Die Netflix-Serie nach dem Bestseller von Deborah FeldmanUltra unorthodox

Ultra unorthodox
© Anika Molnar/Netflix
Die Serie „Unorthodox“ wurde mehrfach für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. © Anika Molnar/Netflix
Die Serie „Unorthodox“ wurde mehrfach für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. © Anika Molnar/Netflix

Man kann einer Netflix-Serie nicht vorwerfen, dass sie wie eine Netflix-Serie ist. Deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn es in der Ende März auf dem Streaming-Portal veröffentlichten Mini-Serie „Unorthodox“ die Gute, den Bösen und den Dummen gibt, in Berlin alle Menschen glücklich, hip und homosexuell sind und praktizierte Religion vor allem Restriktion bedeutet.

Viel wichtiger ist, dass die Serie der Produzenten Anna Winger und Alexa Karolinski von dem gleichnamigen Roman der US-amerikanisch-deutschen Schriftstellerin Deborah Feldman inspiriert ist. Diese landete mit ihrem autobiographischen Erstlingswerk 2012 einen Bestseller in den USA, der 2016 dann auch in Deutschland sehr erfolgreich war. Feldmann beschreibt darin, wie sie in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinschaft in New York aufgewachsen ist und schließlich mit diesem Leben brach.

In der Serie unter der Regie von Maria Schrader werden in Rückblenden Szenen aus der Zeit bei den Ultraorthodoxen gezeigt, während die Protagonistin Esther Shapiro nach ihrer Flucht ein neues Leben in Berlin beginnt. Die israelische Schauspielerin Shira Haas spielt Esther, genannt Esty, äußerst überzeugend: als eine zerbrechliche junge Frau, die sich mehr und mehr der Enge der Gemeinschaft, in der sie lebt, bewusst wird und die immer weniger bereit ist, die Ungerechtigkeit, der vor allem die Frauen ausgesetzt sind, hinzunehmen. Im Gegensatz zu Männern dürfen diese etwa nicht singen und nicht musizieren. Für beide Geschlechter aber regeln hunderte Vorschriften den Alltag. Haas zeigt, wie die zarte Esther sich zu einer sehr entschiedenen Frau mit einem eigenen Willen entwickelt, der es nicht nur gelingt, die Gemeinschaft zu verlassen, sondern auch ein neues Leben aufzubauen.

Besonders berührend sind die Szenen, in denen es um Estys von einer Heiratsvermittlerin arrangierte Ehe geht. Sie soll den jungen Yakov Shapiro, genannt Yanky, heiraten, gleichfalls hervorragend gespielt von dem israelischen Schauspieler Amit Rahav. Yanky ist mindestens genauso unsicher und schüchtern wie Esty, die kurz vor der Eheschließung, bei der sie ihren Mann zum dritten Mal sieht, von der Heiratsvermittlerin aufgeklärt wird. Dementsprechend gestaltet sich der Vollzug der Ehe als geradezu unmöglich – im Roman wie in der Serie ein Grund für die Schwiegermutter, sich in das Privatleben der Eheleute einzumischen. In der Serie ist dies der Hauptgrund dafür, dass Esty sich gegen die Gemeinschaft entscheidet.

Hervorzuheben ist auch, dass die Szenen, die das ultraorthodoxe jüdische Leben behandeln, auf Jiddisch mit Untertiteln gezeigt werden. Damit rückt die Netflix-Serie die mehr als tausend Jahre alte Sprache, die aus einer Mischung aus Hebräisch, Mittelhochdeutsch und slawischen – sowie in diesem Fall englischen – Einflüssen besteht und die mit dem Holocaust in Europa nahezu ausgerottet wurde, ins öffentliche Bewusstsein.

Es wäre wünschenswert gewesen, neben den Einblicken in das abgekapselte Leben der Ultraorthodoxen einige Erklärungen zu erhalten. So dürfte weitgehend nicht bekannt sein, was ein Eruv ist, nämlich ein symbolischer Zaun, der ein Gebiet umgibt, innerhalb dessen leichtere Sabbatregeln gelten. Eruvim existieren bis heute in vielen Städten weltweit. Oder es wird vorausgesetzt, dass der Zuschauer weiß oder sich informiert, warum ultraorthodoxe Juden ihre Küchen an Pessach mit Alufolie auskleiden.

In der „Jüdischen Allgemeinen Zeitung“ „erinnern Laura Cazés und Jakob Baier an einen Aspekt, der in der Serie „Unorthodox“ ebenfalls zu kurz kommt: nämlich, dass die Shoa von vielen Ultraorthodoxen als Strafe Gottes angesehen wird, woraus sich für sie eine besondere Sorgfalt bei der Erfüllung der religiösen Pflichten ableitet. Außerdem weisen die beiden darauf hin, dass „Unorthodox“ lediglich „eine Facette jüdischen Lebens“ repräsentiert – sicherlich eine berechtigte Kritik.

Deborah Feldmann ist mit der Mini-Serie jedenfalls zufrieden: „Ich finde, dass die Serie sehr positiv geworden ist und uns viel über unseren Zeitgeist und die Möglichkeiten darin erzählt“, sagte sie unlängst. Julia-Maria Drevon

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