zukünftig Theresa Schweighofer zuständig, die 2012 bis 2015 Universitätsassistentin am Lehrstuhl für Praktische Theologie in Wien war, und seit 2015 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Tübingen arbeitete. Sie wurde 1983 geboren und promovierte 2018 in Wien. Auch wenn das neue Berliner Institut nicht zuletzt der Ausbildung von Religionslehrern dienen soll, wurde die Professur nicht mit einem Vertreter des Fachs Religionspädagogik besetzt.

Der Bereich „Theologisch Ethik“ sollte gemäß den Plänen der Verantwortlichen den Schwerpunkt Bioethik erhalten, um besonders den Austausch mit den Lebenswissenschaften zu pflegen. Den Zuschlag erhielt der Moraltheologe Benedikt Schmidt, der 2016 in Freiburg bei Eberhard Schockenhoff und Magnus Striet promovierte und danach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am moraltheologischen Seminar der Bonner Universität tätig war. Der 1987 geborene Schmidt ist bislang allerdings nicht mit Forschungen zur Bioethik hervorgetreten.

Zum kommenden Semester bietet das Institut katholische Theologie als Kernfach oder Zweifach im Bachelorstudiengang mit „Lehramtsoption“ an. Im Wintersemester 2020/2021 wird außerdem der Monobachelorstudiengang „Religion und Gesellschaft“ starten sowie der Masterstudiengang für das Lehramt. Außerdem soll in Zukunft auch eine Promotion zum Doctor philosophiae möglich sein.

Immer wieder wurde der anthropologische Schwerpunkt des neuen Instituts betont. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagte Mitte 2018 gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur: „Die Frage nach Gott als Dimension des Menschen wollen wir wissenschaftlich vorantreiben. Da der Weg zu Gott und der Weg der Kirche der Mensch ist, wollen wir die anthropologische Perspektive stärker theologisch einbinden. Und über die Anthropologie ergeben sich weitere Schnittmengen mit anderen Wissenschaften an der Humboldt-Universität.“ Gründungsdirektor Johannes Helmrath vermutete im „Domradio“, dass neben dem „Nimbus Berlins“ und den „attraktiven Namen“ der Professoren auch dieser Schwerpunkt zu dem großen Andrang bei den Studienbewerbern beigetragen haben könnte.

Anthropologie für Erstsemester

Wie das Vorlesungsverzeichnis zeigt, geben sich die neuen Dozenten ersichtliche Mühe, der anthropologischen Schwerpunktsetzung gerecht zu werden.

So beschäftigt sich Kirchenhistoriker Günther Wassilowsky in einem Proseminar mit der „Theologischen Anthropologie im Werk Michelangelos“. Im Kommentar zur Lehrveranstaltung schreibt Wassilowsky: „Was macht nach Michelangelo das ‚Wesen‘ des Menschen aus? Wie sieht er das Verhältnis des Menschen zu Gott und seiner Gnade? Welche heilsgeschichtliche Rolle wird in dieser Kunst Jesus Christus, Maria und den Heiligen zugeschrieben? Und wie positioniert sich Michelangelo auf dem Feld der drängendsten Frage seiner Zeit, nämlich der nach der Bedeutung menschlicher Werke und menschlicher Freiheit im Prozess von Rechtfertigung und Erlösung?“ Katharina Pyschny hält eine Vorlesung mit dem Titel „‚Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst …‘ (Ps 8,5*)? Einführung in die Bibel mit Schwerpunkt auf Aspekten des Menschseins“ und Georg Essen spricht über „Theologische Anthropologie. Die Bestimmung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott“. Guardini-Professor Ugo Perrone vermittelt den Erstsemestern derweil wichtige Arbeitsgrundlagen. Er bietet eine Übung zur „Einführung in das Verfassen eines philosophischen Textes“ an.

Islamische Theologie startet ebenfalls

Die katholischen Studentinnen und Studenten werden in Berlin unter einem Dach mit ihren islamischen Kommilitonen studieren. Beide Institute werden an der Hannoverschen Straße in Berlin-Mitte im ehemaligen Gebäude der Gerichtsmedizin der Charité untergebracht.

Auch im Institut für Islamische Theologie soll zum Wintersemester wie geplant der Lehrbetrieb beginnen – doch im Vorlesungsverzeichnis herrscht noch Leere. Die Berufung der sechs Professoren ist noch nicht abgeschlossen. Ähnlich wie beim kirchlichen „Nihil obstat“ brauchen die Professoren eine Zustimmung durch den eigens dafür eingerichteten Beirat des Instituts. Darin sitzen neben zwei Islamwissenschaftlern Vertreter von drei muslimischen Vereinen: der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V., dem Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V., Landesverband Berlin sowie der Islamischen Föderation in Berlin e.V. Um zu gewährleisten, dass die vielen Studenten der Islamischen Theologie an ihrem Institut zum Semesterbeginn auch Dozenten vorfinden, hat Gründungsdirektor Michael Borgolte Verträge mit vier Gastprofessoren abgeschlossen. Einer von ihnen ist laut Medienberichten der Islamwissenschaftler Mohammad Gharaibeh, der ab Oktober „Islamische Ideengeschichte“ unterrichten soll.

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