Bistum LimburgMissbrauchsstudie kritisiert klerikale Strukturen

Maßnahmen, die weh tun. Das hat der Limburger Bischof Georg Bätzing bei der Vorstellung der umfangreichen Studie des Bistums zur Aufarbeitung des Missbrauchs angekündigt. Mitte Mai wurde der 421 Seiten starke Bericht in der Folge der MHG-Studie der deutschen Bischöfe in der Paulskirche in Frankfurt vorgestellt. Bätzing, der seit März auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, kündigte an, dass seine Diözese bei der Missbrauchsaufarbeitung Vorbild sein wolle.

In nur neun Monaten wurde die jetzt präsentierte Studie „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ erarbeitet. Besonderes Augenmerk wurde auf die Bewertung des Projekts durch die Betroffenen gelegt. Auftraggeber der Untersuchung waren der Bischof und die Diözesanversammlung, stellvertretend für alle Kleriker und Laien des Bistums.

Der Limburger Bericht besteht – wie die MHG-Studie – aus mehreren Teilprojekten. Die von insgesamt 70 Experten erarbeiteten Studien zur Aktenlage, der Aus- und Weiterbildungsordnung, der Personalführungskonzepte, zu den Themen Kommunikation und Information sowie zu Klerikalismus und Machtmissbrauch, außerdem zu den Rollen von Frauen und Männern in der Kirche und zur katholischen Sexualmoral als auch der kirchenrechtlich vorgesehenen Gewaltenteilung wurden jeweils von einer unabhängigen externen Projektbeobachterin begleitet, der Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller. Zu den acht ursprünglich geplanten Studien kam eine weitere über die Nachhaltigkeit der angestrebten Veränderungen hinzu. Burgsmüllers Bericht über die Erarbeitung und ihre Bewertung der Teilprojekte steht am Anfang, einschließlich der Reflexion von Konflikten während der Erarbeitung.

„Kernstück der Aufklärung und Aufarbeitung“ ist das Teilprojekt 1, die Aktenanalyse, bei der die verantwortlichen Bischöfe, Generalvikare und Personalreferenten auch namentlich genannt werden. 46 aktenkundige Fälle seit 1946 bis heute wurden hier untersucht. Die unabhängigen Fachleute hatten hier im Unterschied zur MHG-Studie selbst Akteneinblick, auch in die Fall- und Sonderakten. Ein Ergebnis der Limburger Studie ist die „desaströse“ (Bätzing) Führung früherer Personalakten. Bestätigt hat sich aber auch als Kernproblem des Missbrauchsskandals, dass die Beschuldigten in erster Linie als „Bedrohung des eigenen klerikalen Systems“ (Burgsmüller) gesehen werden – und eben nicht als Gefahr für weitere Kinder und Jugendliche. Die Projektbeobachterin weist deshalb darauf hin, dass das Aufdecken des „Vertuschungsverhaltens der Personalverantwortlichen“ dazu geeignet sei, „die autoritären klerikalen Strukturen der katholischen Kirche anzukratzen und zu verändern“. Das vorgeschlagene Implementierungskonzept sei jedenfalls keine „reine Kosmetik“. Dazu gehören ein Beschwerdemanagement, eine Gleichstellungsordnung und eine neue Disziplinarordnung für Kleriker. Insgesamt verzeichnet der Bericht mehrere Dutzend konkrete Verbesserungsvorschläge und dokumentiert auch jene Stellungnahmen von Beteiligten, die ihre Kritik am Projekt der Studie zum Ausdruck bringen. Stefan Orth

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