Es ist ein gefundenes Fressen für die Boulevardmedien: Als 2014 aus der Bonner St.-Hildegard-Kirche eine byzantinische Marien-Ikone aus dem 17. Jahrhundert gestohlen wird, reagiert der Pfarrer mit einer Grusel-Strategie. Der Maler der Ikone, ein Mönch, habe diese mit einem Fluch gegen alle belegt, die sie verspotten oder entwenden. „Der Dieb wird an diesem Frevel keine Freude haben, wenn ihn der Bann des Mönchs treffen sollte“, so verlautet der Pfarrer in der Presse. Leider hatte diese Faktor-Psi-Ermittlungsmethode keinen Erfolg. Der offenbar nicht abergläubische Dieb gab seine Beute bis heute nicht zurück.
Die Bonner St.-Hildegard-Kirche ist mit ihrem Widerfahrnis nicht alleine: Seit 2010 liegen die Zahlen für Diebstähle und Einbrüche in Kirchen laut Katholischer Nachrichtenagentur jährlich immer über der 2.000er-Marke. Der bisherige Höchstwert wurde 2015 mit 2.598 verzeichnet. Hinzu kommt ein Dunkelfeld polizeistatistisch nicht erfasster Fälle: Kirchendiebstähle unterhalb eines bestimmten – je nach Bundesland unterschiedlich definierten – Sachwertes fließen nicht durchgängig in die Statistik ein. Außerdem erheben die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern keine gesonderten Daten für Sakralkunst-Kriminalität.
Auch was die Erfolglosigkeit der Täterermittlung anbetrifft, teilt die Bonner St.-Hildegard-Kirche ihr Schicksal mit vielen anderen: Die Aufklärungsquote derartiger Delikte liegt bei deutlich unter 20 Prozent. Die Hoffnung, das Diebesgut könne über Umwege irgendwann in den Kunst- oder Antiquitätenhandel gelangen, erfüllt sich in den allermeisten Fällen nicht. Die Kunstraub-Datenbanken der Landeskriminalämter (LKA) sind in ihrer Systematik nicht alle kompatibel – ein wohl auch dem Föderalismus geschuldetes Problem. Immerhin gleicht das Bundeskriminalamt im Rahmen internationaler Ermittlungsverfahren regelmäßig die Datenbanken sichergestellter gestohlener Sakralkunstobjekte ab und kommuniziert dies an das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, das sich seinerseits mit den Diözesen ins Benehmen setzt. Auf diese Weise können, wenn auch äußerst selten, Objekte an die betroffenen Pfarrgemeinden restituiert werden – überwiegend erst nach vielen Jahren oder gar Jahrzehnten.
Die Tatmuster der Kirchendiebstähle der letzten zehn Jahre lassen im Vergleich zu vorher auf eine veränderte Motivationslage schließen. Wurden früher bevorzugt historische figurative Sakralkunstdarstellungen auf Gemälden, Reliefs, Epitaphen, Skulpturen und so weiter entwendet, sehen es die Kriminellen heute vermehrt auf echte oder scheinbare Edelmetallobjekte ab, auf Kerzenleuchter, Vasa sacra (liturgisches Gerät) oder Reliquiare etwa. Seit gut fünf Jahren wird auch ein drastisch zunehmender Diebstahl von metallenen Tafeln, Statuen, Laternen und Weihwasserbecken auf Friedhöfen gemeldet. Opferstöcke in Kirchen wurden freilich schon immer aufgebrochen, wobei hier der Sachschaden am Gehäuse meist deutlich über dem Nennwert des darin enthaltenen Spendengeldes liegt.
Erheblich zugenommen haben auch Diebstähle an der Gebäudehülle von Kirchen: Schmiedearbeiten und Kupferverkleidungen von Außengeländern über Regenrohre bis zu Dachschindeln stehen hier im Fokus. In Berlin-Pankow wurde ein komplettes Kirchenseitendach entfernt, wobei ein Höhenunterschied von 12 Metern zu überwinden war. Bei der Kirche in Oldenburg-Ohmstede wurde sogar aus 27 Metern Höhe ein Turmuhr-Zeiger gestohlen – hier freilich mit „Kletterhilfe“ über ein Baugerüst. Der Schwerpunkt bei Metalldiebstählen an Kirchen liegt derzeit wohl in Ostbayern. Das LKA Bayern protokolliert bei Metalldiebstählen eine enorme kriminelle Energie; der unbemerkte Diebstahl gerade großer Metallteile und -mengen setzt ja eine Koordinationskette und technische Logistik voraus, die Kleinkriminelle gar nicht zustande bringen. Fahndungen und vereinzelte Festnahmen im Bereich der Halbedelmetall-Diebstähle führen vermehrt zu Hintermännern der organisierten südosteuropäischen Kriminalität.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Auch bei augenfällig künstlerisch exzellenten Vasa sacra und Reliquiaren gilt das kriminelle Interesse heute primär dem Materialwert, um in der späteren Dealerkette die Provenienz zu verschleiern. Das führt zu der Absurdität, dass zum Beispiel ein delikat reliefiertes spätgotisches Reliquiar mit einem hypothetischen Marktwert von 25.000 Euro von einer Diebesbande eingeschmolzen wird, um daraus bescheidene sieben Gramm Feingold zu gewinnen – mit einem Handelswert um die 300 Euro. Denn die im Mittelalter hierzulande verfügbaren Goldressourcen waren spärlich. Mit Ausnahme der Cuppa, der Trinkschale des Messkelches, die vorschriftsgemäß aus purem (meist vergoldetem) Silber sein musste, bestehen daher die meisten anderen Teile historischer Vasa sacra aus niederkarätig vergoldeten nichtedlen Legierungen. Bei goldenen Statuen – etwa Madonnen oder Heiligenfiguren – findet sich üblicherweise lediglich ein Holzkern unter einer dünnen Edelmetallschicht. Ähnlich verhält es sich mit Schmucksteinen: Speziell für den Sakralkünstler war hier die Farbsymbolik und nicht so sehr der Materialwert der Steine bedeutsam. Deshalb wurden als Schmucksteine für heiliges Gerät oft Halbedelsteine verwendet, deren Marktwert heute vernachlässigbar ist. So kann man generell sagen, dass der reale Materialwert historischer Sakralkunst in Kirchengebäuden erheblich geringer ist, als Kriminelle annehmen. Antikes kirchliches Kunstgut mit außergewöhnlichem Goldanteil und mit sehr hochwertigen Edelsteinen kann man an einer Hand abzählen.
Von Erpressern, Banden und Nerds
Neben dem Dealen von Edelmetallen und Edelsteinen verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik freilich sehr vereinzelt auch jene Kirchendiebstähle, bei denen das Diebesgut quasi als sächliche Geisel zur Erpressung der Eigentümer eingesetzt wird. Für die Nichtzahlung des verlangten Lösegelds wird die dauerhafte Verschleppung oder gar Vernichtung des Objektes angedroht. Etwas anders gelagert war der Diebstahl des Borghorster Stiftskreuzes, eines hochbedeutenden goldenen Reliquienkreuzes aus dem 11. Jahrhundert, das im Oktober 2013 aus der Vitrine in der Nikomedeskirche in Borghorst entwendet wurde. Hier lobte die zuständige Versicherung ihrerseits ein Lösegeld für die Wiederbeschaffung aus – ein janusköpfiges Vorgehen, denn es ruft vielleicht bei Trittbrettfahrern den Eindruck hervor, sie könnten das Diebesgut aus Kirchen nachher auch noch an die Kirche zurückverkaufen.
Doch gelang es den Polizeifahndern im Borghorster Fall, die Diebe aufzuspüren und das Kreuz weitgehend unversehrt an die Pfarrei zurückzugeben. Die Täter, Mitglieder eines Bremer libanesisch-arabischen Clans, wurden 2015 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Eine besonders bizarre Serie von Bandenkriminalität an christlicher Sakralkunst gab es 2013 und 2014, als acht Salafisten in Köln und Siegen gemeinsam Kirchen ausraubten, um mit dem Verkauf des Diebesguts die Terrormiliz IS zu unterstützen. Sie wurden gefasst und zu Haftstrafen von zweieinhalb bis knapp fünf Jahren verurteilt.
Eine weitere Sonderkategorie stellen jene Kirchendiebstähle dar, die durch „Kunstsammler-Nerds“ und manchmal auch durch Menschen mit übersteigerten religiösen Fixierungen in Auftrag gegeben werden. Derartig verblendete Sonderlinge, die zugunsten ihrer Leidenschaft nicht vor Kriminalität zurückschrecken, verstecken dann das Diebesgut – Reliquien und Devotionalien mit besonderem historischen oder religiösen Hintergrund – lebenslang in ihren privaten vier Wänden, wodurch die Objekte für immer der Öffentlichkeit entzogen bleiben.
Nicht erst seit dem Kunstraub aus dem Dresdner „Grünen Gewölbe“ wird diskutiert, wie öffentlich zugängliches wertvolles Kunstgut am besten zu schützen sei. Dabei sind die grundsätzlichen Herausforderungen im weltlichen wie kirchlichen Bereich weitgehend dieselben. Aber die Handlungskonsequenzen sind unterschiedlich, ja müssen unterschiedlich sein, wenn es um Gotteshäuser geht. Handelt es sich doch beim sakralen Kunstgut nicht nur um Vermögens- und Kulturwerte, sondern um künstlerische Bezeugungen des liturgischen Heilsgeschehens und des Glaubens der Kirche. Ein Andachtsbild in einer Kirche, ein von Generationen von Wallfahrern aufgesuchtes „Gnadenbild“ zumal, darf man nicht voreilig mit Panzerglas umkleiden, weil Gläubige diese materielle Barriere unter Umständen auch als mentale Barriere erleben. Sollte ein Glasschrein absolut unvermeidlich sein, muss auf eine skulpturale, dem sakralen Charakter kongeniale Qualität des Schreins geachtet werden.
Immer aber – mit oder ohne Vitrine – sind wertvolle Bildwerke in Kirchen mit speziellen wand- oder bodenfesten Verankerungen mit evakuierungsfähigen Schnellentriegelungsvorrichtungen zu sichern. Überdies ist in Kirchen mit sehr wertvoller sakralkünstlerischer Ausstattung (Ornamenta ecclesiae) der Chorraum mit Alarmmeldern in Kombination mit sogenannten Wählgeräten zu versehen, die dank intelligenter Software weitgehend irrtumsfrei relevante Auslöser zu erkennen vermögen und situationsabhängig unterschiedlich gestaffelte Interventionen auslösen. Bei all diesen technischen Maßnahmen in Kirchen ist die feine Balance zwischen Kultus und Kultur stets aufs Neue und stets einzelfallbezogen zu suchen.
In den bundesweit 43 Museen der katholischen Kirche und 83 Museen mit konzeptioneller oder finanzieller Beteiligung katholischer Kulturträger sind die Exponate bereits aus ihrem Ursprungskontext gelöst und es findet dort kein Gottesdienst statt; insofern können hier Sicherungsmaßnahmen bei aller Diskretion dennoch umfangreicher zum Einsatz kommen als in Kirchen. Weil das Museum kumulativ oft viel höhere Werte beherbergt als das Gotteshaus, ist hier zum Beispiel eine sämtliche Fenster, Lichtschächte, Versorgungskanäle und Türen umfassende Außenhaut-Komplettsicherung vonnöten. Auch die akkugepufferte, autonome Notstromversorgung der vernetzten elektronischen Überwachungs- und Meldesysteme ist in allen größeren Häusern längst Standard.
Allem voran steht aber in Museen die Präsenz von regelmäßig geschultem, in wöchentlichen Austauschrunden immer wieder gebrieftem Sicherheitspersonal – sowohl zwischen den Exponaten als auch an der Eingangsschleuse und besonders an den gesetzlich vorgeschriebenen Fluchtwegen. Abstumpfende Routine und ein Abgleiten ins allzu Informelle ist mit regelmäßigen systemischen Reflexionen zu durchbrechen. Jeder Einsatz von Fremdpersonal aus Wachdienst-Subunternehmen, Handwerksbetrieben und Reinigungsdiensten bedarf seinerseits der engmaschigen Überwachung durch qualifiziertes Eigenpersonal. Bei aller Fehlbarkeit von Menschen können sie dennoch im Einsatz für die Diebstahl-Prävention niemals durch Technik ersetzt werden, weil Technik nur reagiert, der Mensch aber proaktiv handelt. Ob die derzeit so gehypte „Künstliche Intelligenz“ (KI) dies eines Tages ändert, bleibt abzuwarten. Einen Vorteil aber hätte KI im Sicherheits- und Wachdienst: Man müsste sich bei ihr keine Sorge um Leib und Leben machen. Für menschliches Wachpersonal hingegen gilt der ethische Grundsatz, dass körperliche Unversehrtheit absolute Priorität gegenüber Objektschutz hat. Gegen die jede Maßstäbe sprengende Brutalität organisierter Kriminalität hilft ohnehin keinerlei Privatmaßnahme und können ausschließlich die Vollzugsorgane des Staates etwas ausrichten – wenn überhaupt.
Ein Luxusproblem?
Bei allen Überlegungen zum Schutz von Sakralkunst könnte man kritisch anfragen, ob es sich dabei nicht um ein Luxusproblem handelt. Während Christinnen und Christen andernorts ermordet und verfolgt werden, diskutieren wir über Glasvitrinen von Heiligenfiguren. Und haben nicht ohnehin die Reformatoren Recht, wenn sie die Verehrung des Abbildes anstelle des Urbildes kritisieren? Gewiss, die Kultgegenstände als Realien sind nicht selbst Kultus, sondern sie dienen dem Kultus. Diese Unterscheidung zu treffen, ist wichtig, nicht zuletzt in Abwehr einer vorrationalen Dingmagie, wie sie hier und da noch immer irrlichtert. Aber mit der Schaffung von Gotteshäusern und deren kostbaren Ausstattungen haben Menschen angefangen, ihr Geld und ihre Fähigkeiten nicht zur Verherrlichung ihrer selbst einzusetzen, sondern zur Verehrung Gottes. Ein Kirchenbau mit seiner wertvollen Ausstattung ist zunächst Ausdruck des Betroffenseins von der Liebe Gottes. Und er zeigt den Versuch, diese Erfahrung mit aller Schönheit und aller Fantasie an andere Menschen weiterzugeben.
An Weihnachten 2019 gab es wieder mehrere Jesuskind-Diebstähle aus Weihnachtskrippen in Kirchen. Diese Figuren sind bis auf wenige Ausnahmen serielles Kunsthandwerk mit sehr geringem Wert. Obwohl folglich ihr Diebstahl in keiner Statistik auftaucht, versetzt er doch die betroffene Gemeinde in Gefühlswallungen. Kommunionkinder posteten einen Aufruf an den Dieb, dass er „… unser Jesuskind bitte, bitte, bitte!!! wieder zurückbringen“ möge. Dieses rührende Beispiel spricht für sich und sollte auch dem hartgesottensten, säkularsten Ermittler wenigstens ansatzweise verständlich machen, um was es hier eigentlich geht. Diebstahl und Vandalismus in Kirchen sind nie nur Vermögensdelikte und Sachbeschädigung, sondern stellen auch psychische Gewalt dar.
Wo rohe Kräfte sinnlos walten
Vandalismen an religiösen Stätten haben in Deutschland krass zugenommen – krass nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Qualität. Das zeigten jüngst die brachialen Steinwürfe durch 25 Fensterscheiben der berühmten Leipziger Thomaskirche und des angrenzenden Thomashauses an Silvester 2019/20, bei denen potenziell auch Gläubige hätten zu Schaden kommen können. In Deutschland wird Vandalismus an christlichen Symbolen und Devotionalien kriminalistisch als Sachschaden ohne a priori vermuteten christentumsfeindlichen Hintergrund eingeordnet, das heißt, zunächst einmal wird ohne Beteiligung des Staatsschutzes ermittelt. Lediglich bei expliziten extremistischen Indizien wie etwa Hakenkreuz-Graffitis klinkt sich der Staatsschutz ein. Analysiert man nun im Zeitraum der letzten fünf Jahre die Vandalismen an christlichen Symbolen und Devotionalien genauer, ist wohl auch hier vielfach eine neue Bewertung vonnöten.
Im Frühjahr 2018 gab es eine Vandalismus-Serie in Bamberger Kirchen, bei der gezielt Kruzifixe und Heiligenbilder umgestoßen, aus verdübelten Wandverankerungen gerissen und anschließend teils gravierend beschädigt wurden. Der 26 Jahre alte Tatverdächtige hatte auch in drei Fällen Kruzifixe auf der Straße bespuckt, dennoch konnten die Ermittler bei ihm kein religiöses Motiv erkennen. Vergleichbare Tatbilder häufen sich auch bei anderen Vandalismusdelikten. 2019 rissen Unbekannte in der Dreifaltigkeitskirche in Großholbach im Westerwald den Christuskorpus vom Kreuz und verkohlten dessen Augen, was viele Gläubige regelrecht traumatisierte. Neben diesen Beispielen sind zahlreiche ähnliche Taten an anderen Orten protokolliert. Dass Täter in Weihwasserbecken Fäkalien hinterlassen, ist ebenfalls belegt.
Die beschriebene Art des Vandalismus zeigt sich auch an Friedhofs- und Wegekreuzen. Durchaus kein Einzelbeispiel ist das Schicksal des in der Volksfrömmigkeit sehr wertgeschätzten „Mertlbauer-Kreuzes“ in Wolfsbuch bei Eichstätt vom März 2019: Unbekannte zerschlugen dem neobarocken Korpus die Beine, verdrehten diese und enthaupteten ihn; das abgeschlagene Haupt Christi legten sie auf eine nebenstehende Holzbank. Ältere Pfarrer und Anwohner sagen unabhängig voneinander, dass sie derartige ikonoklastisch anmutende Vandalismen seit den antireligiös-politischen Ikonoklasmen durch SA und SS an sakralen Bildwerken in Deutschland nicht mehr erlebt hätten.
Während sich die obigen Beispiele überwiegend zwar auf öffentlich sichtbare, doch auf Privatgrundstücken befindliche Sakralbildwerke beziehen, entzündet sich der Streit um Gipfelkreuze an der Frage der sogenannten „negativen Religionsfreiheit“ in freier Natur im Staatseigentum. Hier gab es 2016 und in den Folgejahren ebenfalls Tatserien, bei denen Gipfelkreuze in Süddeutschland und den angrenzenden Alpenländern an- oder abgesägt wurden. Unter Presseartikeln, die über diese Zerstörungen berichtet hatten, äußerten mehrere öffentliche Leserkommentare Freude über die Taten oder forderten, man solle am besten gleich alle Gipfelkreuze fällen.
Die Grundmuster vieler Beschädigungen innerhalb und außerhalb von Kirchengebäuden scheinen nicht „blindwütige“, sondern ideologisch zielgerichtete Motivationen widerzuspiegeln. Die Aufklärungsrate bei diesen Vandalismusdelikten liegt indes im unteren einstelligen Prozentbereich. Identifizierte Täter schweigen bei Verhören meist über die Motivation ihrer Tat, und an den betroffenen Orten werden in der Regel keine Hinweise wie programmatische Parolen oder gar Bekennerschreiben hinterlassen.
So muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenbleiben, ob es sich bei dem gehäuften „ikonoklastoiden“ Vandalismus um psychopathischen, politischen, antireligiösen, religiösen oder interreligiös motivierten Ikonoklasmus oder um Mischformen handelt. Weitergehende belastbare Aussagen sind hierzu derzeit nicht möglich, und jegliche Instrumentalisierung solcher Vorgänge – wie sie etwa durch Mitglieder der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ als Eigenpropaganda erfolgt – ist einer deeskalierenden Vorgehensweise nicht zuträglich.
Intern aber sollten die staatlichen Profiler bei den oben genannten Tatmustern genauer hinschauen. Hier amtlicherseits stereotyp unmotivierte „Sachbeschädigung“ festzustellen, ist vielfach unangemessen, zumal die psychischen Folgen bei den betroffenen Gläubigen auch eine Bewertung als Religionsdelikt erlauben: Im viel diskutierten § 166 StGB (vulgo: „Blasphemie-Paragraf“) geht es um nichts weniger als um den öffentlichen Frieden – und der Friede unter den Menschen, Gläubigen wie Nichtgläubigen, sollte uns doch jede Anstrengung wert sein. Insofern will gerade bei der hier behandelten Thematik beides, Rechtskultur und Alltagsethos, stets zusammengedacht werden – „siehst du das eine recht, siehst du das andere auch“ (Hölderlin).