In diesem persönlichen Buch entdeckt Ottmar Fuchs in einem lebendigen und existentiellen Gespräch mit Annette von Droste-Hülshoff und ihren Texten, in das er seine eigene Theologie einträgt, seine Droste ganz neu. Dabei gibt es bemerkenswerte Berührungspunkte. Fuchs konsultiert die literaturwissenschaftliche Literatur zu Droste und wertet die entsprechenden Publikationen aus. Es ist ihm wichtig, Droste als Frau und Laientheologin ernst zu nehmen. Nicht nur ihre literarische, sondern auch ihre theologische Qualität ist außerordentlich bedeutsam. Ihm selbst ist im Verlauf seiner Beschäftigung deutlich geworden, wie sehr ihn das Gespräch mit Droste dazu gebracht hat, sich selbst einzubringen und persönlich zu werden.
Dabei begreift er seine Methode keineswegs als unwissenschaftlich: Er will die literarischen Texte nicht für eigene theologische Interessen instrumentalisieren, sondern lässt mit der Methode der Intertextualität Theologie und Literatur zusammenklingen. In der theologischen Monographie zum „Geistlichen Jahr“ legt er die Texte des Zyklus näher aus, bevor er zu den theologischen Perspektiven kommt. Dabei erweist sich die bislang als Chaos und Wirrwarr geziehene biblische Auslegungsmethode der Droste als gänzlich schief, vielmehr ist eine Form von lyrischer Selbstverausgabung wahrzunehmen, die weit weg von einem bloßen Imitationverständnis der Bibel anzusiedeln ist. Sie geht mit den biblischen Texten assoziativ, persönlich und subjektiv um, wobei ihre Subjektivität durchaus als gebundene Freiheit beschrieben werden kann. Diese beobachtbaren Entgrenzungen umschreibt Fuchs mit einer pluralen Kanonizität, mit der Entdeckung einer unsichtbaren Kirche der Gottliebenden und Gottleidenden, aber nicht ganz orthodoxen Christen und einer eigenen Dogmatik. Es gibt für sie keine moralische oder mitgliedschaftliche Bedingung für die Erfahrung, von Gott gehalten zu sein. Von Missionierung ist nichts zu finden, sie ist vielmehr Vertreterin einer „antifundamentalistischen Konfessionstreue“, die sich nach innen den Mund nicht verbieten lässt und nach außen keinem Menschen den Mund verbietet. Fuchs entdeckt in seinem Buch nicht nur eine weiterhin lesenswerte Dichterin, sondern auch eine anspruchsvolle Theologin. Erich Garhammer